Kempten – „Leicht bleiben ist mein Ziel“, so die Regisseurin Crescentia Dünßer in der Einführung zur ihrer Produktion „Heimat. Mythos. Frau.“, die am 1. Dezember im Theater in Kempten Premiere feierte. Die Anklagen des Abends wiegen jedoch schwer.
Nicht breitbeinig dasitzen, keine zu kurzen Röcke tragen, nicht zu aufreizend sein – diese Anweisungen kennen die meisten Mädchen aus ihrer Kindheit. Die Schauspielerinnen Nadine Viktor, Julia Jaschke, Lisa Wildmann und Lara Waldow sind bereits auf der Bühne, als die Zuschauerinnen und Zuschauer den Saal betreten und ebensolche Erziehungssätze gesprochen von einer mütterlichen Stimme durch den Raum fliegen.
Drei Wochen haben die Akteurinnen Geschichten von Frauen aus dem Allgäu vom 19. Jahrhundert bis heute recherchiert. Dann schrieb Crescentia Dünßer eine Textfassung für die Bühne daraus.
Fesselnde Frauengeschichten auf der Kemptener Bühne
Es ist starker Tobak, der da zur Sprache kommt: Frauen, die weniger wert sind als Vieh, Abtreibung durch Schläge auf den Bauch, Frauen als Modernisierungsbremse in der Milchwirtschaft. „Ja, ja, ja ach ja, ´s ist traurig, aber wahr“ – könnte man sagen (oder singen). Treffend sortiert das gut bekannte Volkslied, eines der musikalischen Arrangements des Abends von Sebastian Strehler, die einzelnen szenischen Blöcke und gibt der Wut und Trauer der Frauen durch den Zynismus des Textes noch mal einen besonders derben Anstrich. Der lokale Bezug und besonders die Geschichten der Frauen, die wir heute nicht mehr befragen können, fesseln und klären auf. Es gibt auch hier und da durchaus etwas zum Schmunzeln.
Das Projekt regt zum Nachdenken an
Niemanden vergessen – das ist gerne ein Anliegen von Autorinnen und Autoren, die sich mit dem Thema Gerechtigkeit auseinandersetzen. (Ehrenwert allemal.) Und so gibt es dann noch die Frau, die eine Frau liebt sowie die Transgender-Frau. Am Ende fühlt man sich etwas überfrachtet und gerade das wirft ganz andere Fragen auf: Warum wurden und werden Frauen ausgebeutet? Können wir die Diskriminierung der Frau – nach jahrzehntelanger feministischer Aufklärung – immer noch ohne Betrachtung des Umfelds denken? Was sind denn die sozial-ökonomischen Bedingungen, die Gleichstellung möglich machen oder verhindern? In solch einem Ansatz wären dann wirklich alle berücksichtigt.
Weitere Vorstellungen gibt es bis zum 16. Dezember. Informationen dazu finden Sie hier.
stk