Herr Hagel, die Union ist in Umfragen unter 30 Prozent gesunken, die Nervosität steigt. Was darf jetzt keinesfalls passieren bis zur Wahl?
Ob 29, 30 oder 40 Prozent... Jede Stimme für die Union ist eine Stimme für den Politikwechsel. Was ist dafür wesentlich? Unsere Agenda der Fleißigen. Wesentlich ist, das Leben der Menschen wieder einfacher zu machen. Was die Bürger gerade am meisten beschäftigt, sind die Themen, bei denen die Union die größten Kompetenzen hat. Wir sind gut beraten, über diese Themen zu sprechen. Darauf kommt es jetzt an: Wirtschaft, Wohlstand, Sicherheit und Stabilität. So kann eine Begeisterung erwachsen, mit der wir Wahlen gewinnen.
Bayerns Ministerpräsident Söder brüstet sich mit Zustimmungswerten jenseits von 40 Prozent. Wäre es vielleicht klüger, sich ebenfalls schärfer von den Grünen abzugrenzen?
Markus Söder hat ein gutes Gespür für die Menschen im Land. Ihn stört vor allem der moralisierende Ton bei den Grünen, der ständig erhobene Zeigefinger, der die Menschen wie Kleinkinder behandelt. In dieser Analyse hat er in Baden-Württemberg mit Gerlinde Kretschmann prominente grüne Unterstützung. Was unser Land jetzt vor allem braucht, ist eine enkelfähige Wirtschaftspolitik: Wachstum mit der Union statt Rezession mit Roten und Grünen.
Daraus folgt: Der nächste Wirtschaftsminister darf nicht Robert Habeck heißen?
Erst mal hat jetzt doch der Wähler das Wort. Zur Demut gehört, dass wir dieses Wahlergebnis annehmen und lesen. Dann werden wir das Beste daraus machen. Ein Wirtschaftsminister, der sich selbst als größten Wirtschaftsminister aller Zeiten feiert, aber der sozialen Marktwirtschaft zutiefst misstraut – der sich damit brüstet, die meisten Gesetze und Verordnungen erlassen zu haben und uns in eine Rezession geführt hat, empfiehlt sich nicht gerade für weitere Verwendung. Die Union steht für das Gegenteil: Wir wollen den Rückbau von Bürokratie. Wenn Herr Habeck jetzt sagt, dass er Wirtschaftsminister bleiben oder gar Bundeskanzler werden will, dann ist das, wie wenn ein Wellensittich sagt: Ich will jetzt der Bundesadler sein.
„Friedrich Merz ist echt und authentisch“
Was wünschen Sie sich von Ihrem Kanzlerkandidaten im Wahlkampfendspurt?
Friedrich Merz ist echt und authentisch. Er gibt sich, wie er auch wirklich ist: ein Wirtschaftsfachmann, der für Sicherheit, für Verlässlichkeit und vor allem für Führung aus der bürgerlichen Mitte steht. Das bringt Deutschland wieder nach vorne.
Ist ihnen laut und klar genug, was derzeit aus der CDU kommt?
Politik wird immer scheitern, wenn sie nur auf Lautstärke setzt. Und sie wird gewinnen, wenn sie auch die leisen Töne hört. Im Moment spüren wir in der bürgerlichen Mitte große Verunsicherung über die Frage der Arbeitsplätze und große Sorgen, was die Sicherheitslage im Land angeht. Darauf haben wir Antworten formuliert, die nicht nur in der Schlagzeile funktionieren, sondern den Alltag der Menschen besser machen.
Sie regieren mit Schwarz-Grün im Stammland der Automobilindustrie. Wie groß ist da die Angst vor Jobverlusten?
Die Autobranche ist mit 250000 Beschäftigten eine Schlüsselbranche für Baden-Württemberg und steckt mitten im Wandel. Branchenvertreter sagen uns, dass bis zum Ende des Jahrzehnts rund jeder zweite Job in dem Bereich gefährdet sein kann. Bei uns im Südwesten ist die Mobilität erfunden worden. Unser Anspruch ist, dass hier bei uns die Mobilität der Zukunft erdacht wird. Dafür braucht es Sicherheit im Wandel – mit Hirn und Verstand. Transformation braucht Taktgefühl. So haben wir Baden-Württemberger die Zukunft schon immer fest umarmt.
Sie würden ein Verbrennerverbot rückgängig machen?
Klar. Das Verbrennerverbot muss weg. Der Verbrennungsmotor wird auf den Weltmarkt in den nächsten Jahren noch eine Rolle spielen. Wenn wir unseren Wohlstand als Automobilstandort halten wollen, müssen wir für den Weltmarkt produzieren und technologieoffen bleiben. Ich bin überzeugt: Die Mobilität der Zukunft wird emissionsfrei sein. Der Verbrennungsmotor ist eine Technologie, die fossilen Energieträger sind das Problem. Deshalb löst ein Verbot der Technologie kein Problem – ein Gebot für innovative Energieträger schon.
Würden Sie dann der E-Mobilität mit einer staatlichen Prämie auf die Sprünge helfen, so wie es CSU und Grüne fordern?
Ja. Alles, was für Nachfrage bei E-Mobilität und damit für Produktion sorgt, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wir werden mit der Elektromobilität erfolgreich sein, wenn sich die E-Mobilität als preiswertes, besseres Produkt durchsetzt und nachgefragt wird.
