Anti-Krebs-Tipps - Wie Sie Ihr Krebsrisiko ganz einfach senken - das raten drei Experten
1. Krebs vorbeugen durch Bewegung
Martin Halle ist leitender ärztlicher Direktor des Lehrstuhls und der Poliklinik für Präventive und Rehabilitative Sportmedizin an der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität München. Er ist Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Sportmedizin und leitet eine große Ambulanz für Präventive Kardiologie und Sportmedizin am Universitätsklinikum rechts der Isar.
FOCUS online: Wie stark schützt Sport vor Krebs und betrifft das im Prinzip jede Krebsform?
Martin Halle: Die Studien zeigen, dass der Präventiveffekt von Sport etwa 25 Prozent beträgt. Das Krebsrisiko sinkt demnach durchschnittlich um ein Viertel. Regelmäßiges körperliches Training hat besonders viel präventiven Einfluss auf bestimmte Krebsformen – das sind die drei häufigsten,
- also Colonkrebs , was allgemein oft einfach als Darmkrebs bezeichnet wird
- das Mammakarzinom , also Brustkrebs, sowie
- Prostatakrebs , daneben noch ein paar andere.
Warum kann körperliche Aktivität vor Krebs schützen, was passiert dabei in den Zellen?
Halle: Diese Mechanismen versteht man immer mehr. Ein besonders gutes Beispiel ist dabei Darmkrebs: Muskulatur und Knochen verstehen wir heute als Organe, die bei körperlicher Aktivität zahlreiche Botenstoffe aussenden. Darunter gehen Myokine vom Muskel aus und Osteokine vom Knochen.
Die Myokine erreichen über das Blut wiederum viele andere Organsysteme, auch die Darmschleimhaut. Hier unterbinden die speziellen Botenstoffe nachweislich die Bildung von Polypen. Eine wichtige Rolle dabei spielt das Myokin SPARC, die Abkürzung steht für Secreted protein acidic and rich in cysteine.
Wie viel Zeit sollten wir investieren, damit wir mit Sport Krebs vorbeugen können?
Halle: Krebsprävention gelingt dann, wenn die Muskulatur angesprochen wird. Das gelingt mit Ausdauer- und Krafttraining. Um den Knochen anzuregen, brauche ich Kraft- und Stoßtraining – etwa wie beim Joggen durch das Fußaufsetzen.
Als Faustregel gilt: Wenn ich 20 Minuten pro Tag meine Muskulatur und die Knochen aktiviere mit der Kombination aus Kraft- und Ausdauertraining, bin ich in Hinblick auf Prävention auf der sicheren Seite. Es muss aber auch eine gewisse Intensität erreicht werden. Joggen ist also besser als Spazierengehen. Erst das startet die Myokin-Ausschüttung.
- Die Aussagen stammen aus dem Interview „Mit Anti-Tumor-Training reduzieren Sie Ihr Krebs-Risiko in 10 Minunten“ .
2. Krebs vorbeugen durch Ernährung
Nicole Erickson ist Ernährungswissenschaftlerin. Sie leitet die wissenschaftliche Koordination des Interdisziplinären Zentrums für Ernährungsmedizin an der LMU München sowie dem Krebszentrum München – Comprehensive Cancer Center (CCC LMU).
FOCUS online: Wie groß ist der Einfluss der Ernährung auf unser Krebsrisiko?
Nicole Erickson: Ganz ehrlich – das wissen wir nicht, denn es kommt auf den gesamten Lebensstil an. Ist er ideal, sinkt laut WHO das persönliche Krebsrisiko um 30 bis 40 Prozent. Doch zum gesunden Lebensstil gehören ja auch Bewegung, Übergewicht abbauen, Tabak- und Alkoholverzicht.
Es handelt sich also um eine Kombination aus vielen Faktoren, das lässt sich schlecht trennen. Unser Ernährungsstil gehört jedoch auf jeden Fall dazu.
Gibt es beim Krebs-Risiko einen „schlimmsten“ Faktor bei dem, was wir essen und trinken?
Erickson: Ja, das ist unbestritten Alkohol. Bis vor Kurzem ging die Wissenschaft davon aus, dass minimaler Alkoholkonsum kein Risiko birgt. Heute senkt man diesen Wert immer weiter, aktuell gilt täglich ein halbes Glas Wein für Frauen und ein ganzes Glas für Männer als oberer Grenzwert.
Manche denken dann, ich spare mir diese Mengen bis zum Wochenende auf und trinke dann umso mehr. Doch diese Rechnung geht nicht auf, das Krebs-Risiko steigt deutlich. Alkohol ist ein dosisabhängiger Risikofaktor. Es nehmen sogar Empfehlungen zu, am besten ganz darauf zu verzichten oder nur gelegentlich etwas Alkohol zu trinken.
Allgemein gelten jedoch Fleisch und verarbeitetes Fleisch, also Wurst und Schinken, als besonders krebsriskant?
Erickson: Ja, diese Lebensmittel rangieren gleich hinter Alkohol. Die WHO warnt, dass bereits 100 Gramm Wurst oder rotes Fleisch pro Tag das Risiko für Krebs um zwölf Prozent erhöht, allerdings stützt sie sich dabei auf Daten zu Darmkrebs. Es gibt schwache Hinweise darauf, dass hoher Konsum von rotem und verarbeitetem Fleisch etwa auch mit Magen- und Bauchspeicheldrüsenkrebs, also Pankreaskarzinom verbunden sein könnte.
Fest steht, dass es sich auch bei Fleisch und Wurst um einen dosisabhängigen Risikofaktor handelt – weniger ist also besser. Insgesamt empfehlen Ernährungswissenschaftler, nicht mehr als allerhöchstens 500 Gramm unverarbeitetes Fleisch pro Woche zu essen, verteilt auf zwei bis drei Mahlzeiten. Für Wurst liegt die Obergrenze für diesen Zeitraum sogar bei nur 70 Gramm.
