Habeck bereitet Ende der Gasnetze vor: 90 Prozent werden verschwinden

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Wirtschaftsminister Robert Habeck plant die Stilllegung der Gasnetze. Rund 90 Prozent der Leitungen könnten langfristig verschwinden. Was heißt das für Verbraucher?

Berlin – Das Ziel ist bekannt: Ab 2050, so ist es auf EU-Ebene festgelegt, soll der Kontinent einen Netto-Treibhausgasausstoß von Null haben. Um das zu erreichen, verfolgt die Politik eine Bandbreite verschiedener Ansätze, von denen einer sich speziell mit der Beheizung von Wohngebäuden befasst. Gesetze wie das Gebäudeenergiegesetz sollen dafür sorgen, dass ein großflächiger Umbau der Energieinfrastruktur stattfindet. Auf lange Sicht sollen dafür die Gasnetze verschwinden – das jedenfalls plant Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

Bundeswirtschaftsministerium legt Papier zur Zukunft der Gasnetze vor

Ein entsprechendes Paper hatte das Bundeswirtschaftsministerium jüngst vorgelegt. Der Hintergrund dazu ist die bundesweite Umstellung von klassischen Heizungen auf Wärmepumpen oder Fernwärme. Im Zuge dieses Wandels werden die Erdgasleitungen zwangsläufig ihre Sinnhaftigkeit verlieren. Das kann vor allem darum zu Problemen führen, weil diese Netze aktuell nur durch eine Kostenverteilung (zum Beispiel Wartung) auf viele Millionen Deutsche funktionieren. Schrumpft die Zahl der Nutzer, verteilen sich hohe Netzentgelte auf die Schultern Weniger.

Robert Habeck
Robert Habeck in Berlin (Symbolfoto). Der Minister plant die Stilllegung der Gasnetze. Rund 90 Prozent der Leitungen könnten langfristig verschwinden. Was heißt das für Verbraucher? © Britta Pedersen/dpa

„Entscheidend ist, dass während der Transformationsphase eine kontinuierliche, bezahlbare Energieversorgung der Endverbraucher gewährleistet bleibt, d. h. es darf nicht zu einer unverhältnismäßigen Kostenbelastung durch markant steigende Netzentgelte für Haushalte und Unternehmen kommen“, mahnte das BMWK in diesem Zuge. Angebundene Kunden müssten für den Fall einer Stilllegung der Netze einen „hinreichenden Vorlauf“ haben, um die Energieversorgung umzustellen.

Wasserstoff in Gasleitungen

Eine der Fragen, die sich dabei stellt, ist: Könnten die Erdgasleitungen nicht einfach Wasserstoff transportieren? Immerhin ist das einer der zukunftsträchtigen Energieträger und soll in den kommenden Jahren jede Menge Förderung erhalten. „Gas ist nicht gleich Gas“, sagte allerdings Dr. Heike Grüner, Projektleiterin bei der Netze BW, dazu. Wasserstoff könne man nicht eins zu eins durch Wasserstoff ersetzen. Allerdings sei bereits klar, dass „bis zu 30 Prozent“ Wasserstoff ins Erdgasnetz eingespeist werden könnten.

Im Paper des Wirtschaftsministeriums heißt es dazu, dass Gasverteilernetzbetreiber, die ihr Netz auf Wasserstoff umstellen wollen, bis zum 1. Juli 2028 einen „Fahrplan“ und bis 2045 einen Investitionsplan für die Umstellung des Erdgasverteilernetzes auf ein reines Wasserstoffnetz vorlegen. „Dieser muss im Einklang mit den Klimazielen und den verbleibenden Treibhausgasemissionen stehen und Meilensteine und Zwischenziele für die Jahre 2035 und 2040 enthalten.“ Ein paar Jahre bleiben den Netzbetreibern also noch.

Gasnetzbetreiber könnten Infrastruktur abbauen

Für Verbraucher heißt das grundlegend: Es kann sein, dass der Energieversorger seine Infrastruktur in Zukunft stufenweise abbaut. Ein allzu abruptes Ende der Versorgung sei zwar nicht zu erwarten, aber die EU hatte bereits im Dezember 2023 beschlossen, dass Versorger sowohl die Verträge als auch die Anschlüsse kündigen können, um die gesteckten Klimaziele einzuhalten. Auf EU-Ebene besteht die Einschränkung, dass die Netzbetreiber dafür zuerst einen Netzstilllegungsplan vorlegen müssen.

Dieser muss mehrere Dinge erklären: zum Beispiel, wie die betroffenen Verbraucher behandelt werden und wie die Versorgungssicherheit aussieht. Auf nationaler Ebene ist diese Vorgabe noch nicht umgesetzt. Deutschland muss die Richtlinie noch in nationales Recht übersetzen. Es stehen noch keine Details dazu fest, wie und wann die Stilllegung der Gasnetze vonstattengehen soll, ohne dass es die Deutschen stark benachteiligt.

Laut der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) könnten 80 bis 90 Prozent der Gasinfrastruktur bis 2045 verschwinden. Nur Leitungen für Industriebetriebe würden dann übrig bleiben – sofern diese nicht vollständig auf Erdgas verzichten können. „In der Fläche wird das Geschäft mit den Gasnetzen nicht mehr stattfinden“, sagte Stefan Schönberger von BCG gegenüber dem Handelsblatt.

Gasleitungen auf privaten Grundstücken

Für Normalverbraucher wird es ungefähr dann besonders problematisch, wenn Teile der Gasinfrastruktur entweder in ihrer Straße oder gar unter ihrem Grundstück verlaufen. In einem solchen Fall dürfen die Energieversorger auf das Grundstück eindringen, wenn das der Versorgung der Allgemeinheit mit wichtigen Gütern dient, darunter etwa Strom, Gas und Wasser. Das wird vor allem dann passieren, wenn die Leitungen nicht in Wasserstoffleitungen umfunktioniert werden können. Im Boden bleiben können die Leitungen nicht einfach – dafür sind die benutzten Materialien zu wertvoll.

Die Eigentümer müssen dieses Eindringen akzeptieren, haben aber im Anschluss einen Anspruch auf Wiedergutmachung oder Wiederherstellung des Grundstücks vonseiten des Netzbetreibers. Außerdem müssen die Arbeiten den Grundbesitz so wenig wie möglich beeinträchtigen.

„Unentgeltliche gesetzliche Duldungspflichten ergeben sich nach geltender Rechtslage für an das Niederdrucknetz angeschlossene Kunden in Bezug auf bestimmte Anlagen der örtlichen Versorgung“, schrieb das Wirtschaftsministerium dazu. Abschließend bleiben viele Fragen allerdings noch ungeklärt – wie der Rückbau der Gasnetze konkret aussehen wird, steht noch nicht fest. Auf Anfrage hatte sich die Bundesnetzagentur noch nicht gemeldet.

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