Harris nach Biden-Rückzug: Begeisterung in den USA, Skepsis in der EU

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Nach Bidens Rückzug könnte Kamala Harris die Präsidentschaftswahl anführen. Trotz Rekordspenden in den USA bleibt sie in der EU eine unsichtbare Figur.

Brüssel – Mit dem Rückzug von Joe Biden aus dem Wahlkampf rückt seine Vizepräsidentin Kamala Harris ins Rampenlicht als potenzielle Kandidatin der Demokraten. Ob sie sich gegen den republikanischen Konkurrenten Donald Trump durchsetzen kann, wird sich in den kommenden Monaten bis zur US-Wahl im November herausstellen. Die demokratische Wählerschaft in den USA scheint jedenfalls begeistert von der Aussicht auf eine Kandidatur von Harris. Innerhalb von 24 Stunden spendeten 888.000 Menschen rund 81 Millionen US-Dollar für ihren Wahlkampf - ein historischer Rekord.

In der Europäischen Union hingegen stößt Harris auf weniger Enthusiasmus. Es gibt Bedenken in verschiedenen Institutionen, ob Harris die beste Wahl für die Präsidentschaftskandidatur ist, wie die US-Tageszeitung Politico berichtet. Unter Biden war Harris weitgehend „unsichtbar“.

Kamala Harris vor der US-Wahl 2024 nach Bidens-Rücktritt
Kamala Harris gilt als fast sichere Präsidentschaftskandidatin der Demokraten. Nach Bidens Rücktritt hegen manche Zweifel an der Vize-Präsidentin. © Alex Brandon/dpa

„Unsichtbare“ Kandidatin – EZB-Beamte urteilt über Harris-Kandidatur nach Biden-Rücktritt

Isabel Schnabel, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB), bezeichnete Harris als „unsichtbar“ und äußerte Zweifel an ihrer Eignung als Nachfolgerin nach Bidens Rückzug. „Sie hätten von Anfang an einen weiteren Kandidaten neben Kamala Harris aufbauen sollen“, so Schnabel. Vor einer Podiumsdiskussion im Februar äußerte sie laut Politico: „Ich kenne sie nicht einmal, weil sie so unsichtbar war.“

Diese Aussage Schnabels wurde ungewollt öffentlich. Während einer privaten Unterhaltung am Rande der Diskussion wurde ihr Gespräch über ein Mikrofon live übertragen. Die EZB relativierte die Aussage sofort, wie Politico berichtete. Die Zentralbank betonte, dass Schnabel sich nie öffentlich zu politischen Ereignissen äußern würde. Dennoch könnte der Kommentar darauf hindeuten, dass Harris in Europa bisher kaum eine Rolle spielte, obwohl sie in den USA einen regelrechten Hype auslöst.

Keine Gelegenheit für Treffen mit Harris – „hat es uns nicht leicht gemacht“

Einige im EU-Parlament scheinen die Einschätzung der EZB-Direktorin zu teilen. Anonyme Beamte teilten Politico mit, dass die EU sich früher mit Bidens Vize hätte auseinandersetzen müssen. „Andererseits hat sie es einem aber auch nicht gerade leicht gemacht. Es war nicht leicht, Gelegenheiten zu finden, um Harris zu treffen.“

Trotzdem hofft man in Brüssel, dass Harris Biden schlagen wird. „Kamala Harris wäre quasi die Fortsetzung des US-Präsidenten Joe Biden“, sagte Ulf Röller, EU-Korrespondent des ZDF. Als Vizepräsidentin stehe sie für eine transatlantische Zusammenarbeit und stelle auch die Militärhilfen für die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Russland nicht infrage. „Insofern würde man sich sehr freuen, wenn sie US-Präsidentin werden würde“, so Röller.

Offiziell möchte man sich jedoch nicht für eine Seite im Wahlkampf entscheiden, berichtete Röller. „Ich glaube, setzen tut in Brüssel niemand mehr genau auf jemanden, weil man gesehen hat, wie fragil dieser Wahlkampf ist“, so Röller. Zudem sei es „unangemessen“, sich in den US-Wahlkampf einzumischen, sagte der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis gegenüber Politico.

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Erleichterung in der EU nach Harris-Kandidatur – Biden Rücktritt abgefedert

Neben der Kritik gibt es aber auch Erleichterung über die Kandidatur von Harris. „Inoffiziell (…) hört man, dass doch viele in Brüssel wirklich erleichtert sind, dass Biden sich zurückgezogen hat“, berichtete Röller im ZDF. Man sei „froh, dass Harris benannt worden ist“, da man bereits einen langen Machtkampf innerhalb der Demokraten befürchtet habe.

Roderich Kiesewetter (CDU) sieht in Harris eine kompetente Politikerin und eine gute Wahl für die Demokraten. „Ich habe Vizepräsidentin Harris bei jedem ihrer Auftritte auf der Münchner Sicherheitskonferenz erlebt und empfand sie als eine sehr charismatische, intelligente und humorvolle Frau, die sich klar zu ihren transatlantischen Überzeugungen bekennt“, sagte er im Auswärtigen Ausschuss.

Ein anonymer EU-Beamter äußerte gegenüber dem US-Sender CNBC, dass Biden ein „großartiger Mann“ mit einem „beeindruckendes Leben“ sei, aber nicht die Zukunft der USA repräsentiere. „Die USA brauchen einen jüngeren Anführer“, so der Beamte. Und mit Harris könnte das Land genau das bekommen. (nhi)

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