Ende des Ukraine-Kriegs: Warum Selenskyj zuerst einen Waffenstillstand will
Erst ein Friedensabkommen oder einen Waffenstillstand im Ukraine-Krieg? Darum geht es heute beim Treffen von Trump und Selenskyj. Warum die Frage zentral ist.
München – Heute treffen sich Donald Trump, Wolodymyr Selenskyj und Vertreter europäischer Staaten in Washington. Sie wollen mit den USA über die Zukunft des Ukraine-Kriegs sprechen. Donald Trump hat sich jüngst der Position Wladimir Putins angeschlossen, sich zuvorderst um ein Friedensabkommen zwischen Russland und der Ukraine zu kümmern und nicht erst um einen Waffenstillstand. Für Wolodymyr Selenskyj und viele europäische Staaten ist das allerdings die Bedingung für Friedensverhandlungen.
Warum will Selenskyj erst einen Waffenstillstand im Ukraine-Krieg?
Ein Friedensabkommen zwischen der Ukraine und Russland ist sehr kompliziert. Die Ausarbeitung könnte Monate oder Jahre dauern. Das liegt daran, dass die Positionen Russlands und der Ukraine in zentralen Punkten unvereinbar sind. Schon zuvor sind Verhandlungen mehrmals gescheitert. Die Ukraine und die sogenannte „Koalition der Willigen“ sagt auch deswegen: Erst braucht es einen Waffenstillstand. Das hätte mehrere Vorteile:
- Das Sterben hätte ein Ende.
- Die Menschen in der Ukraine bekommen nach jahrelangem Krieg eine Atempause.
- Der Frontverlauf würde eingefroren werden und sich nicht weiter zu Gunsten Russlands verschieben.
- Russland kann die Kriegshandlungen nicht als Druckmittel in Verhandlungen einsetzen.
- Russland kann keine weiteren Gebiete erobern und für sich beanspruchen.
Sollten die Kampfhandlungen während möglicher Friedensgespräche weiterlaufen, seien die Risiken für eine Erpressung Kiews groß. Das sagte Serhij Leschtschenko, Berater im ukrainischen Präsidentenbüro, am Freitag (15. August) im ukrainischen Fernsehen. Es müsse zuerst eine Waffenruhe geben.

Warum ist ein Friedensabkommen im Ukraine-Krieg so schwierig?
Die Positionen Russlands und der Ukraine sind grundverschieden. In der Übersicht wird klar, warum eine Einigung schwierig werden könnte.
Position Russlands | Position Ukraine | Völkerrecht |
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Russland beansprucht mehrere ukrainische Gebiete für sich. | Selenskyj lehnt Gebietsabtretungen strikt ab. | Gebietsabtretungen unter Zwang sind Völkerrechtswidrig, da sie die Souveränität eines Staats verletzen. |
Die Ukraine darf nicht der Nato beitreten. | Die Ukraine will der Nato beitreten, um gegen weitere Angriffe geschützt zu sein. | Souveräne Staaten können selbst über Verträge und Abkommen entscheiden. |
Offizieller Status für russische Sprache in der Ukraine. | Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine benutzen immer weniger Ukrainerinnen und Ukrainer Russisch. | - |
Ein weiteres Problem sind Sicherheitsgarantien, sowohl für einen Waffenstillstand als auch für ein Friedensabkommen. Allerdings bräuchte ein Friedensabkommen wohl weitgehendere Sicherheiten. Aktuell ist unklar, inwiefern die USA einen Frieden oder einen Waffenstillstand militärisch absichern würden. Die „Koalition der Willigen“, darunter Deutschland und Großbritannien, haben sich bereits dazu bereiterklärt. Wie viel Unterstützung sie leisten können, ist allerdings nicht bekannt.

Ende des Ukraine-Kriegs: Diese Gebiete will Russland haben
Russland hat nach dem Überfall auf die Ukraine 2022 die Provinzen Cherson, Saporischschja, Donezk und Luhansk völkerrechtswidrig zu russischem Staatsgebiet erklärt. Schon 2014 wurde die Krim annektiert. Inzwischen konnte die Ukraine Teile des Gebiets wieder zurückerobern. In den Friedensverhandlungen will Putin nun, dass diese Gebiete offiziell ganz oder teilweise russisches Staatsgebiet werden:
- Bevor Putin überhaupt in Verhandlungen geht, soll die Ukraine umfangreiche Gebiete im Donbass an Russland abtreten.
- In den Provinzen Cherson und Saporischschja soll der Frontverlauf die künftige Grenze bilden.
- Donezk und Luhansk sollen komplett Teil Russlands werden, einschließlich der nicht besetzten Gebiete.
Ende des Ukraine-Kriegs: Ein Vertrag unter Zwang könnte gegen das Völkerrecht verstoßen
Falls Russland oder die Ukraine ein Friedensabkommen während aktiver Kriegshandlungen schließen, könnten sich daraus völkerrechtliche Probleme ergeben – allerdings nur, wenn ein „Zwang“ zu erkennen ist. Der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Markus Kotzur erklärte im Januar dem Fachportal Beck-aktuell: „In der Wiener Vertragsrechtskonvention gibt es eine Klausel, wonach Verträge, die unter Zwang zustande gekommen sind, von Anfang an nichtig sind. Das ist bei Friedensverträgen eine besonders schwierige Geschichte, weil man schnell das Gefühl hat, dass ein Aggressor der unterlegenen Partei eine Regelung aufnötigt“. Ob diese Klausel im Fall der Ukraine und Russland zutrifft, ist aber noch unklar und muss im Einzelfall geklärt werden.
Ukraine-Gipfel: Heute treffen sich Selenskyj und Trump in Washington
Am Freitag hatten sich Trump und Putin in Alaska getroffen, um über den Krieg in der Ukraine zu verhandeln. Die Ergebnisse waren nach dem Urteil der Weltpresse eher ernüchternd. Danach erklärte Trump öffentlich, er wolle auf einen sofortigen Waffenstillstand verzichten und stattdessen direkt ein Friedensabkommen im Ukraine-Krieg anstreben.
Am heutigen Montag treffen sich Selenskyj, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Nato-Generalsekretär Mark Rutte und Friedrich Merz mit Trump. Laut CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter geht es dabei vor allem um „Schadensbegrenzung“. Im Interview mit dem Bayrischen Rundfunk sagte Kiesewetter: „Es geht jetzt also darum, dass nicht über Europa verhandelt wird und es geht darum, dass der Aggressor nicht belohnt wird. Gegenwärtig wird Putin belohnt.“ (cdz)