Prozess um verbotene NS-Parole - Gericht verurteilt Thüringer AfD-Chef Höcke zu Geldstrafe

Er soll 100 Tagessätze je 130 Euro zahlen, urteilte das Landgericht Halle am Dienstagabend. Der 52-Jährige hatte die Vorwürfe vor Gericht zurückgewiesen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, eine Revision ist innerhalb einer Woche möglich.

Richter: Deckmantel der Meinungsfreiheit von Höcke „stark strapaziert worden“

Der Vorsitzende Richter Jan Stengel erklärte in der Urteilsverkündung, das Gericht sei davon überzeugt, Höcke habe gewusst, dass die SA-Parole verboten ist und sie trotzdem verwendet. „Sie sind ein redegewandter, intelligenter Mann, der weiß, was er sagt“, sagte Stengel. Der Deckmantel der Meinungsfreiheit sei von dem Angeklagten „stark strapaziert worden“. Auch sei das Gericht der Auffassung, die Entscheidung zur Verwendung des Spruchs sei spontan gewesen – „nach dem Motto: Mal gucken, wie weit ich gehen kann.“

Die Staatsanwaltschaft hatte nach der Urteilsverkündung angekündigt, Rechtsmittel zu prüfen. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, gilt Höcke als vorbestraft. Im Bundeszentralregistergesetz ist geregelt, welche Strafen in das polizeiliche Führungszeugnis aufgenommen werden. Bei Geldstrafen von weniger als 90 Tagessätzen ist das laut Paragraf 32 nicht der Fall.

Die Thüringer AfD wird vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft und beobachtet, Höcke ist ihr Landeschef. Direkte Folgen für seine Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl in Thüringen am 1. September gibt es mit dem jetzigen Urteil nicht. 

Höcke wirft Staatsanwalt fehlende Neutralität vor

Im Prozess warf Höcke dem Staatsanwalt zuvor fehlende Neutralität vor. „Sie haben nicht nach entlastenden Momenten gesucht.“ Zudem verwies der Politiker mehrfach darauf, dass er die Meinungsfreiheit in Deutschland als eingeschränkt sieht. Der Richter ermahnte Höcke, er solle sich zur Sache äußern und keine Wahlkampfrede halten.

Höcke hatte bei einer Rede im Mai 2021 im sachsen-anhaltischen Merseburg am Ende gesagt: „Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland“. Beim dritten Teil des Dreiklangs handelt es sich um eine verbotene Losung. Höcke steht wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen vor Gericht. 

Höcke, früherer Geschichtslehrer, hat den Vorwurf der wissentlichen Verwendung der SA-Parole während der Verhandlung stets zurückgewiesen. „Wir haben mit Diktatur nichts, aber auch gar nichts am Hut“, sagte der 52-Jährige am Dienstagnachmittag. Er sei kein Anhänger der „furchtbaren Ideologie“ und bat um Freispruch. Das Urteil wird noch für Dienstagabend erwartet.

Staatsanwaltschaft forderte Bewährungsstrafe - Verteidigung Freispruch

Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Schlussvortrag eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung gefordert. Es sei weder nachvollziehbar noch glaubhaft, dass Höcke nicht gewusst habe, dass es sich bei der Losung „Alles für Deutschland“ um eine verbotene SA-Parole handelt, erklärte Staatsanwalt Benedikt Bernzen am Dienstag vor dem Landgericht in Halle. 

Die Verteidigung hat Freispruch gefordert. Der Spruch sei eigentlich vergessen gewesen, sagte Verteidiger Ralf Hornemann in seinem Schlussvortrag am Dienstag. Nicht Höcke, sondern die Staatsanwaltschaft habe dafür gesorgt, dass ihn nun zahlreiche Menschen kennen. 

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