„Automotive-Betrieben unter die Arme greifen“
Da die Autobranche weniger E-Autos verkauft als von der EU mit den CO₂-Grenzwerten vorgeschrieben, drohen ihr Milliardenstrafen. Daimler, Bosch & Co. rufen deshalb die Politik zur Hilfe, werden Sie gegen Brüssel zu Felde ziehen?
Wir haben es hier mit einer doppelten Wahrheit zu tun: Diese Strafen werden ausgesprochen, weil Recht gebrochen wurde. Dagegen werden wir als Rechtsstaatspartei nicht anrennen. Die zweite Wahrheit ist: Wir haben jedes Interesse daran, unseren Automotive-Betrieben unter die Arme zu greifen.
Wie kommen Sie raus aus diesem Dilemma?
Da schlage ich einen neuen Ansatz vor: Wenn die Strafzahlungen im Steuersäckel der Europäischen Union verschwinden, ist keinem geholfen. Wird das Geld stattdessen in den Standort Deutschland investiert, ist allen gedient. Meine Idee: Wir erlassen Strafen unter der Auflage, dass sich die Unternehmen dazu verpflichten, die Summen in Forschung und Entwicklung in Deutschland zu investieren, um so Jobs bei uns am Standort zu sichern und neue Wertschöpfung zu schaffen.
Das nächste Unheil für die Autoindustrie sind Strafzölle, mit denen Donald Trump gedroht hat. Nehmen Sie das ernst?
Ja. Wenn Präsident Trump sagt, dass er aus deutschen Automobilherstellern amerikanische Autohersteller machen möchte, ist das eine Kampfansage ans Herz der deutschen Wirtschaft. Trumps Strategie ist immer, hart vorzupreschen und dann ir- gendeinen Deal zu machen. Deshalb ist es wichtig, dass wir selbstbewusst unsere Interessen in den USA vertreten. Ich glaube, die zweite Präsidentschaft Trump kann so für Europa auch eine Chance sein. Einen Handelskrieg müssen wir in unserem eigenen Interesse vermeiden.
„Merz wird unserem Land als Bundeskanzler viel mehr dienen, als es die noch amtierende Bundesregierung je konnte“
Sehen Sie den heraufziehen?
Das ist schon möglich. Antwortet Europa dumpf mit eigenen Zöllen, riskieren wir einen Protektionismus, der am Ende weniger Verkauf von deutschen Produkten in den USA zur Folge hat. Wir müssen alles tun, um den Freihandel und die transatlantische Partnerschaft zu stärken. Da hat Friedrich Merz mit seiner transatlantischen Prägung, mit seinem großen Netzwerk in Wirtschaft und Zivilgesellschaft in den USA ein top Standing. Deshalb wird Friedrich Merz unserem Land als Bundeskanzler viel mehr dienen, als es die noch amtierende Bundesregierung je konnte.
Um es auf den Punkt bringen: Sie halten EU-Strafzölle gegen Amerika oder China nicht für die richtige Antwort, um die deutschen Autokonzerne zu schützen?
Strafzölle schaden generell. Wir brauchen das Gegenteil: mehr Freihandelsabkommen. Ein möglichst freier und fairer Handel ist das, was gut für unsere Industrieproduktion und damit für den Wohlstand in Deutschland ist.
Je größer die Sorge um den Wohlstand, desto mehr Zuspruch erfährt die AfD – was fällt Ihnen dagegen ein?
Für die AfD ist es gut, wenn es Deutschland schlecht geht. Das sage nicht ich, das sagen AfD-Vertreter selbst. Die AfD braucht für ihr Geschäftsmodell Probleme, für die sie dann Schuldige benennt. Wir werden die AfD schlagen, da bin ich ganz sicher. Dazu sollten wir aber nicht den ganzen Tag über die AfD reden, sondern über die Gründe, die überhaupt erst dazu führen, dass sich so viele Menschen vorstellen können, sie zu wählen. Unsere Botschaft ist: Wir packen an und lösen Probleme.
Wenn die Rechtspopulisten ständig an Zuspruch gewinnen, ist die Beschwörung der Brandmauer dann ein Fehler?
Durch die Brandmauer-Rhetorik wird der AfD eine öffentliche Aufmerksamkeit zuteil, die sie im politischen Alltag überhaupt nicht hat. Das Problem ist: Viele Menschen empfinden diese Rhetorik geradezu als Mauer gegen sich und ihre Probleme. Für diese Menschen bauen wir Brücken zurück in die bürgerliche Mitte. Der Fixpunkt unserer Politik sind die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. Unser Angebot ist gutes Regieren.
Gehört dazu die Idee, die AfD durch Einbindung zu entzaubern?
Niemals! Das ist undenkbar. Wir Christdemokraten sind nach dem Zweiten Weltkrieg als Partei gegründet worden, um unser Land vor Extremisten zu schützen. Deshalb brauchen wir keine Brandmauer, wir sind die Brandmauer. Die AfD ist intellektuell, habituell und kommunikativ das Gegenteil von uns. Sie stellt sich gegen alles, was wir Christdemokraten lieben: Europa, unsere liberale Gesellschaft, soziale Marktwirtschaft und unsere Freiheit. Wer für China spioniert und sich von Russland bezahlen lässt, ist kein deutscher Patriot, sondern ein Verräter deutscher Interessen. Wo immer in Europa Konservative etwas mit Rechtspopulisten angefangen haben, wurden sie von innen heraus vergiftet und sind jetzt weg vom Fenster. Deutschland braucht keine AfD, sondern eine starke CDU, die die Probleme löst – eine CDU, als moderne, staatstragende, bürgerliche Volkspartei.