Erdstall als Besuchermagnet: Digitale Erlebnistour in Reichersdorf geplant
Mit einer digitalen Erlebnistour wollen engagierte Bürger die Geschichte von Reichersdorf erlebbar machen – und dabei auch die Allerheiligenkapelle über dem Erdstall instandsetzen.
Reichersdorf/Weyarn – Der kleine Weiler Reichersdorf auf Irschenberger Flur birgt ein großes Mysterium: Den Erdstall, der unter der Allerheiligenkapelle liegt. 1640 hatten Reichersdorfer beim Brunnengraben die unterirdischen Gänge entdeckt. Da dem Wasser und dem Erdreich seinerzeit heilende Kräfte nachgesagt wurden, ließ der Weyarner Probst Valentin Steyrer 1644 die Allerheiligenkapelle über dem Erdstall errichten. In dieser steht ein besonders kostbarer barocker Altar, der allen Heiligen gewidmet ist. Doch der Barockaltar ist gefährdet, denn vor zwei Jahren hatte ein schweres Unwetter das mit Holzschindeln gedeckte Kapellendach beschädigt. Nun dringt Wasser ein, was auch die Bausubstanz in Mitleidenschaft zieht.
LAG stimmt Beantragung zu
So ist es in der Projektbeschreibung zu lesen, die Josef Hatzl vom Förderverein Kultur und Geschichte in Weyarn, Kathleen Ellmeier von der Dorfgemeinschaft Reichersdorf und Andrea Pölt vom Pfarrverband Weyarn, zu dem Reichersdorf kirchenrechtlich gehört, beim Entscheidungsgremium der LAG Kreisentwicklung Miesbacher Land eingereicht haben. Sie bewerben sich damit um Mittel aus dem Leader-Programm, und die Chancen stehen gut, dass sie die Förderung tatsächlich bekommen. Zumindest hat die LAG der Beantragung jetzt zugestimmt. „Damit haben wir die erste Hürde genommen“, sagt Josef Hatzl. „Wir hoffen ganz stark, dass es klappt.“
Er und seine Mitstreiter, darunter auch die Interessensgemeinschaft Erdstallforschung, wollen im Rahmen des Projekts „Kapelle und Erdstall erleben“ das Kapellendach und die Außenfassade renovieren lassen und anschließend Infotafeln aufstellen, die über einen QR Code zu Audio- und Videodateien führen. Diese Dateien sollen dann Aufschluss geben über die Geschichte des Ortes. „Wir haben dabei insbesondere die Jugend im Blick, die man digital besser erreicht“, sagt Hatzl. Die Infotafel an der Kapelle stellt dabei nur einen Anfang dar. Mindestens drei weitere Tafeln mit QR Codes wollen die Projektentwickler aufstellen, etwa am Marterl Richtung Neukirchen und an der Kirche St. Leonhard. Geplant ist eine digitale Erlebnistour „Geheimnisvolles Reichersdorf“, die etwa einen Kilometer lang ist.
Gesamtkosten von mehr als 271.000 Euro
Renovierung der Erdstall-Kapelle und Entwicklung der digitalen Erlebnistour sind nicht billig. Die Initiatoren kalkulieren laut Projektbeschreibung mit einer Gesamtsumme von 271 159 Euro. Davon sollen 113 932 Euro aus dem Leader-Topf fließen. Fast 26 000 Euro sind bereits an Spenden zugunsten der Renovierung der Kapelle eingegangen. Wie berichtet, hatten Anwohner und Pfarrverbandsmitglieder bereits im vergangenen Jahr eine Spendenaktion ins Leben gerufen. Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege gewährt voraussichtlich 50 000, auch die Untere Denkmalschutzbehörde sowie die Gemeinden Irschenberg und Weyarn beteiligen sich offenbar an der Finanzierung.
Die Leader-Förderung steht und fällt mit dem Innovationsgehalt des Projekts. Eine bloße Renovierung der Erdstall-Kapelle ist nicht förderfähig, weshalb ihre Retter auf die Idee gekommen sind, das Vorhaben größer zu denken: Sie wollen mit der digitalen Erlebnistour einen Besuchermagneten abseits der stark besuchten Ausflugsziele im Süden des Landkreises schaffen. „Unsere Region hat so viel zu bieten“, sagt Hatzl. Den Fokus auf die Gemeinde Irschenberg und die Gegend um den Seehamer See zu richten, trage dazu bei, den Ausflugsverkehr zu entzerren, argumentieren die Initiatoren in der Projektbeschreibung. Die Idee ist, die Kapelle dann täglich zu öffnen, um sie als Besinnungsort für Besucher zugänglich zu machen, zum Beispiel für die Pilger des südostbayerischen Jakobswegs, der durch Reichersdorf führt. Die Entwicklung eines sanften Tourismus sei zudem ein Gewinn für umliegende Gaststätten. Nicht zuletzt stärke das gemeinsame Engagement verschiedener Institutionen und über Gemeindegrenzen hinweg den Zusammenhalt im ländlichen Raum und wirke identitätsstiftend.
bst