Teuerung ist längst nicht besiegt - Inflation sinkt, Lebensmittel wie Butter werden billiger? Freuen Sie sich nicht zu früh

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IMAGO/Martin Wagner Verbraucher müssen für Butter wohl deutlich tiefer in die Tasche greifen.
Donnerstag, 28.11.2024, 06:59

Die Inflation ist noch nicht besiegt. Bei manchen Gütern des täglichen Bedarf ziehen die Preise wieder bedenklich an. Ökonomen sagen eindeutig: Ein weiterer Inflationsbuckel kommt. Und danach wird die Teuerung langfristig höher bleiben.

Deutschland hat es zurück zur Preisstabilität geschafft – zumindest auf dem Papier. Im Oktober lag die Inflationsrate bei nur noch 2,0 Prozent. Nicht wenige Verbraucher spüren davon aber vermutlich wenig.

So beispielsweise beim Einkauf im Supermarkt. Erst kürzlich sahen sich Verbraucher etwa mit folgenden Schlagzeilen konfrontiert: „Warum der Butterpreis auf ein Rekordhoch gestiegen ist“ oder „Knackt der Butter-Preis bald die Vier-Euro-Marke?“.

Butter ist Paradebeispiel für dir alltäglichen Waren, die sich in der Hochinflationsphase kräftig verteuert haben, anders als beispielsweise Energieträger aber einfach nicht wieder billiger werden. Natürlich spielen hier auch marktspezifische Faktoren eine Rolle, wie beispielsweise Molkereibetriebe, die ihr Geschäft aufgeben, und so das Angebot verknappen.

Dennoch ist Butter kein Einzelfall, wie auch der Preismonitor des Statistischen Bundesamts zeigt. Das schürt die Furcht vor einem zweiten Inflationsbuckel, nach den massiven Teuerungsraten im Jahr 2022. Analysen dazu gab es schon im vergangenen Jahr, beispielsweise durch die niederländische Großbank ING.

„Gute Gründe für eine volatilere und strukturell höhere Inflation“

Ihr Fazit: Eine zweite Welle in den USA, wie damals zur ersten Öl-Krise gab, dürfte es wohl nicht geben. Damals übertraf die Inflationsrate der zweiten Welle im Jahr 1980 sogar die Rate der ohnehin schmerzhaften Teuerung in den 1970ern. Auch in Deutschland, merken die Analysten der Bank an, gab es damals einen zweiten Gipfel, wenngleich weniger dramatisch.

Dennoch resümieren die Ökonomen, dass es „gute Gründe gibt, in der nächsten Dekade eine volatilere und strukturell höhere Inflation zu erwarten“. Insbesondere angesichts der „grünen Transformation“ würden potenzielle Engpässe bei Metallen ein erhebliches Inflationsrisiko darstellen.

„Das allein würde nicht für einen Teuerungsschock wie im Jahr 2022 ausreichen, wäre aber voraussichtlich eine Quelle konstanten Preisdrucks in den kommenden Jahren. Extremwetter dürften zudem zu volatileren Lebensmittelpreisen führen“, schreiben die Autoren.

Die Inflation kommt zurück - doch es gibt böse Omen

Nun, über ein Jahr nach dieser Analyse, scheint sich diese nicht zu bestätigen. Die Rate ist seit dem Gipfel im Herbst 2022 nahezu konstant gefallen. Allerdings gibt es Anzeichen wie die Erzeugerpreise. Hier deutet sich eine Trendwende ab. Auf Jahressicht fielen die Preise der Produzenten seit Mitte 2023.

 
 
 

Zuletzt jedoch drehte die Rate auf Monatssicht wieder ins Positive und betrug 0,2 Prozent. Die 12-Monats-Rate wiederum stieg, ohne Energie, um 1,3 Prozent. Wenngleich Erzeuger ihre eigenen Preisanstiege nur bedingt an die Endkunden weitergeben, so spricht diese Entwicklung zumindest für eine stete Verbraucherpreisinflation.

Nochmals deutlicher steigende Preise erwartet indes auch die Commerzbank. Das zeigt eine jüngste Quant-Analyse des Ökonomen Vincent Stamer. „Die aktuelle Prognose unseres Quant-Modells auf der Grundlage von maschinellem Lernen erwartet für die kommenden Monate eine höhere Inflation im Euroraum als noch vor einem Monat. Vor allem die Lebensmittelpreise dürften etwas stärker steigen als bisher gedacht“, schreibt Stamer.

