Beim BVB beginnt die Ära Niko Kovač mit Schönrederei
Niko Kovačs Premiere bei Borussia Dortmund endete in einer Pleite. Der Cheftrainer bemängelte jedoch nur das Resultat beim 1:2 gegen Stuttgart.
Dortmund – Dass sich mit dem Abschied von Nuri Şahin (und inzwischen auch Sven Mislintat) von Borussia Dortmund nicht alle Probleme in Wohlgefallen auflösen würden, war auch den Beteiligten klar. Dennoch war die Hoffnung vor dem Debüt von Neu-Trainer Niko Kovač gegen den VfB Stuttgart in der Bundesliga groß.
Den Turnaround hatte doch Interimscoach Mike Tullberg schon eingeleitet, der in den Spielen gegen Werder Bremen (2:2), Schachtar Donezk (3:1) und den 1. FC Heidenheim (2:1) ungeschlagen geblieben war. Die weitaus höhere Hürde stellte nun aber der Vizemeister der Vorsaison dar. Für den BVB war sie zu hoch – ohne, dass Stuttgart für den 2:1-Sieg in Dortmund selbst viel hätte machen müssen.
BVB schlägt sich gegen Stuttgart vor allem selbst
Durch das Eigentor des indisponierten Waldemar Anton (50.), fehlende Ordnung beim Treffer von Julian Chabot (61.) und zu wenig eigene Durchschlagskraft im Angriffsdrittel schlug sich Dortmund beim Kovač-Debüt weitgehend selbst. Gegen den VfB kann man verlieren, der BVB hat das nun fünfmal in Serie getan. Der Auftritt gab aber wenig Anlass zur Hoffnung, unter dem neuen Trainer würde sich die Saison noch zum Guten wenden.
Kovač selbst muss das naturgemäß anders sehen, dennoch wirkte auffällig, wie schön sich der 53-Jährige den Auftritt gegen einen VfB redete, der nur ein Mindestmaß an Cleverness und Spielglück brauchte, um drei Punkte aus Dortmund mitzunehmen.
„Ich denke, dass die Jungs heute wirklich alles gegeben haben, dass wir heute mit Sicherheit nicht als Verlierer hätten vom Platz gehen dürfen“, sagte Kovač nach der Partie beim TV-Sender Sky.
Karim Adeyemi steht sinnbildlich für den BVB
„Wir haben in den entscheidenden Situationen, wenn wir in der Box waren, in der Entscheidungsfindung nicht immer das Richtige gemacht. Wir haben uns selber um die Früchte gebracht“, befand Kovač. In der Tat hatte Dortmund hier und da ordentliche Ansätze gezeigt, vor allem auf den Außenbahnen die herausragende Athletik von Karim Adeyemi und Jamie Gittens genutzt.

Gerade Adeyemi, der in der Vorwoche von Interimscoach Tullberg einen gewaltigen Denkzettel (Ein- und Auswechslung in Heidenheim) verpasst bekommen hatte, kam über diese Ansätze aber nicht hinaus, weil es ihm in den brisanten Szenen an der Übersicht fehlte. Letzten Endes ist das gleichzeitig eine Frage des Selbstvertrauens, aber auch der Qualität. Es kommt nicht von ungefähr, dass Adeyemi alle seine fünf Saisontore in 127 Spielminuten gegen Heidenheim (Hinspiel) und Celtic binnen zwei Wochen im Spätsommer erzielt hat.
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Gegen Stuttgart stand der Auftritt von Adeyemi durchaus sinnbildlich. In Sachen Willen konnte dem BVB größtenteils kein Vorwurf gemacht werden, in Sachen Können sehr wohl. Wurde in Dortmund zu oft die ‚M-Frage‘ (Mentalität) gestellt, wenn die ‚Q-Frage‘ (Qualität) hätte gestellt werden müssen?
Niko Kovač fand beim BVB-Debüt nur das Ergebnis „nicht gut“
„Ich habe heute wirklich gesehen, dass jeder 100 Prozent gegeben hat, bis zur letzten Minute. Das Ergebnis ist das einzige, was nicht gut war. Der Rest war in Ordnung“, sagte Kovač nach seinen ersten knapp 100 Minuten als Dortmund-Trainer. Wenn der Kroate ein Team im Abstiegskampf übernommen hätte, hätte die Einschätzung nach einer knappen Heimniederlage mutmaßlich genauso geklungen.
Dass die Ansprüche beim BVB selbst in einer tiefen Krise größere sein müssen, liegt auf der Hand. Es ist ein mit Nationalspielern gespicktes Team, die meisten Profis standen vor etwas mehr als einem halben Jahr im Champions-League-Finale. Zufriedenheit, weil der Einsatz stimmte, darf da eigentlich nicht aufkommen. Dies muss schlichtweg vorausgesetzt werden können.
Dortmund von der Champions League denkbar weit entfernt
Für die Ära von Niko Kovač als Cheftrainer in Dortmund – wenn es denn eine Ära wird – bleibt zu hoffen, dass er bei seinen öffentlichen Auftritten bewusst Milde walten lässt, sich vor die Mannschaft stellt und ihr so Selbstvertrauen zu geben versucht. Nach der Analyse des Spiels muss beim BVB intern eine andere Überzeugung wachsen, als Kovač sie nach außen transportierte.
Gegen einen am Samstag definitiv schlagbaren VfB Stuttgart hat Dortmund eine riesige Chance ausgelassen, nach Punkten zu einem direkten Konkurrenten um die Champions-League-Ränge aufzuschließen. Wobei: Der Gedanke an diese Ränge drängt sich nur auf, weil es um den Königsklassen-Dauergast Borussia Dortmund geht. Gemessen an den tatsächlichen Leistungen in der laufenden Saison hat die Mannschaft, die Kovač übernommen hat, im Rennen um ein Finish unter den Top 4 der Bundesliga überhaupt nichts verloren.