Trennung von Sündenbock Şahin löst kein grundlegendes BVB-Problem

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Borussia Dortmund hat sich von Trainer Nuri Şahin getrennt. Seine Bilanz fällt verheerend aus, dennoch löst der Abschied keine grundlegenden Probleme.

Dortmund – Borussia Dortmund hat erneut einen Trainerwechsel vollzogen. Der nächste Versuch, an die erfolgreichen Zeiten unter Jürgen Klopp anzuknüpfen, ist gescheitert. Nuri Şahin wurde nach der 1:2-Niederlage gegen den FC Bologna in der Champions League entlassen. Bereits in den letzten Monaten glaubten nur noch Teile der Vereinsführung an den Erfolg mit dem unerfahrenen Trainer.

Für die Vereinsführung um den im Hebst scheidenden Klubchef Hans-Joachim Watzke, Sportgeschäftsführer Lars Ricken, Sportdirektor Sebastian Kehl, den Technischen Direktor Sven Mislintat und Berater Matthias Sammer stellt die Trennung von Şahin eine Niederlage dar. Nach dem Abschied von Edin Terzić sollte Şahin eine neue Ära einleiten, doch zur Saisonmitte steht der Klub vor einem Scherbenhaufen.

BVB ist vom ‚zweiten Leuchtturm‘ denkbar weit entfernt

Der BVB befindet sich Anfang 2025 auf einem steilen Abwärtstrend. Von der Rolle als ‚zweiter Leuchtturm‘ hinter dem FC Bayern, die Watzke seit Jahren propagiert, ist Dortmund weit entfernt. Auch Bayer Leverkusen hat sich abgesetzt, die Entwicklungen bei Eintracht Frankfurt und dem VfB Stuttgart bereiten dem BVB Sorgen. Besonders schmerzlich ist, dass Jürgen Klopp bei RB Leipzig langfristig die Erfolgsspur zuzutrauen ist. Dabei wäre es wichtig, sich auf die eigenen Probleme zu konzentrieren, denn Dortmund droht mehr und mehr in die Mittelmäßigkeit abzurutschen.

Şahin wirkte zuletzt regelrecht hilflos. Weder mutige Aufstellungen mit jungen Spielern wie in Bologna noch taktische Umstellungen während der Spiele brachten Erfolg. Die Horrorbilanz von nur einem Sieg aus den letzten neun Pflichtspielen machte die Trennung unvermeidlich. Dennoch entsteht der Eindruck, dass Şahin als Sündenbock herhalten muss, während die größeren Probleme des Vereins ungelöst bleiben.

Warum sollte ausgerechnet Berufsanfänger Nuri Şahin eine Ära prägen?

Der Versuch, an die Klopp-Ära anzuknüpfen, ist erneut gescheitert. Mit Thomas Tuchel stimmte die Chemie nicht, Peter Bosz war eine Notlösung, Lucien Favre konnte sich nie richtig einleben. Terzić gelang es noch am ehesten, den besonderen Geist, der in Dortmund umherschwebt, in sportlichen Erfolg umzuwandeln. Trotz DFB-Pokalsiegs wurde er zugunsten von Marco Rose ins zweite Glied versetzt, bevor der Fehler nach nur einem Jahr korrigiert wurde.

Terzić führte den BVB an den Rand der Meisterschaft und ins Champions-League-Finale, verlor jedoch den Rückhalt, weil die Mannschaft nicht sonderlich ansehnlich Fußball spielte. Mit Şahin sollte nun ausgerechnet ein zu Dienstantritt 35 Jahre alter Mann die positiven Eigenschaften all seiner Vorgänger vereinen.

Trainer Nuri Şahin wusste direkt nach der vierten BVB-Niederlage am Stück, was ihm drohte.
Trainer Nuri Şahin wusste direkt nach der vierten BVB-Niederlage am Stück, was ihm drohte. © IMAGO/ULMER

Im Umfeld des Klubs war schnell klar, dass dieses Projekt Şahin zum Scheitern verurteilt war. Die Vereinsführung klammerte sich an jeden Hoffnungsschimmer, um einen weiteren Trainerwechsel zu vermeiden. Unbequeme Fragen drängen sich auf: Warum hat der BVB seit Jahren nie mit offenem Ausgang nach einem Trainer gesucht, und warum war die Angst so groß, Co-Trainer Şahin an einen anderen Verein zu verlieren?

Die BVB-Führung ließ ihren Trainer im Regen stehen

Es wurde in den letzten Monaten immer offensichtlicher, dass der BVB für Şahin noch eine Nummer zu groß war. Der Ex-Profi hätte sich anderswo bewähren können, bevor er bei seinem Herzensverein übernimmt. Doch die Vereinsführung entschied sich erneut für die Lösung mit Stallgeruch.

Der lebenslange BVB-Fan Watzke, seit 20 Jahren in Führungspositionen, entschied gemeinsam mit den Ex-BVB-Profis Ricken, Kehl und Sammer sowie dem BVB-Rückkehrer Mislintat, dass Şahin die beste Wahl sei. Argumente, die über Şahins Vergangenheit hinausgingen, wurden kaum berücksichtigt.

Schnell zeigte sich, dass Şahin der Aufgabe nicht gewachsen war. Die Vereinsführung ließ ihn dabei auch mit der Kaderplanung im Stich. Eine klare sportliche Handschrift fehlt im Aufgebot von Dortmund. Es gibt gute Einzelspieler, aber keine Superstars wie Erling Haaland oder Jude Bellingham, die den Unterschied ausmachen. Eine funktionierende Achse aus diesem Gebilde zu formen, fiel auch erfahreneren Trainern schwer.

Die ‚Echte Liebe‘ des BVB wirkt inzwischen nur noch altbacken

Kapitän Emre Can ist eine umstrittene Figur, die zu eklatanten Fehlern neigt. Die Idee, Julian Brandt als Nachfolger von Marco Reus als Gesicht des Vereins zu etablieren, scheiterte. Nico Schlotterbeck könnte ein echter Führungsspieler sein, macht jedoch auch noch immer viel zu viele Fehler.

Der Kader ist obendrein auf einigen Positionen nicht breit genug aufgestellt. Mit nur je drei gelernten Innen- und Außenverteidigern in die Saison zu gehen, war geradezu lachhaft riskant. Dass im Winter bisher nur der Verkauf von Donyell Malen gelang, wirft ein schlechtes Licht auf Kehl. Dessen Vertragsverlängerung unmittelbar vor der Serie von vier Niederlagen zu Jahresbeginn schlug dem Fass nun den Boden aus.

In einem normalen Verein wäre Kehl mit seiner Bilanz und angesichts wiederholt auch nach außen dringenden internen Streitigkeiten spätestens im Sommer zum Vertragsende verabschiedet worden. Der BVB hält jedoch an alten Erfolgen fest. Die ‚Echte Liebe‘ des BVB wirkt inzwischen nur noch altbacken. Şahin profitierte davon, als er den Trainerposten erhielt. Nun hofft der Klub, dass der nächste Versuch erfolgreicher ist. Solange sich an den Strukturen und der Haltung nichts ändert, werden aber wohl weitere Trainer verschlissen.

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