Putin bekommt sein Gas nicht mehr los – und findet kaum Alternativen
Trotz enormer Gasförderung findet Russlands Präsident Wladimir Putin keine Abnehmer. Besonders Gazprom leidet unter den Folgen und sucht verzweifelt nach neuen Gasabnehmern.
Moskau – Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf Russland setzen Wladimir Putin, den russischen Präsidenten, zunehmend unter Druck. Eine beträchtliche Menge an Ressourcen und Geld wird auf dem Schlachtfeld verschwendet. Russland ist auf der Suche nach neuen finanziellen Mitteln, die es bisher durch den Verkauf von Gas und Öl generieren konnte. Allerdings sieht sich das Land im Bereich Erdgas mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert.
Putin hatte Russland eigentlich gut auf Sanktionen vorbereitet
Trotz der enormen Gasproduktion Russlands wird diese zunehmend zum Problem für das Land. Trotz intensiver Suche nach neuen Käufern für sein Erdgas bleibt der Erfolg aus, wie das US-Nachrichtenmagazin Newsweek unter Berufung auf eine Analyse des Thinktanks Atlantic Council berichtet. Ein Indikator für die prekäre Situation des russischen Staatskonzerns Gazprom ist die Entscheidung Moskaus, die Dividendenzahlungen von Gazprom per Dekret zu verbieten.
Bisher schien Putin gut auf die Sanktionen vorbereitet zu sein: Russland gelang es, sowohl westliche Waren ins Land zu bringen als auch eigene Produkte über Mittelsmänner in den Westen zu liefern. Doch nun werden immer mehr Lücken in der Sanktionsstrategie des Kremls sichtbar.

Laut der Analyse hat der Krieg in der Ukraine Gazprom stark zugesetzt. Gazprom hatte frühzeitig die Gasförderungen nach Deutschland reduziert, um Energie als Waffe einzusetzen und Deutschland daran zu hindern, die Ukraine zu unterstützen. Die EU fand jedoch Alternativen zum russischen Gas und machte sich damit unabhängiger von den Lieferungen. Ausnahmen bilden Länder wie Österreich und Ungarn – Österreich ist beispielsweise durch schwer auflösbare Langzeitverträge noch an Putins Gas gebunden.
Gazprom: Verluste in Milliardenhöhe - Infrastruktur ein Problem
Im Jahr 2023 verzeichnete Gazprom Verluste von über sieben Milliarden US-Dollar. Allein in der ersten Jahreshälfte sanken die Einnahmen um 41 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Der Konzern musste seine Gasproduktion um 25 Prozent reduzieren.
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Die Gasinfrastruktur stellt ein großes Problem für Russland dar. Der europäische Markt war der wichtigste Abnehmer Russlands; zahlreiche Pipelines führen von Russland nach Europa. Darunter befinden sich auch die umstrittenen (und mittlerweile von Unbekannten zerstörten) Nordstream-Leitungen, die russisches Gas nach Deutschland transportieren sollten. Wie der Atlantic Council feststellte, fehlt Russland ein Geschäftsmodell, das den Wegfall der europäischen Abnehmer kompensieren kann.
Pipelines in andere Märkte sind selten – nach China führt beispielsweise nur die „Power of Siberia“-Pipeline. Rund 13 Prozent des russischen Gases gingen im ersten Kriegsjahr an China (Stand 2022, OEC World). Italien war mit mehr als 16 Prozent der größte Abnehmer, gefolgt von Tschechien, Frankreich und Ungarn. Das zeigt: Eine große Mehrheit der Abnehmer russischen Gases waren EU-Staaten. In Asien waren neben China die beiden Industriestaaten Japan und Südkorea wichtige Käufer.
Erdgas: China handelt bei Putin kräftige Rabatte raus
Es ist daher nicht überraschend, dass Wladimir Putin kürzlich auf seiner China-Reise versuchte, den chinesischen Präsidenten Xi Jinping zum Bau einer neuen Gas-Pipeline zu bewegen. Aktuellen Analysen zufolge würde ein solcher Bau rund 100 Milliarden US-Dollar kosten. Hinzu kommt, dass China – trotz aller Partnerschaftsbekundungen – kräftige Rabatte aushandelt, um russisches Gas und Öl zu kaufen. Der Verkauf von russischem Erdgas nach China durch eine zweite Gas-Pipeline würde „höchstwahrscheinlich“ zu einem „signifikanten Verlust“ für Putin führen, so die Prognose des Atlantic Council.
Die Diskussion um eine zweite Pipeline ist nicht neu. Putin versuchte bereits im Frühjahr 2023, Xi Jinping zum Bau der „Power of Siberia 2“ zu bewegen. Diese Pipeline sollte die „Power of Siberia 1“, die derzeit einzige Pipeline von Russland nach China, ergänzen. Mit der zweiten Pipeline würde russisches Erdgas von der Yamal-Halbinsel in Westsibirien nach China fließen – der Thinktank Carnegie Politika hatte jedoch bereits die finanziellen Schwachstellen untersucht. Viele Zahlen sind nicht bekannt: Russland bemüht sich sehr, die erste Pipeline als vollen Erfolg darzustellen.
Gazprom hatte „klar den schlechtesten Deal aller chinesischen Pipeline-Lieferanten“
China veröffentlicht jedoch monatlich Zahlen zu Gaseinkäufen, und aus den Zahlen von 2020 und 2021 zog der Thinktank einen Vergleich zwischen den Gaseinkäufen aus Turkmenistan, Myanmar, Kasachstan, Usbekistan und Russland. Eines der Ergebnisse: Gazprom hatte „klar den schlechtesten Deal aller chinesischen Pipeline-Lieferanten“. Die Differenz zwischen dem russischen und dem turkmenischen Vertrag soll im Durchschnitt 55 Dollar pro 1.000 Kubikmeter betragen. Ein Grund dafür könnte die Länge der Pipeline sein; Turkmenistan und Usbekistan liefern aus kürzerer Distanz an China. Es handelt sich um eine Differenz von mehreren hundert Kilometern.
Der Carnegie-Thinktank geht davon aus, dass Russland spätestens seit 2022 in einer deutlich schlechteren Verhandlungsposition ist als noch in der vergangenen Dekade. Ob die Pipeline letztendlich gebaut wird, ist noch unklar.
Bei anderen Waren hat Russland dagegen weniger Schwierigkeiten, Sanktionen zu umgehen. Russisches Öl findet beispielsweise über eine Schattenflotte seinen Weg in die westlichen Märkte, wenn auch zu einem hohen Preis. Die USA und die EU suchen ständig nach Möglichkeiten, den Sanktionsdruck aufrechtzuerhalten, während Russland nach Methoden sucht, um sie zu umgehen.
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