„Großväterchen Zeit und das Schaltjahr“: Sachsenriederin bringt Kinderbuch heraus

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Stolz auf ihr Werk ist Helga Maria Reichart. Drei Monate dauerte es, von der ersten Zeichnung bis zum fertigen Buch. © Sabine Lehmann

Mit ihrem ersten Kinderbuch möchte Helga Maria Reichart (50) das Schaltjahr erklären. Zusammen mit Protagonist Benjamin Jahr sucht die Leserschaft seinen Platz in den Kalendermonaten.

Sachsenried – Entspannt sitzt Helga Maria Reichart im Café und nippt an ihrem Cappuccino. Die kleinen Zöpferl im blonden Haar lassen die 50-Jährige jugendlich wirken, aber es ist auch ihre freundliche und offene Art, die dem Gegenüber ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Dennoch ist die Autorin, die in Sachsenried auf einem Hof aufgewachsen ist und mittlerweile in Kempten wohnt, schwer zu fassen.

Sie ist die sympathische Frau von nebenan, arbeitet in einem bodenständigen Beruf in einer Bank, hat mit ihrem Mann zwei Töchter, 13 und 19 Jahre alt. Und doch lebt Reichart zeitlebens ihre künstlerische Ader aus. In der Schule illustriert sie die Schülerzeitung, im Dorf Sachsenried schreibt sie die Büttenreden und auch in der Bank hinterlässt sie die ein oder andere Zeichnung an Arbeitsplätzen oder unterstützt das Marketing.

„Großväterchen Zeit und das Schaltjahr“: Helga Maria Reichart bringt erstes Kinderbuch heraus

Im Internat in Kaufbeuren belegt Reichart den Zweig Rechnungswesen. Doch schon dort fällt ihre Passion auf. „Die Schülerin hat eine Begabung für bildliche Darstellung“, steht im Zeugnis. Eigentlich hätte sie nach der Schule gerne Grafikdesign studiert, doch ihr Vater drängte sie, etwas „Gescheites“ zu lernen. So blieb das Zeichnen ihr Hobby.

Vor ein paar Jahren dann kam der Moment, der alles änderte. „Mein Mann schenkte mir einen Kurs über Buch Illustration und da musste man mit einer fertigen Geschichte anrücken.“ Der Kurs fiel wegen Corona zwar aus, die Idee nahm aber weiter Formen an und landete schließlich bei ihrem alten Lehrer, der einen Verlag gegründet hatte. „Er hätte mir auch gesagt, wenn es nichts gewesen wäre“, weiß Reichart. Doch Josef Bauer war begeistert. „So kam das alles ins Rollen.“ Das Buch „Großväterchen Zeit und das Schaltjahr“ entstand.

„Jedes Bild muss für mich einen Gag haben, man muss immer wieder etwas neues entdecken“

Beinahe aufgeregt zieht die 50-Jährige einen Skizzenblock aus der großen Tasche. „Hier steht alles drin, von der ersten Zeichnung bis zum letzten Wort“, sagt sie stolz. Aquarell mit harten Linien im Comic-Stil, das ist ihr Ding. Farbenfroh und detailreich lohnt es sich schon, einfach nur die liebevollen Zeichnungen anzuschauen. „Jedes Bild muss für mich einen Gag haben, man muss immer wieder etwas neues entdecken“, schwärmt Reichart. Inspiriert haben sie berühmte Figuren aus dem echten Leben, wie Physiker Albert Einstein (Großväterchen Zeit, ehemaliger Mathematik-Professor und Uhrenliebhaber) oder Model Jorge Gonzales, bekannt aus der TV Show „Let´s dance“ als Katharina Kastanie. Hauptperson ist Benjamin Jahr, das jüngste unter 366 Kindern.

Obwohl Benjamin noch klein ist, schickt ihn der Vater fort, um seine Bestimmung zu finden. Mit einem breiten Grinsen und einem riesigen Schal macht sich der Junge auf den Weg durch die einzelnen Monate. Start ist im März, wo er drei seiner Geschwister trifft. Alle Brüder und Schwestern von Benjamin haben ihren Platz in einem Monat gefunden. Alle freuen sich über seinen Besuch. Doch keiner möchte ihn wirklich haben. Die Aufgaben sind verteilt, die Häuser voll. So wird der kleine Junge von Monat zu Monat geschickt.

Protagonist Benjamin wird zum Wächter der Zeit

Benjamin gibt nicht auf. Immer wieder spricht er die Worte: „Bei euch gefällt es mir. Habt ihr eine Aufgabe für mich, werde ich hier gebraucht?“ Solange, bis er hoffnungslos und traurig im Februar ankommt. Endlich darf er dort ins Haus Nummer 29 einziehen. Eine sinnvolle Tätigkeit findet er aber nicht, weshalb er nach Hause reist, um seinen schlauen Großvater zu befragen. Dieser hat sich mittlerweile in Studien über die Zeitrechnung verloren und findet schließlich gemeinsam mit seinem Enkel die Lösung, wie der Kalender wieder mit der Erdbewegung übereinstimmen kann: Alle vier Jahre gibt es im Februar einen zusätzlichen Tag, was man dann Schaltjahr nennt. Benjamin ist also fortan der Wächter über die Zeit. In den drei Jahren dazwischen, wohnt er bei seinem Opa und geht ihm zur Hand.

Ein Happy End also nach einer für den Leser kaum erträglichen Reise. Weil er immer wieder weggeschickt wird, ist das Mitleid mit dem kleinen Jungen groß. „Ein Schüler hat mich auf einer Lesung einmal gefragt, warum Benjamins Geschwister so gemein sind und warum ich das nicht anders geschrieben habe“, erzählt Reichart. Diese Frage habe sie erschüttert. „Ich wusste gar nicht, was ich dazu sagen soll.“ Sicherlich hätte man Benjamins Suche nach seinem Platz im Kalenderjahr auch selbstbestimmter, positiver beschreiben können. Als Suche des Individuums nach dem Sinn des Lebens, den es frei wählt, etwa. Statt herumgeschickt zu werden, bis ihn irgendjemand alle vier Jahre aufnimmt. „Aber dann wäre es nicht mehr mein Buch gewesen“, sagt Reichart schulterzuckend.

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Nun tingelt die Autorin von Lesung zu Lesung. „Oft auch an Schulen, da ich finde, dass man Kindern das Schaltjahr mit diesem Buch auf kreative Weise beibringen kann.“ Doch nicht nur Schüler, auch Erwachsene spricht Reichart mit ihrem Werk an. So gibt es gleich am Anfang eine sachliche Abhandlung zur Zeitrechnung. 500 Exemplare gingen schon über den Ladentisch. „Ich würde mich freuen, wenn die Leute daran Gefallen finden. Denn ich bin mir sicher, dass viele einfach nicht wissen, was ein Schaltjahr überhaupt ist.“

Zu kaufen gibt es „Großväterchen Zeit und das Schaltjahr“ für 16 Euro. Erschienen ist es im Bauer Verlag Thalhofen, www.verlag-bauer.de, ISBN 978-3-95551-150-0

Die Heimatzeitungen im Landkreis Weilheim-Schongau sind unter „merkur_wm_sog“ auf Instagram vertreten.

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