Russland setzt wohl erstmals Interkontinentalrakete gegen Ukraine ein – sie kann Atomsprengköpfe tragen
Erstmals soll Russland eine Interkontinentalrakete im Ukraine-Krieg eingesetzt haben. Die Waffe war eigentlich gar nicht mehr Teil des Waffenprogramms.
Dnipro – Die Eskalation zwischen Russland und der Ukraine scheint in eine neue Phase eingetreten zu sein. Erstmals soll Russland eine Interkontinentalrakete auf die Ukraine gefeuert haben. Das meldete die ukrainische Luftwaffe am Donnerstag. Die Rakete des Typs RS-26 Rubezh sei am Morgen bei Angriffen auf die Stadt Dnipro eingesetzt worden. Der Kreml wollte sich zu den ukrainischen Angaben zum mutmaßlichen Einsatz der Interkontinentalrakete nicht äußern, wie die Deutsche Presse-Agentur berichtet.
Mit dem Einsatz dieser Waffe sind zwei düstere Premieren verbunden: Es ist nicht nur das erste Mal, dass Russland eine Rubezh-Interkontinentalrakete im Ukraine-Krieg einsetzt, sondern auch das erste Mal, dass sie überhaupt in einem Krieg zum Einsatz kommt. Bislang hatte Russland sie lediglich Tests unterzogen. Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe wurde sie aus der Region Astrachan abgefeuert – knapp 1000 Kilometer Luftlinie von Dnipro entfernt. Damit blieb sie jedoch weit unter ihren Möglichkeiten: In einem Test traf sie 2012 ein 5800 Kilometer entferntes Ziel; vermutet wird sogar, dass bis zu 6000 Kilometer drin sind. Ein Signal an den Westen?
Im Ukraine-Krieg: Russland feuert offenbar Interkontinentalrakete ab
Aufgrund ihrer hohen Reichweite ist die russische Interkontinentalrakete RS-26 Rubezh politisch umstritten. Denn sie verstößt gegen den Mittelstrecken-Nuklearstreitkräfte-Vertrag (Intermediate Range Nuclear Forces Treaty, kurz INF-Vertrag) zwischen den USA und den Sowjet-Staaten. Der sah die Vernichtung aller boden- und landgestützten Nuklearraketen mit mittlerer und kürzerer Reichweite (zwischen 500 und 5500 Kilometer) vor.
Zwar wurde der Vertrag sowohl von Russland als auch den USA unter der ersten Trump-Regierung 2019 aufgekündigt. Jedoch fand die Entwicklung der Waffe weit vor 2019 statt und sei daher hochgeheim gewesen, schreibt das Portal Pravda. Demnach startete die Entwicklung 2006. 2018 sei die Rakete bis 2027 aus dem Waffenprogramm ausgeschlossen worden.
Interkontinentalrakete RS-26 Rubezh trägt normalerweise Atomsprengköpfe
Nicht nur die Reichweite der Interkontinentalrakete RS-26 Rubezh ist brisant, sondern auch ihr eigentlicher Zweck: Sie ist dafür konzipiert, Atomsprengköpfe zu tragen. Was für Sprengköpfe bei dem Angriff am Donnerstag auf Dnipro im Einsatz waren, hat die ukrainische Luftwaffe zunächst nicht spezifiziert. Nur soviel: Es sei „offensichtlich“, dass die Rakete keinen nuklearen Sprengkopf gehabt habe, verlautete aus Kreisen der ukrainischen Luftwaffe gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.
Entgegen der Informationen der ukrainischen Luftwaffe scheint noch nicht zweifelsfrei klar zu sein, ob es sich bei der Rakete wirklich um eine Interkontinentalrakete RS-26 Rubezh handelte. Wie das britische Newsportal Skynews unter Berufung auf einen nicht näher genannten „westlichen Offiziellen“ berichtet, soll es sich nicht um eine solche Rakete gehandelt haben. Das widerspricht der ukrainischen Darstellung der Vorgänge. Auch der Kreml bringt kein Licht ins Dunkel: Sprecher Dmitry Peskow sagte lediglich, „aktuell habe ich zu dem Thema nichts zu sagen.“
Bei dem Angriff auf Dnipro wurden der ukrainischen Luftwaffe zufolge Geschäfte und kritische Infrastruktur zerstört. Berichte von Toten oder Verletzten gab es zunächst nicht. Die Lage in Russlands Ukraine-Krieg war zuletzt noch angespannter geworden, nachdem die US-Regierung der Ukraine erlaubt hatte, ATACMS-Raketen auf russisches Gebiet abfeuern zu dürfen. Daraufhin drohte der Kreml mit dem Einsatz von Atomwaffen. (ial)