EU-Schreck in Moldau: Putins Russland nahe am Wunsch-Ergebnis – „Beschädigen und diskreditieren“
Findet die EU in Moldau ein neues Mitglied nahe der Ukraine? Die Wahlergebnisse sorgen für Unruhe. Putins Sprecher greift den Faden direkt auf.
Überraschend schnell hatte es Moldau in den Kreis der EU-Beitrittskandidaten geschafft – ein Hintergrund liegt auf der Hand: Brüssel hätte das kleine Land zwischen Ukraine und Rumänien gerne im Kreis seiner Verbündeten. Dafür hat die EU zuletzt auch einiges an Geld in die Hand genommen; 1,8 Milliarden Euro stellt ein Wachstumsplan in Aussicht. Denn lange befand sich Moldau fest in der Hand prorussischer Oligarchen. Die Wahl Maia Sandus zur Präsidentin im Jahr 2020 brachte die Wende. Doch Russland wehrt sich mit vielen Mitteln. Nun könnte der pro-europäische Kurs massiv wackeln.

Am Sonntag (20. Oktober) stimmten die Moldauerinnen und Moldauer in gleich zwei Richtungsentscheidungen ab: Die nächste Präsidentschaftswahl stand an. Und ein EU-Referendum sollte den Kurs Richtung Brüssel in die Verfassung bringen. Doch Sandus Vorsprung auf ihren ärgsten Verfolger Alexandru Stoianoglo fiel deutlich knapper aus als erwartet. Und das Referendum geriet zur Zitterpartie bis zu den letzten ausgezählten Stimmen. Russland dürfte daran seinen Anteil haben – und die Ergebnisse nun ausschlachten, wie Expertin Brigitta Triebel schon vor dem Wahltag prophezeite.
Putins Russland und die Moldau-Wahl: EU-Idee und Sandu „beschädigen und diskreditieren“
Eine von Russland Strategien sei es gewesen, die Zustimmung zu einem EU-Beitritt „so niedrig wie möglich zu machen“, sagte Triebel, Leiterin des Moldauer Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung, am Mittwoch in einer Runde mit Journalisten. Moskaus Ziel ihr zufolge: Nicht nur die „Idee, dass Moldau ein EU-Mitglied wird“, solle „beschädigt und diskreditiert“ werden, sondern auch Präsidentin Sandu als Hauptverfechterin des Plans.
Die Ergebnisse dürfte dem Kreml nun in die Karten spielen: Lange lag beim EU-Referendum das „Nein“-Lager in Front. Erst die Auszählung der Stimmen der Wählenden aus dem Ausland brachten eine Wende. Auch die Auszählung der Stimmen aus der Hauptstadt Chisinau zog sich länger hin. Am Montagmittag meldete die Wahlkommission laut Al-Jazeera einen Stand von 50,39 Prozent für einen EU-Beitritt – kurz vor Ende der Auszählung.
Dass solche erklärbaren, aber späten Wenden Verschwörungstheorien befeuern können, hatten etwas die US-Wahlen 2020 gezeigt. Wladimir Putins Sprecher Dmitri Peskow griff den Faden noch am Montagvormittag auf: Es gebe eine „technisch schwer zu erklärende Zuwachsrate bei den Stimmen zugunsten Sandus und zugunsten der Referendumsteilnehmer, die ein eine EU-Orientierung befürworten“, behauptete er.
Die europäische Identität des Volkes der Republik Moldau und der Unumkehrbarkeit des europäischen Kurses der Republik Moldau werden bekräftigt. Die Integration in die Europäische Union wird als strategisches Ziel der Republik Moldau erklärt.
In Moldau gedieh schnell entsprechende Sorge. Es bestehe „die Gefahr, dass alle nachfolgenden Entscheidungen über unseren EU-Kurs nun infrage gestellt werden könnten“, sagte eine anonyme Quelle dem Portal Euractiv. Das gelte auch, weil „die russische Propaganda“ die Abstimmung nicht als formale Verfassungsänderung, sondern als Votum für oder gegen EU-Integration dargestellt habe.
Stimmenkauf in Moldau – mit russischem Geld? Sandu vor schwieriger Stichwahl
Schwerer dürften aber andere Vorwürfe an Russlands Adresse wiegen. Moldau sei „mit einem noch nie dagewesenen Angriff auf die Freiheit und Demokratie in unserem Land konfrontiert“, sagte Sandu vor Reportern. Erst Anfang Oktober hatte Moldaus Polizei von der Bestechung von mehr als 100.000 Wahlberechtigten berichtet. Das moldauische Institut WatchDog schätzt, dass Moskau mehr als 90 Millionen Euro für Einmischungen in Moldau ausgegeben hat – allein im Jahr 2024.
Auch Triebel wies auf den mutmaßlichen Stimmenkauf hin. „Den Menschen, die Geld nehmen für ihre Stimmen, geht es wirklich ums Geld“, erläuterte sie: „Weil sie einfach diese 50 Euro brauchen.“ „Wenn man hier ein gutes mittleres Einkommen hat, hat man 600 Euro. Das ist bei dem Anstieg der Preise, auch der Energiekosten, nicht mehr auszuhalten.“ Zugleich hätten gerade prorussische Stimmen einen möglichen EU-Beitritt mit anwachsender Kriegsgefahr gleichgesetzt. Weitere Hebel Moskaus sind die Konflikte in den moldauischen Regionen Transnistrien und Gagausien.
Auch Sandu selbst steht vor einer unklaren Zukunft. Sie lag zwar nach ersten Teilergebnissen der Präsidentschaftswahl mit 38 Prozent in Führung – ein Ausgang, der sich in etwa mit den Umfragen decken würde. Allerdings erhielt der laut Triebel „moderat prorussische“ Sozialist Stoianoglo deutlich mehr Stimmen als erwartet: Er rangierte bei etwa 29 Prozent. Erwartet worden waren eher 10 Prozent.
Auch das Gros der weiteren Bewerber war dem Russland-Lager zuzuordnen – insofern könnte die Stichwahl am 3. November ein heißer Tanz werden. Das Ergebnis verheiße „nichts Gutes für die zweite Runde“, sagte der französische Politikwissenschaftler Florent Parmentier der Agentur AFP. Auch den Ausgang des Referendums betrachtet er mit Sorge. Selbst ein knapper Sieg für das Pro-EU-Lager schwäche „das pro-europäische Image der Bevölkerung und der Führung von Maia Sandu“, warnte er. (fn)