Entwicklungspsychologe verrät: So können Eltern ihre Kinder zu intelligenten Erwachsenen erziehen
Eltern beeinflussen das wissenschaftliche Denken ihrer Kinder mehr als gedacht, zeigt eine neue Studie. Ein Experte erklärt, welche Rolle Kakao-Experimente am Frühstückstisch spielen.
Warum fällt der Apfel vom Baum? Wieso ist Oma gestorben? Und wer ist eigentlich schneller: Schildkröten oder Schnecken? Fragen wie diese stellen Kinder jeden Tag. Mehrmals. Eine neue Studie der Universität Vechta zeigt nun, dass Eltern mit ihren Antworten auf diese Fragen mehr Einfluss auf das wissenschaftliche Denken ihrer Kinder nehmen als angenommen.
Lange dachten Forschende, dass sich diese komplexen Fähigkeiten erst im Jugendalter entwickeln. „Weit gefehlt“, sagt der Studienautor und Juniorprofessor für Entwicklungspsychologie Christopher Osterhaus BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA. „Schon mit sechs Jahren fangen Kinder an, wissenschaftlich zu denken – wenn ihre Eltern ihnen dies vorleben.“

Wissenschaftliches Denken: „Zwischen den Kindern gab es deutliche Unterschiede“
Osterhaus und sein Team haben Sechs- bis Zehnjährige über ihre gesamte Grundschulzeit begleitet. „Beim wissenschaftlichen Denken haben wir deutliche Unterschiede zwischen den Kindern festgestellt, die sich auf die epistemischen Überzeugungssysteme der Eltern zurückführen ließen.“ Bedeutet: Wie diese über Wissen dachten und sprachen, wirkte sich enorm auf ihren Nachwuchs aus.
Für seine Untersuchung unterteilte der Entwicklungspsychologe die Überzeugungen der Eltern in drei Kategorien:
- Die Annahme, dass Wissen fest und unveränderlich ist (Absolutistisches Überzeugungssystem)
- Die Annahme, dass Wissen subjektiv ist und jede Meinung gleichermaßen gültig (Multiplistisches Überzeugungssystem)
- Die Annahme, dass Wissen vorläufig ist, immer wieder durch neue Evidenz überarbeitet werden kann (Evaluativistisches Überzeugungssystem)

„Kinder starten als Absolutisten. Sie denken nicht, dass andere Menschen Dinge ganz anders sehen könnten als sie selbst“, sagt er. Manchmal blamieren Kinder ihre Eltern deswegen auch. Dann würden manche im Teenageralter zu Multiplizisten. Ganz nach dem Motto: Denk du, was du willst, du hast deine, ich habe meine Meinung. „Erst als Erwachsene werden manche Menschen zu Evaluativisten und glauben, dass es für jedes Urteil über unsere Welt mehr oder weniger gute Gründe gibt“, so der Forscher.
„Unsere Studie hat gezeigt, dass Kinder besser im wissenschaftlichen Denken waren, wenn ihre Eltern Evaluativisten waren, also glaubten, dass Wissen sich mit neuen Erkenntnissen weiterentwickelt“, sagt Osterhaus. Der Nachwuchs von solchen Eltern sei auch besser im Experimentieren gewesen, konnten also eher beantworten, wie man herausfindet, ob Schildkröten oder Schnecken (die übrigens beide Krankheiten übertragen können) schneller sind.
Dies ist ein Artikel von BuzzFeed News Deutschland. Wir sind ein Teil des IPPEN.MEDIA-Netzwerkes. Hier gibt es alle Beiträge von BuzzFeed News Deutschland.
Wie Eltern ihre Kinder zu wissenschaftlichen Denkern erziehen können
Wenn Eltern wollen, dass ihre Kinder zu intelligenten, wissenschaftlich denkenden Erwachsenen heranwachsen, müssen sie ihnen also vermitteln, dass Wissen veränderlich und nicht in Stein gemeißelt ist. Eine Sache, die laut Osterhaus an Schulen zu kurz kommt. „Schüler und Schülerinnen wird Wissen, gerade in den Naturwissenschaften, oft als Fakt verkauft. Dabei gibt es in der Wissenschaft keine hundertprozentige Sicherheit“, sagt er.
Eltern seien gefragt, Kinder immer wieder daran zu erinnern. Ein schmaler Grat, denn dass die Erde rund ist, sollten Kinder ja nicht hinterfragen, oder? Osterhaus stimmt zu. „Auf diesen schmalen Grat sollten sich Eltern fokussieren“, sagt der Entwicklungspsychologe. Indem sie Rollen tauschten und nicht nur den „Erklärer“ spielten, sondern ihr Kind nach dem „Warum“ fragen: „Wenn das Kind sagt, Schildkröten seien schneller als Schnecken, dann kann man es fragen: Warum glaubst du das? Das kann bei Kindern die Haltung fördern, selbst Erklärungen und Evidenz zu suchen.“
Meine news

„Wichtig ist, die Kinder nach ihren Hypothesen zu fragen und vielleicht zu erklären, dass man früher etwas anderes geglaubt hat.“ Ein gutes Beispiel dafür ist die Beschaffenheit der Erde. Doch auch der Alltag biete gute Gelegenheiten, Kinder zu kritischem Denken zu befähigen. „Am Frühstückstisch könnten Eltern ihr Kind fragen, ob es glaubt, dass sich Kakao in warmer oder kalter Milch besser auflöst und was es tun würde, um dies herauszufinden“, sagt Osterhaus. Bei komplexeren Themen jenseits von Kakao und Schildkröten könnte das auch sein, die Antwort gemeinsam in einem Buch nachzulesen oder im Internet zu recherchieren.