Was Mario Söder und Markus Barth gemeinsam haben

Mario Barth und Markus Söder sind leicht zu verwechseln. Während der eine den Zustand Berlins kritisiert, macht der andere Comedy in Bayern. Oder war es andersherum?

Nein! Nein! Nein! Ich mache das nicht, ich will das nicht, lass' mich in Ruhe. Bockige Kinder können anstrengend sein, sehr sogar. Da will man eigentlich nur, dass sie sich bei diesen Temperaturen eine Schneehose anziehen, und plötzlich gehen sie ohne Schuhe und Jacke aus dem Haus, toben vor Wut, kreischen herum – und ziehen die Aufmerksamkeit der ganzen Nachbarschaft auf sich. Gesprächsthema Nummer eins in den folgenden Tagen: Diese unfähigen Eltern, die ihre Kinder nicht unter Kontrolle haben.

Warum ich Ihnen das erzähle? Weil mich das Verhalten zweier erwachsener Männer in den vergangenen Tagen an das von bockigen Kleinkindern erinnert. Der eine hat sich entschieden, mit seiner Kleiderwahl Aufsehen zu erregen, der andere krakeelt ungefragt in der Gegend herum – und schon reden alle in Rekordtempo über ein Problem, das keines ist. Ja, die Rede ist von Mario Barth und Markus Söder.

"Ich kann das nicht, ich möchte das nicht"

Der Comedian Barth nahm in der MDR-Sendung "Riverboat" am Freitag in einem T-Shirt mit dem Aufdruck "Ich gender nicht, ich habe einen Schulabschluss" Platz. Seine Kleiderwahl kommentierte er sogleich messerscharf: "In Berlin bist du am Montag Mann, am Dienstag Frau, am Mittwoch Straßenschild." Gesellschaftsanalysen mit der feinen Beobachtungsgabe eines Maulwurfs.

Der Mann, der mehr als 100.000 Menschen im Berliner Olympiastadion bespaßt hat, muss es ja wissen. Bleibt nur zu hoffen, dass er bei seinen Auftritten weder Zuschauerinnen noch Zuschauer für Straßenschilder hält oder diesen Witz in sein Programm aufnimmt. Sein pointenreiches Œuvre ist für humoristische Herleitungen wie diese ja berüchtigt.

Infantile Rhetorik beherrscht Sprachgenie Barth jedenfalls, wenn er über das Gendern sagt: "Ich kann das nicht, ich möchte das nicht." Wer sich da nicht Mario mit der Buddelschippe vorstellt, wie er einem gendernden Spielgefährten Sand ins Gesicht schüttet, der lacht auch über "Straßenschilder"-Pointen. Er jedenfalls gehöre "zu der Minderheit von 85 Prozent, die das nicht mögen", postulierte Barth weiter seine Prinzipientreue in der "Riverboat"-Talkshow. Haha, lustig. Er hat eine Mehrheit als Minderheit bezeichnet, Brüller.

Was bei all dem auf der Strecke bleibt, wie ICEs derzeit reihenweise im Land: Was denkt Mario Barth eigentlich über Windenergie, das Tempolimit, Frauenquoten und Ananas auf Pizza? Alles ähnlich kontroverse und für den schnellen Populismusapplaus geeignete Themen. Der 51-Jährige sollte sich auch dafür flotte T-Shirt-Sprüche drucken lassen: "Ich drehe nicht am Windrad, ich habe einen Führerschein" oder "Tempolimit nur für Frauen mit hohem Taschentuchverbrauch, ich habe Netflix".

Dürfte ähnlich lustig werden und bei der Faktentreue kaum Unterschiede machen. Jemand sollte Mario Barth erklären, dass es niemandem in diesem Land verboten ist, nicht zu gendern. Kann jede und jeder handhaben, wie sie oder er will. Eigentlich ganz fein, diese Freiheit. Oder etwa doch nicht?

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Womit wir bei Ministerpräsident Markus Söder wären. Der kündigte am Dienstag an: "Für Bayern kann ich sagen: Mit uns wird es kein verpflichtendes Gendern geben. Im Gegenteil: Wir werden das Gendern in Schule und Verwaltung sogar untersagen." Puh. Da ist er also, der Verbotsfanatiker, der Verbieter vor dem Herrn. Ein CSU-Mann mit Hang zu Zucht und Ordnung, der bei jeder Gelegenheit den Grünen vorwirft, alles Lebenswerte verbieten zu wollen – also zum Beispiel Schnitzel mit Leberkäse überbacken oder um die Wette rasen auf der Autobahn –, dieser Söder zückt nun das Stoppschild und ruft zum Kulturkampf auf.