Merz-Regierung will Wohnkosten für Bürgergeld-Empfänger kürzen – Sozialrechtsexpertin äußert große Sorge

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CDU-Kanzler Friedrich Merz will das Bürgergeld reformieren – und dafür die Wohnkosten drastisch kürzen. Experten warnen vor einem fatalen Fehlschluss.

München – Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will die Wohnkosten für Bürgergeld-Empfänger kürzen. Die bisher gezahlten Beträge seien zu hoch und stünden „auf dem Prüfstand der Koalition“, erklärte er im ARD-Sommerinterview vom 13. Juli. Konkret kündigte der Kanzler eine Deckelung der Mietkosten und eine Überprüfung der zugestandenen Wohnungsgrößen an. Der Sozialverband VdK warnt hingegen vor einem sozialen Kahlschlag und einer Schuldumkehr.

Eine Montage von Friedrich Merz und einem Bürgergeld-Antrag.
Bundeskanzler Friedrich Merz will Bürgergeld-Empfängern das Wohngeld kürzen – zur Empörung des Sozialverbandes VdK. (Montage) © Zoonar/dts Nachrichtenagentur/Imago

Merz kritisierte, dass in manchen Großstädten Bürgergeld-Empfängern 20 Euro pro Quadratmeter Wohnkostenzuschuss gezahlt würden. „Das sind bei 100 Quadratmetern schon 2000 Euro im Monat. Das kann sich eine normale Arbeitnehmerfamilie nicht leisten“, so der CDU-Politiker. Die dadurch entstehenden Spannungen wolle man abbauen. „Pauschalierung ist möglich, geringere Sätze sind möglich“, ebenso wie eine Überprüfung der vom Staat unterstützten Wohnungsgrößen.

Merz will bei Wohnkosten für Bürgergeld-Empfänger sparen – „sorgt für mehr Elend“

Bereits im Koalitionsvertrag haben sich CDU, CSU und SPD auf umfangreiche Bürgergeld-Reformen geeinigt. Darauf wies der Bundeskanzler auch nochmal im ARD-Sommerinterview hin: „Es soll Grundsicherung heißen und nicht mehr Bürgergeld bleiben – und da ist mehr einzusparen als nur ein oder zwei Milliarden.“

Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, kritisierte: „Die Ankündigung von Bundeskanzler Friedrich Merz, bei den Wohnkosten kräftig sparen zu wollen, entbehrt jeder Grundlage.“ Die Lage sei für viele Mieter katastrophal. Menschen leben demnach in überfüllten Wohnungen, die oft in desolatem Zustand seien. „Wer hier noch kürzen will, sorgt für noch mehr Elend und vor allem für eine steigende Wohnungs- und Obdachlosigkeit“, heißt es in einer Pressemitteilung.

Schlechte Aussichten für Bürgergeld-Empfänger: Mieten steigen kontinuierlich

Laut Bentele seien die Mieten in den vergangenen Jahren massiv gestiegen, und die Immobilienwirtschaft streiche „fette Gewinne“ ein. Tatsächlich erhöhen sich die Mietpreise in Deutschland seit 1990 deutlich – jährlich durchschnittlich um zwei bis drei Prozent, schreibt Vamonda Immobilien. Wie aus einer Erhebung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervorgeht, sind die Mieten zwischen 2022 und 2024 in etlichen deutschen Städten um mindestens zehn Prozent gestiegen.

Ähnlich kritisierte jetzt die Sozialrechtsexpertin Carolin-Jana Klose auf dem Portal gegen-hartz.de, dass Wohnungssuchende heute auf knappe, oft qualitativ „miese Angebote“ zu hohen Preisen treffen. „In dieser Lage droht eine pauschale Deckelung der Unterkunftskosten weniger Einsparungen zu bringen als vielmehr Verdrängungseffekte, längere Wohnungslosigkeit und eine Verschärfung sozialer Konflikte.“ Merz‘ Ansatz kollidiere mit der Realität angespannter Wohnungsmärkte.

„Wenig ausgegoren“: Merz erntet Kritik aus eigenen Reihen

Wie der VdK betonte, übernehmen die Jobcenter und Sozialämter die Wohnkosten für Bürgergeld-Empfänger bisher bis zu einer Obergrenze, die fast immer zu niedrig für die lokalen Wohnungsmärkte angesetzt seien. „Es gibt schlicht keine Wohnungen mehr zu solchen Preisen“, so Bentele. Die Folge sei, dass viele Familien im Bürgergeld einen Teil der Miete aus ihrem Regelsatz bezahlen müssen – und dann wiederum weniger Geld für Lebensmittel oder Strom zur Verfügung haben.

Die VdK-Präsidentin empfiehlt daher eine „große politische Offensive“, um das Wohnen bezahlbar zu machen – „und zwar für alle“. „Dazu gehören mehr Sozialwohnungen, eine gezielte Stärkung der gemeinwohlorientierten Wohnungswirtschaft und echte Beschränkungen bei den Mietsteigerungen, wie eine effektive und unbefristete Mietpreisbremse.“ Indes kündigten deutsche Wohnungsunternehmen höhere Mieten an. 17 Euro pro Quadratmeter „werden dann normal sein“, hieß es.

Auch aus der eigenen Koalition kommt Widerstand. SPD-Vize-Fraktionschefin Dagmar Schmidt bezeichnete die Sparpläne von Merz als „wenig ausgegoren“. „Schon heute sind die Wohnungsgrößen für Bürgergeldempfänger begrenzt. Und Wohnungen für Normalverdiener werden nicht günstiger, indem man Bürgergeldempfängern die Unterstützung streicht.“ Stattdessen müsse das Problem durch Mietpreisbremsen und Investitionen in den Wohnungsbau gelöst werden. (cln)

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