Nawalnys letzte Botschaft kurz vor Russland-Wahl veröffentlicht
In einem Brief kurz vor seinem Tod forderte Kreml-Kritiker die Russen dazu auf, an der Wahl teilzunehmen. Ihre Stimmen sollten sie allen geben – außer Putin.
Moskau - Kurz vor seinem Tod soll Kreml-Kritiker Alexej Nawalny einen Brief geschrieben haben. Pünktlich zur Russland-Wahl wurde er auf seiner Internetseite von getreuen Unterstützern veröffentlicht. In dem Beitrag bittet Nawalny seine Weggefährten, sich bei der um 12.00 Uhr am Sonntag (17. März), dem Haupttag des auf drei Tage angesetzten Urnengangs, an den Wahllokalen einzufinden, um dadurch ihre Ablehnung des Kremlchefs öffentlich zu zeigen.
Nach einer Idee Nawalnys entwickelten die Kremlgegner zuvor eine Art Zufallsgenerator mit dem Namen „Foton“ für das Mobiltelefon, der unentschlossenen Wählern einen Kandidatennamen vorschlägt. „Sie werden wie viele in Russland beweisen, dass sie Putin nicht für eine fünfte Amtszeit haben wollen“, schreibt Nawalny. Der in einem Straflager verstorbene Putin-Gegner hebt in dem Beitrag hervor, dass die anderen Kandidaten außer Putin gewählt werden sollten, „ und zwar gleichmäßig, ohne jemanden hervorzuheben“.
Nawalnys Ehefrau fordert nicht Anerkennung von Wiederwahl Putins
Auch die Ehefrau des Kreml-Kritikers, Julia Nawalnaja, hat sich zu der Russland-Wahl in einem Gastbeitrag in der US-Zeitung Washington Post geäußert. Die absehbare Wiederwahl von Kremlchef Wladimir Putin solle international nicht anerkannt werden, forderte sie. „Leider sehen ihn zu viele Menschen im Westen immer noch als legitimen politischen Führer, diskutieren über seine Ideologie und suchen nach dem politischen Sinn seines Handelns“, schrieb die Witwe des in Haft gestorbenen Regimekritikers.

Frontalangriff der Nawalny-Witwe vor Russland-Wahl: „Putin ist ein Gangster“
Die Oppositionspolitikerin schlug vor, den Kremlchef anders zu betrachten und daraus politische Schritte abzuleiten: „Putin ist kein Politiker, er ist ein Gangster“, schrieb sie. Damit ließen sich seine Brutalität, sein Hang zum Luxus und der Wille zu töten erklären. Für einen Mafiaboss sei sein Status wichtig, deshalb solle das Ausland Putin nach der Wahl die internationale Anerkennung verweigern. Es gehe einem Gangster und seiner Umgebung auch um Geld. Deshalb sollten die Möglichkeiten zur Bereicherung für seinen engsten Kreis beschnitten werden, um Unzufriedenheit in der russischen Elite zu schüren, forderte sie.
Nawalny-Witwe will politischen Kampf fortsetzen
„Für westliche Länder ist eine umfassende Unterstützung der Ukraine und ihrer Armee im Kampf gegen Putins ungerechtfertigte Aggression zur natürlichen moralischen Entscheidung geworden“, schrieb Nawalnaja. Doch weil eine militärische Niederlage nicht immer zum Sturz eines Gewaltherrschers führe, sei es auch nötig, regierungskritische Strömungen in Russland weiter zu unterstützen. Wie verbreitet diese seien, habe sich bei dem Besuch Tausender Menschen am Grab ihres Mannes in Moskau gezeigt, argumentierte sie. Nawalnaja (47) möchte den politischen Kampf ihres Mannes fortführen. Putin will sich bei der Wahl am Sonntag nach einem Vierteljahrhundert an der Spitze Russlands für eine weitere sechsjährige Amtszeit als Präsident bestätigen lassen. Ernsthafte Gegenkandidaten gibt es nicht.
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Co-Vorsitzender von Memorial in Russland zu Gefängnisstrafe verurteilt
Putin regiert das Land autoritär. In Russland stehen Menschenrechtsverstöße an der Tagesordnung. Ein russisches Gericht verurteilte erst kürzlich Oleg Orlow, einen der führenden Menschenrechtsaktivisten des Landes, zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft wegen „Diskreditierung“ der russischen Streitkräfte in einem offensichtlichen Scheinverfahren, kritisiert die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch auf ihrer Internetseite. „Der 70-jährige Orlov ist Co-Vorsitzender von Memorial, einer der führenden Menschenrechtsgruppen Russlands und einer von insgesamt drei Friedensnobelpreisträgern des Jahres 2022. Die Anklage gegen ihn geht auf einen Artikel zurück, den er 2022 veröffentlicht hatte und in dem er behauptete, dass Russland im Faschismus versinkt“, so HRW.
„Der Fall gegen Oleg Orlov ist eine kafkaeske Farce. Der Kreml sollte nicht in der Lage sein, seine Kritiker in Scheinprozessen zu beseitigen“, schreibt Tanya Lokshina, stellvertretende Direktorin für Europa und Zentralasien bei Human Rights Watch. „Internationale Akteure sollten alles in ihrer Macht Stehende tun, um Orlov freizubekommen und Russland für seine anhaltenden und ungeheuerlichen Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen, bevor es zu spät ist.“