Laura Dahlmeier: Immer in Bewegung

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Rekordzeit: In acht Stunden und 24 Minuten hat Laura Dahlmeier die Ama Dablam bestiegen. © Laura Dahlmeier

Laura Dahlmeier genießt ihr Leben nach der Sportlerkarriere, erlebt Abenteuer auf Abenteuer. Auf die Frage nach einem Comeback als Biathletin hat sie eine klare Antwort.

Die Fitnessuhr meckert. „Zeit, sich zu bewegen.“ Zu lange liegt man schon auf dem Sofa oder hockt auf dem Bürostuhl. Daran erinnert spätestens das Brummen am Handgelenk, das tragbare schlechte Gewissen. Auch Laura Dahlmeier hat eine solche Uhr, eine der High-End-Kategorie. Die kann ebenso meckern – und tut es oft. „Dieses Training war ineffektiv, weil zu anstrengend.“ Sie lacht darüber. „Die neue Uhr kennt mich noch nicht so gut, die ist erst einmal auf Standard programmiert.“

Dahlmeier vermisst das alte Leben nicht

Kein Wort könnte weniger auf die Garmisch-Partenkirchnerin zutreffen. „Standard“ ist ziemlich gar nichts in ihrem Leben. Oder kennt wer wen, die bereits mit 25 Jahren alles in ihrem Sport gewonnen hatte, das es zu gewinnen gab. Daraufhin dem Biathlon als Aktive Adieu sagte, die jetzt ein Abenteuer nach dem anderen erlebt. Von Garmisch-Partenkirchen nach Istanbul radelt, als Teil einer Staffel beim Alpfront-Trail (850 Kilometer und 55 000 Höhenmeter) läuft oder alle drei Kanten der drei Zinnen binnen eines Tages besteigt? Dahlmeier liebt dieses Leben, das sie seit 2019 führt, als sie ihre Biathlon-Karriere mit beeindruckenden 15 Weltmeisterschafts- sowie drei olympischen Medaillen beendete. Und sie vermisst das alte nicht.

Zuletzt produzierten ehemalige Wintersport-Stars wie Marcel Hirscher oder Lindsey Vonn mit ihren Rücktritten von den Rücktritten Schlagzeilen. Einen Titel wie „Sensation: Laura Dahlmeier feiert ihr Biathlon-Comeback“ wird es aber nie geben. „Nein“, sagt sie sofort und lächelt. Die 31-Jährige liebt Bewegung in sämtlichen Formen. Mit Trailrunning-Schuhen, Steigeisen oder Skiern an den Füßen – völlig egal. Das Bedürfnis, ihre Grenzen auszuloten, sie zu verschieben, verspürt sie noch immer. „Aber ich brauche dafür kein Biathlon-Stadion.“ Dem Stress und Druck als Weltcup-Athletin will sie sich nicht mehr aussetzen. Jetzt tut sie schlicht das, wonach ihr ist. „Ich kann einfach Vollgas den Wank hoch, danach ab nach Hause, mir einen Kaffee machen und im TV zuschauen, wie die anderen laufen. Das ist ein großes Geschenk.“

Training à la Jackie Chan und Jean-Claude van Damme

Stattdessen produziert sie andere Schlagzeilen, wie etwa zuletzt: „Laura Dahlmeier erzielt Himalaya-Rekord“. Wobei sie den eher zufällig aufstellte. Im Rahmen einer ZDF-Dokumentation, die kürzlich veröffentlicht wurde, begleitete sie ein Kamerateam über ein dreiviertel Jahr auf verschiedenen Touren. Etwa bei ihrer Expedition auf die Ama Dablam, ein 6814 Meter hoher Berg in der Khumbu-Region. Mit diesem Gipfel hatte sie noch eine Rechnung von 2016 offen. Im Frühling, der klassischen Ruhezeit der Biathleten, waren die Bedingungen damals jedoch nicht optimal gewesen, 300 Meter vor der Spitze trat Dahlmeier den Rückzug an. „Das war mehr Eisklettern.“ Im Oktober wagte sie den nächsten Versuch. Akribisch bereitete sich die ausgebildete Bergführerin darauf vor, übernachtete im Höhenzelt, um sich an die Bedingungen auf über 6000 Meter zu gewöhnen. Ein Teil ihres Trainingsprogramms erinnert an Martial-Arts-Klassiker à la Jackie Chan und Jean-Claude van Damme. Dahlmeier schleppte Wasserkanister in ihrem Rucksack die Berge im Werdenfelser Land hoch. „28 Kilogramm hatte der schwerste.“ Einfach blind in so ein Abenteuer steuert sie nicht, geht solche Expeditionen vielmehr perfektionistisch an.