Modell eines „zufälligen Walds“ sagt höhere Teuerung voraus

Der Volkswirt nutzt dabei maschinelles Lernen und das sogenannten Random-Forest verfahren. Dieser „zufällige Wald“ besteht, stark vereinfacht, aus Hunderten einzelnen Entscheidungsbäumen, die verschiedene, inflationstreibende Variablen kombinieren. Die Treffsicherheit der Prognose ist dadurch besser als simpler gestrickten Modellen.

Veranschaulichung eines Entscheidungsbaums beim Random-Forest-Modell.
Commerzbank Veranschaulichung eines Entscheidungsbaums beim Random-Forest-Modell.
 

Zuletzt erhöhten sich die Prognosen des Modells um 0,1 Prozentpunkte. Laut Stamer reagiere das Modell damit auf die höheren Preise für Lebens- und Genussmittel. „Für den Dezember erwartet das Modell nun vor allem wegen eines Basiseffekts einen Anstieg der Inflationsrate auf 2,5 Prozent, danach dürfte die Inflation laut der Modellprognose sogar unter 2,0 Prozent fallen.“

 
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Die Kernrate dürfte sogar noch weiter, auf 2,9 Prozent steigen, ehe sie im Jahresverlauf 2025 wieder absinkt. Dabei spielt jedoch auch ein Basiseffekt eine Rolle, der durch die unerwartet starken Preisanstiege im Frühjahr 2024 entsteht. „Wir gehen davon aus, dass das Modell die Kernrate unterschätzen könnte“, mahnt Stamer deshalb.

Commerzbank-Ökonom erwartet sogar noch höhere Inflation

Die tatsächliche Inflationsprognose – inklusive Korrekturen durch die Ökonomen der Bank – ist deshalb höher. Stamer sieht dafür drei Gründe: „Erstens dürften die Versicherungsprämien im kommenden Januar und Februar erneut deutlich steigen. Zweitens haben die Löhne bis zuletzt sehr stark zugelegt. In der Vergangenheit dürften es zu wenige Phasen mit einer vergleichbaren Entwicklung gegeben haben, um das Random-Forest-Modell für diese Sprünge bei Lohnkosten und Versicherungsprämien zu sensibilisieren.“

Zuletzt steigt der CO2-Preis im Januar 2025 nochmals. Das dürfte die Preise für Energieträger direkt und die Kernrate indirekt erhöhen. Noch sei der CO2-Preis nicht in das Modell integriert. „Deshalb könnte die Inflation um bis zu einem viertel Prozentpunkt höher ausfallen als vom Modell erwartet.“

 
 
 

Stamers endgültige Prognose fällt daher mit 2,5 Prozent im Dezember höher aus als im Modell. Im gesamten kommenden Jahr soll die Rate im Schnitt 2,1 Prozent betragen, die Kerninflation 2,3 Prozent. Das mag für Verbraucher zunächst nicht nach viel klingen. Allerdings sollte dabei nicht vergessen werden, dass die Preise – besonders bei Lebensmitteln – bereits auf hohe Niveaus geklettert sind.

Für die Zentralbanken wird es schwieriger, die Zinsen weiter zu senken

Auch Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer erinnert auf Anfrage von FOCUS online daran, dass „langfristig immer noch beträchtliche Inflationsrisiken bestehen – vor allem wegen der De-Globalisierung, die wegen Trumps geplanter Zollerhöhungen leider Fahrt aufnehmen wird“. Darüber hinaus verknappe der sinkende Anteil der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter in Nordamerika, Europa und China das Angebot an Arbeit und spreche so für steigende Lohnkosten – ebenfalls ein Inflationstreiber. Die Dekarbonisierung komme als Kostenfaktor Firmen und damit letztlich die Verbraucher noch dazu.

„Langfristig sind die Zentralbanken bei ihrem Kampf gegen die Inflation beträchtlichem Gegenwind ausgesetzt“, sagt Krämer deshalb. Das betrifft letztlich alle Verbraucher und Kreditnehmer. Eine tendenziell höhere Inflation nach den zuletzt deutlich gefallenen Raten erschwert es der Europäischen Zentralbank (EZB), ihren Zinssenkungskurs beizubehalten. Das wiederum heißt, dass beispielsweise Kredite auf absehbare Zeit teurer bleiben.

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