Kolumne von Susanne Nickel - „Ich geh dann mal in Rente“: Wir haben neben der Gen Z auch ein Babyboomer-Problem
Hier soll es um die Fragen gehen, die ich auch unter besagtes Posting auf LinkedIn schrieb: Haben wir es mit einer Generation zu tun, die keine Lust hat – oder mit Führungskräften, die es nicht schaffen, sie zu motivieren? Brauchen wir neue Führung – oder eine neue Arbeitseinstellung?
Die kurze Antwort lautet: Wir brauchen all das zusammen! Für ein multiples Problem muss es eine multiple Lösung geben. Die Debatte unter meinem Aufruf, sich Gedanken zu machen, bestätigte meine Haltung.
So schrieb etwa Jürgen Schüppel, der wie ich Unternehmen berät, wie sie Veränderungen hinbekommen und dabei Beschäftigte aller Generationen mitnehmen: „Es wird leider nicht wahrer, wenn dasselbe, empirisch nicht haltbare, immer wieder wiederholt wird.“ Und weiter: „Es gibt keine signifikanten Einstellungsunterschiede“ in den Generationen.
Er verwies auf die Forschung des Soziologieprofessors Martin Schröder, der darlegte, dass sich Nachkriegsdeutsche unterschiedlichen Alters „kaum in ihren Einstellungen unterscheiden, weder in Bezug auf Lebensziele noch in Bezug auf Sorgen oder gesellschaftliches und politisches Engagement.“ Die Ergebnisse einer umfassenden Studie „zeigen, dass von der Literatur postulierte Generationsunterschiede zwischen der sogenannten Generation Y, X, den Babyboomern, den ’68ern sowie der sogenannten Skeptischen Nachkriegsgeneration in Wirklichkeit kaum existieren“.
Wenn bei jungen Leuten die Einstellung nicht stimmt, sieht es alt aus
Dann ist ja alles prima, oder? Gewiss nicht. Ich antwortete: „Auf dieser Ebene kommen wir meiner Meinung nach nicht weiter.“ Ich meinte damit: Was hilft uns die Debatte, ob und wie unterschiedliche Generationen waren oder sind? Wir diskutieren nun mal über das Verhältnis junger Leute zur Arbeit in der Gegenwart. Sie sind es, die den epischen Personalmangel lindern sollen und müssen. Oder vielmehr: sollten und müssten. Doch wenn da die Einstellung nicht stimmt, sieht es alt aus.
Insofern kann ich nur meiner Coaching-Kollegin Sonja Piontek zustimmen, die mein Posting so kommentierte: „Mag altmodisch klingen, aber ich bin immer noch großer Fan von erst liefern und sähen, dann ernten.“ Heißt „altmodisch“ falsch? Gewiss nicht. Sich „Guten Tag“ und „Auf Wiedersehen“ zu sagen, ist auch irgendwie altmodisch, aber vollkommen richtig.
Zu denken gab mir der Einwand des Unternehmensberaters Ulrich A. Bona, der mir widersprach. „Meine Erfahrungen sind völlig anders“, schrieb er. „Die bräsigen Babyboomer gefolgt von der Generation X – ich gehöre volle Pulle dazu - sind meiner Meinung nach das, wenn denn, Problem.“
Er zitierte Aussagen mehrerer Babyboomer. „Ich bin mittlerweile Anfang 50 und muss keinem mehr was beweisen.“ Und: Früher „hatten wir noch Werte und Prinzipien“. Eine/n 55-Jährige/n gab er so wieder: „Ich bereite mich so langsam auf die Rente vor.“ Und: „Jetzt sollen die Jungen mal was machen.“
Ulrich A. Bona kam zu dem Schluss: „So hat jede Generation ihre eigenen Vorstellungen, der Anspruch ist, diese mit Sinn und Verstand zusammenzubringen. Zudem erinnerte er an die altbackenen Sätze, die ältere Führungskräfte jungen Leute um die Ohren hauen, aber nur zu einem ausgiebigen Gähnen führen dürften: „Lehrjahre sind keine Herrenjahre!“ - „Es ist noch kein Meister vom Baum gefallen!“ - „Disziplin, Pünktlichkeit, Demut, das sind Grundvoraussetzungen.“ Der Unternehmensberater erklärte: „Mir wird schlecht!“
Gegen mehr Demut unter jungen Menschen hätte ich überhaupt nichts
Gegen mehr Demut unter jungen Menschen vor dem, was die Nachkriegsgenerationen erreicht haben, hätte ich überhaupt nichts. Ansonsten kann ich ihn verstehen. Die Generation Z hat es nicht verdient, in Watte gepackt zu werden, man muss sie kritisieren. Aber das gilt auch für Vertreter der älteren Generation, die ständig davon erzählen, was sie alles geleistet haben und sich daran ergötzen, dass junge Menschen anders ticken, auch skurril sind.
Ich sehe darin den Auftrag an die Gesellschaft: Wir müssen klären, warum die Leistungsbereitschaft sinkt, warum Unternehmen es nicht schaffen, die Generation Z und (!) die Generation Babyboomer abzuholen, zu motivieren und zu inspirieren. Leistung darf nicht länger verpönt sein – und muss sich auch wieder lohnen.
Das Motto „Fordern und Fördern“ sollte nicht allein für Bürgergeldempfänger gelten. Danach sollten auch Firmen handeln. Oder wie es der Manager Suraj Batija formulierte: „Wer junge Talente gewinnen und halten will, muss mehr bieten als nur ‚friss oder stirb‘. Statt über die ‚Generation Mimimi‘ zu schimpfen, sollten wir uns fragen, wie wir Arbeitsmodelle gestalten, die High Performance und moderne Erwartungen vereinen.“
Recht hat er. Diesen Weg müssen wir gehen. Dann haben junge und alte Arbeitnehmer wieder Spaß am und im Job.