Laura Dahlmeier packt ihren Rucksack für die Besteigung der Ama Dablam.
Sucht immer die Herausforderung: Ex-Biathlon-Star Laura Dahlmeier, hier bei ihrer Expedition auf die Ama Dablam, einem 6814 Meter hohen Berg im Himalaya.  ©  Philip Flämig

Die Anstrengungen lohnten sich. Sie meisterte das „Matterhorn Nepals“ – aber längst nicht in Bestzeit. Ein Kameramann begleitete sie. Für die schönsten Szenen musste sie manche Passage mehrmals bewältigen. Den Rekord stellte Dahlmeier drei Tage später auf, bei ihrer zweiten Gipfelbesteigung. „Ich hab‘ nur gedacht: Ich probier‘s einfach mal allein.“ Acht Stunden und 24 Minuten später hatte sie den perfekten Ausblick auf das Himalaya-Gebirge samt Mount Everest. Dass sie damit eine neue Damen-Rekordzeit aufgestellt hatte, wusste sie nicht. Erfuhr sie später von ihrer Bekannten Billi Bierling, die seit Jahren in Nepals Hauptstadt Kathmandu lebt und Gipfelbesteigungen dokumentiert. Um sechs Minuten hat Dahlmeier die vorherige Top-Zeit verbessert. Wieder im Basislager angekommen, bekam sie den zweiten Summit-Cake (Gipfel-Kuchen) binnen drei Tagen überreicht. Für das süße Gebäck hatte sie die doppelten Strapazen nicht auf sich genommen. „Der Kuchen war zwar gut, aber so gut auch wieder nicht.“

Die Ama Dablam war nicht der einzige Grund für die Reise nach Südasien. Dahlmeier unterstützt seit Jahren die Initiative Oberland, die mit Patenschaften und Projekten im Exil lebende Tibeter hilft. Sie wollte sich selbst ein Bild davon machen und auch ihr Patenkind treffen. Funktionierte nicht, verhinderte der strenge Schulalltag der tibetischen Mönche. „Sie kommen immer mal wieder nach Deutschland zu Besuch. Ich hoffe, es geht sich dann mal aus.“

Mit Hubschrauber ins Basislager? Nichts für Dahlmeier!

Dafür traf die Garmisch-Partenkirchnerin viele andere besondere Menschen, spielte mit jungen Mönchen Fußball, besuchte die von ihr und Angelika Lechl-Rahim ins Leben gerufene Näherei. „Sie können dort Klamotten schneidern und sie dann verkaufen, um eigenständiger sowie unabhängiger zu sein.“

So beeindruckend ihr Weg auf die Ama Dablam auch gewesen ist, für Dahlmeier wäre er nur halb so wertvoll ohne diese Begegnungen. Sie hätte sich auch mit dem Hubschrauber ins Basislager fliegen lassen, Vollgas nach oben klettern, wieder runterlaufen und servus sagen können. „Aber ist das ein Erlebnis? Für mich nicht! Wen ich dort treffe, was links und rechts passiert – das bleibt hängen und macht die Reise erst vollständig.“

Das nächste große Abenteuer ist noch nicht geplant, ein paar Favoriten hat Dahlmeier aber. Pakistan schwirrt schon lange in ihrem Kopf herum, zudem ist Afrika bisher ein weißer Fleck für sie. Nicht höher, schneller, weiter sind dabei ihre Kriterien. Der Mount Everest mit seinen 8848 Metern etwa steht nicht auf der Wunschliste. Der Massentourismus rund um den höchsten Berg der Welt schreckt sie ab. „Es braucht keine Acht davorzustehen. Mich reizen einfach schöne, beeindruckende Berge.“ Dazu gehören auch die im Werdenfelser Land. Es muss nicht immer Asien, Amerika oder sonst wo sein – jedoch ab und an. „Ich brauche diese Abwechslung zwischen dahoam und wieder weg.“

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