Schwieriger Start für neue Berliner SPD-Doppelspitze

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Martin Hikel (SPD), Neuköllns Bezirksbürgermeister, und Nicola Böcker-Giannini (SPD), Ex-Staatssekretärin, bewerben sich beim Landesparteitag der SPD Berlin um den Landesvorsitz. © Joerg Carstensen/dpa

Personeller Neuanfang bei der Berliner SPD: Zwei neue Vorsitzende sollen die Partei nach vielen Jahren des Niedergangs wieder nach vorn bringen. Ihr Start verlief aber anders, als von ihnen erhofft.

Berlin - Die Berliner SPD hat ihren neuen Vorsitzenden Martin Hikel und Nicola Böcker-Giannini einen schwierigen Start beschert. Bei der Wahl auf einem Parteitag am Samstag votierten nur 65,5 Prozent der Delegierten für Hikel und 67,6 Prozent für Böcker-Giannini. Der Parteitag folgte damit zwar dem - rechtlich nicht bindenden - Votum einer Mitgliederbefragung. Das Ergebnis für die neuen Vorsitzenden, die die Partei nach vielen Jahren stetigen Niedergangs bei Wahlen wieder nach vorn bringen wollen, ist aber eher durchwachsen. Böcker-Giannini sprach von einem „ehrlichen Ergebnis“.

Es zeigt, dass die von einem starken linken Flügel geprägte Hauptstadt-SPD in vielen Punkten zerstritten und gespalten ist. Die neue Doppelspitze steht eher für das pragmatisch-bürgerliche Lager, das auch die aktuelle Koalition nicht infrage stellt, in der die SPD Juniorpartner der CDU ist. Sie haben nun viel Arbeit vor sich, um die Partei neu zu einen und besser für die Zukunft aufzustellen.

Neuköllns Bezirksbürgermeister Hikel und Ex-Sport-Staatssekretärin Böcker-Giannini lösten die bisherige Doppelspitze, Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey und Fraktionschef Raed Saleh, ab. Beide amtierten seit 2020. Die neuen Vorsitzenden wollen dafür arbeiten, dass die SPD bis zur nächsten Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus wieder stärkste Partei wird: „2026 soll das Rote Rathaus auch innen wieder rot werden, dafür kämpfen wir“, sagte Hikel.

Bei der Wiederholungswahl 2023 war die SPD mit ihrem historisch schlechtesten Ergebnis von 18,4 Prozent weit hinter der CDU und nur knapp vor den Grünen gelandet. Anschließend ging die Partei nach rund sechseinhalb Jahren Bündnis mit Grünen und Linken eine Koalition mit der CDU ein. In der 18.000 Mitglieder zählenden SPD rumort es spätestens seitdem.

Hikel und Böcker-Giannini forderten ihre Partei zu mehr Geschlossenheit auf. „Lasst uns in den kommenden Jahren solidarisch sein und zusammenhalten. Schaffen wir das nicht, droht die Berliner SPD für lange Zeit ins Abseits zu geraten“, sagte Böcker-Giannini vor ihrer Wahl. Hikel sagte, daher müsse Schluss sein mit „innerparteilichen Beschimpfungen, Lästereien und einem Übermaß an Selbstgefälligkeit“. Die SPD müsse sich wieder auf das Wesentliche konzentrieren. „Denn es geht bei all dem, was wir hier machen, nicht nur um unsere SPD, es geht um diese Stadt, um unser Land, um die Menschen, für die wir Verantwortung tragen.“

Als Hauptthemen nannten beide etwa bezahlbare Wohnungen, Chancengleichheit in der Bildung und einen „starken Staat“ für mehr Sicherheit. Man müsse sozialdemokratische Politik „stärker vom Alltag der Menschen in Berlin aus denken“, sagte Hikel. Die SPD müsse Ängste und Sorgen der Berliner verstehen und die richtigen Antworten finden. Sie brauche deshalb auch den Mut, bisherige Glaubenssätze auf den Prüfstand zu stellen. „Starke Schultern müssen in Zukunft wieder mehr tragen als schwache, damit unsere Gesellschaft zusammenhält“, so Hikel. „Echte Umverteilung von oben nach unten, das ist sozialdemokratische Politik. Und nur so gewinnen wir verlorenes Vertrauen zurück.“

Das 29-Euro Ticket für den ÖPNV, das am 1. Juli in Berlin eingeführt wird, führe nicht zu dieser sozialen Umverteilung, kritisierte Böcker-Gianinni. Es konterkariere vielmehr den Erfolg des 49-Euro-Deutschland-Tickets und koste rund 300 Millionen Euro im Jahr. „Wir stehen zu seiner Einführung (...), weil wir es als SPD versprochen haben“, sagte sie. „Wir stehen aber auch für eine Überprüfung seiner Wirksamkeit.“ In einem Jahr müsse analysiert werden, ob durch das Ticket wirklich Menschen vom Auto zum ÖPNV wechseln und ob es einen Beitrag zur Klimaneutralität leiste - oder ob es nur „Mitnahmeeffekte“ gebe.

Giffey, die von 2021 bis 2023 knapp eineinhalb Jahre Regierende Bürgermeisterin war, trat nicht noch einmal für die Parteispitze an. Saleh, versuchte es im Team mit der Bezirkspolitikerin Luise Lehmann, scheiterte aber schon in der ersten Runde der Mitgliederbefragung. In der SPD und in der Landespolitik spielt der von der Partei so abgestrafte Politiker aber weiter eine wichtige Rolle: Als Fraktionschef wurde er vor wenigen Tagen relativ klar wiedergewählt, obwohl er mit Ex-Finanzsenator Matthias Kollatz einen Gegenkandidaten hatte. Saleh ist schon seit 2011 Fraktionsvorsitzender.

Die personelle Neuaufstellung der SPD, deren kompletter Landesvorstand neu gewählt wurde, hat Auswirkungen auf die Zusammenarbeit in der Koalition mit der CDU, die bisher vergleichsweise gut funktioniert. Einfacher wird das Regieren nicht. Der Regierende Bürgermeister und CDU-Landeschef Kai Wegner muss mit den neuen SPD-Führungsfiguren klarkommen. Deren Anspruch, die SPD stärker zu profilieren, dürfte mit Blick auf die Wahl zum Abgeordnetenhaus 2026 für viel Reibungsfläche mit der CDU sorgen.

Auf dem Parteitag forderten etliche Delegierte, die SPD dürfe sich in Zukunft nicht mehr so stark mit sich selbst beschäftigen, sondern müsse sich um die Probleme der Stadt und ihrer Menschen kümmern. Selbst Vertreter des linken Flügels warben dafür, Hikel und Böcker-Giannini zu wählen. Es wurde aber auch Kritik laut an den beiden. Einige Delegierte nahmen Hikel eine Äußerung in einem Interview der Zeitung „B.Z.“ übel. „Die Partei braucht einen vernünftigen Aufbau, weil wir inhaltlich ziemlich tot sind“, hatte er dort gesagt. „Das war sicher nicht hilfreich“, sagte ein Parteitagsdelegierter der dpa. dpa

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