Verarbeitetes Fleisch enthält viel Salz und Nitrat. Bei der Verdauung bilden sich daraus krebserregende Nitrosamine. Nitrat findet sich aber auch in Fleisch, etwa, damit es schön rot aussieht – mit den gleichen Risiken.
Insgesamt nicht fettreich essen hilft ebenfalls, das Krebsrisiko zu senken. Welche Rolle spielt Fett bei der Krebsentstehung?
Erickson: Je größer das Übergewicht ist, desto höher das Krebsrisiko. Vor allem Bauchfett, aber auch Fettgürtel um die inneren Organe produzieren Substanzen, die wiederum die Bildung von Hormonen anregen sowie Stoffen, die Krebs auslösen können. Körperfett arbeitet also wie ein metabolisches Organ.
Die Empfehlung, abzunehmen ist deshalb ein wichtiger Baustein der Krebsprävention. Aber: Wenn Krebs bereits vorhanden ist, gilt das nicht mehr, Krebspatienten sollten ihr Gewicht halten.
- Die Aussagen stammen aus dem Interview „Wie Sie essen müssen, um Ihr Tumor-Risiko zu senken“ .
3. Krebs im Alter vorbeugen mit Vitamin D, Omega-3-Fettsäuren und Trainingsprogramm
Heike A. Bischoff-Ferrari i st Professorin für Geriatrie und Altersforschung an der Universität Zürich. Sie ist Direktorin der Klinik für Altersmedizin am Universitätsspital Zürich und Stadtspital Zürich, und koordiniert und leitet die Europäische DO-HEALTH-Studie.
FOCUS online: Sie haben sich drei Faktoren angesehen: Die Gabe von hoch dosiertem Vitamin D, die Einnahme von Omega-3-Fettsäuren und die Wirkung eines einfachen Trainingsprogramms für zuhause. Alles Maßnahmen, die für sich genommen schon lange diskutiert werden und als gesundheitsförderlich gelten…
Heike A. Bischoff-Ferrari: …und genau das ist der Punkt: Wir haben erstmals in den Fokus genommen, was passiert, wenn man die drei Maßnahmen miteinander kombiniert. Vereinfacht lässt sich sagen: Jede einzelne Maßnahme kann das Krebsrisiko ein wenig zurückdrängen. Für sich genommen sind die Effekte klein und nicht signifikant. Was wir nun gesehen haben, sind die so genannten additiven Effekte, welche entstehen können, wenn die einzelnen Maßnahmen unterschiedliche Wirkungsmechanismen haben.
Bei Menschen ohne vorangegangene Krebserkrankungen zeigte bereits die Doppelkombination Vitamin-D plus Omega-3 bei den Krebserkrankungen eine Verminderung von 51 Prozent. Und die Kombination Vitamin-D und das einfache Trainingsprogramm verminderte das Risiko um 53 Prozent. Am effektivsten war die Dreier-Kombination, durch die die Zahl der Krebsneuerkrankungen um 61 Prozent reduziert wurden.
Können Sie erklären, wieso es offensichtlich entscheidend ist, in der Krebsprävention mehrgleisig zu fahren?
Bischoff-Ferrari: Die Krebsentwicklung wird sozusagen über drei Maßnahmen bespielt und jede wirkt anders. Für eine grobe Übersicht:
- Vitamin D unterdrückt die Entstehung von Krebszellen.
- Omega-3-Fettsäuren wirken entzündungshemmend, und zwar in einem für die Krebsentwicklung relevanten Bereich.
- Körperliche Aktivität löst das Absterben von Krebszellen aus.
In sämtlichen derzeit veröffentlichten Studien werden diese Maßnahmen für sich genommen bewertet. Bei unseren über 2000 Studienteilnehmern hatten wir jetzt drei Jahre lang das Gesamtpaket im Blick, und wir hatten den Vergleich zu der Wirkung der einzelnen Maßnahmen.
Welche Dosierungen von Vitamin D und Omega-3 wurden untersucht und über welches Maß an körperlicher Bewegung sprechen wir?
Bischoff-Ferrari: Für Vitamin D haben wir mit einer Gabe von täglich 2000 IE gearbeitet, und zwar in der gängigen Form von Vitamin D 3. Diese Dosis liegt unter der sicheren oberen Einnahmeempfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und internationalen Richtlinien, ist jedoch 2,5-fach höher als die Empfehlung von 800 IE am Tag zur Prävention eines Vitamin D-Mangels bei älteren Erwachsenen.
Bei Omega-3 wurde eine Gabe von täglich 1 Gramm untersucht, was heutigen Empfehlungen in der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen entspricht.
Die DO-HEALTH-Teilnehmer, die bei Studienbeginn übrigens generell gesund und in über 80 Prozent der Fälle physisch aktiv waren, haben drei Mal pro Woche 30 Minuten lang ein einfaches Kraftprogramm durchgeführt. Es beinhaltete Armkraftübungen mit einem Theraband sowie Beinkraftübungen wie wiederholtes Aufstehen aus sitzender Position und Treppensteigen.
Sie haben für Ihre Studie Menschen im Alter von 70 und darüber untersucht. Haben die Ergebnisse auch eine Aussagekraft für jüngere Menschen?
Bischoff-Ferrari: Ich sehe keinen Grund, weshalb unsere Daten nicht genauso für Menschen ab 50 und auch darunter relevant sein sollten. Sicher: Für wissenschaftlich fundierte Aussagen muss weiter geforscht werden.
- Die Aussagen stammen aus dem Interview „3 Maßnahmen senken das Krebs-Risiko bei Älteren deutlich“ .