Abschreckung wird „konkreter“: Putin liebäugelt mit Verschärfung der Nuklear-Doktrin

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Der russische Präsident Wladimir Putin sprach auf dem Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg über den Einsatz von Atomwaffen gegen den Westen. © Anton Vaganov/dpa

Den Drohungen sollen Taten folgen: Putin spielt mit dem Gedanken, die russische Atomdoktrin zu ändern. Die Debatte um den Einsatz von Atomwaffen wird „konkreter“.

Moskau – Russland erwägt angesichts des Ukraine-Krieges eine Überarbeitung seiner Atomwaffenstrategie. Der stellvertretende russische Außenminister Sergej Rjabkow sagte dem russischen außenpolitischen Magazin International Affairs, dass der Konflikt in der Ukraine dazu führe, dass Moskau seine bisherige Atomdoktrin möglicherweise ändern müsse. Diese Doktrin sieht den Einsatz von Atomwaffen vor, falls Russlands Souveränität oder territoriale Integrität bedroht wird.

Die russische Atomwaffendoktrin ist ein zentraler Bestandteil der nationalen Sicherheitsstrategie Russlands und definiert die Bedingungen, unter denen Russland bereit ist, Atomwaffen einzusetzen. Die bisher gültige russische Atomdoktrin besagt, dass Moskau nur in zwei Fällen Atomwaffen verwenden darf: Bei einem atomaren Angriff auf Russland oder wenn ein Angriff mit konventionellen Waffen die Existenz des Landes gefährdet. Die vage Definition hat einige Hardliner dazu bewegt, den Kreml zu einer Verschärfung der Doktrin zu drängen, um den Westen zu nötigen, die Warnungen ernster zu nehmen. 

Putin: Änderung der russischen Atomdoktrin als Reaktion auf westliche Bedrohung

Im Zuge des russischen Kriegs gegen die Ukraine kamen aus Moskau immer wieder Drohungen über einen möglichen Einsatz von Atomwaffen bei einer Einmischung des Westens in den Konflikt. Die Deutsche Presseagentur meldete bereits, dass Putin bei einem Besuch in Vietnam im Juni zu möglichen Änderungen der russischen Atomdoktrin äußerte. Er erklärte, dass solche Pläne damit zusammenhängen, dass westliche Staaten angeblich weniger zögerlich seien, Atomwaffen einzusetzen. Er sagte, dass speziell atomare Bomben mit geringer Sprengkraft entwickelt werden.

Wladimir Putin droht mit der Änderung der russischen Nuklear-Doktrin zum Einsatz von Atomwaffen. (Collage mit Archivbild)
Wladimir Putin droht mit der Änderung der russischen Nuklear-Doktrin zum Einsatz von Atomwaffen. (Collage mit Archivbild) © Collage: IMAGO / SNA // dpa/Sergej Ilnizki

Russlands Atomwaffen: Putin erwägt Anpassungen der Atomdoktrin

Putin deutete auf dem Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg an, dass Änderungen an der Atomdoktrin in Betracht gezogen werden könnten. Er beschrieb die Doktrin als ein „lebendes Instrument“, das den globalen Entwicklungen angepasst werden müsse. In einem Interview mit der russischen außenpolitischen Zeitschrift International Affairs sagte Rjabkow, dass Russlands derzeitiger Ansatz im Nuklearbereich „konzeptionelle Ergänzungen und Änderungen“ benötige.

Er deutete an, dass der Kreml „konkretere Ansätze“ in Reaktion auf „eine weitere Eskalation seitens unserer Gegner“ erwäge und bekräftigte damit Moskaus Ansicht, dass der Westen die Spannungen verschärfe, berichtete der Express. Die Diskussion über die russische Atomdoktrin hat jedenfalls dadurch Fahrt aufgenommen. Experten fordern, dass Russland Atomwaffen nur einsetzen sollte, wenn essenzielle nationale Interessen bedroht sind. Diese Änderungen sollen verhindern, dass der Westen einen Konflikt provoziert, der nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.

Drohungen an den Westen: Russland erwägt Einsatz von Atomwaffen

Bereits in der Vergangenheit gab es immer wieder Drohungen von Russland aus über den Einsatz der Atomwaffen. Verschiedene hochrangige russische Politiker haben in den letzten Monaten wiederholt öffentlich mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht.

So zum Beispiel der stellvertretende Vorsitzender des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew. Er äußerte sich in einem Interview, in dem er die westlichen Reaktionen auf Russlands geopolitische Bewegungen kritisierte. Er war über die Äußerungen von Polens Außenminister Radosław Sikorski im Kontext des Ukraine-Kriegs verärgert und hatte gegenüber dem britischen Guardian gesagt, dass die Amerikaner den Russen mitgeteilt hätten, „wenn ihr eine Atombombe zündet, selbst wenn sie niemanden tötet, dann werden wir gegen alle eure Ziele in der Ukraine mit konventionellen Waffen losschlagen, wir werden sie alle zerstören.“

Experten: Gespräche mit den USA nötig zur Eskalationsvermeidung in Putins Atompolitik

Die Möglichkeit, dass Russland Atomwaffen einsetzen könnte, hängt über dem Konflikt in der Ukraine und beeinflusst das Gleichgewicht zwischen den USA, NATO-Verbündeten und der Ukraine. Analysten wie Daryl G. Kimball fordern die Wiederaufnahme eines Dialogs zwischen Russland und den USA über nukleare Risikominderung und Rüstungskontrolle, um Missverständnisse zu vermeiden und eine Eskalation zu verhindern. (jal)

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