Unfreiwillig zum Betrüger geworden: Penzberger muss sich wegen Geldwäsche in 61 Fällen verantworten

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Wegen des Vorwurfs der Geldwäsche stand ein Penzberger in Weilheim vor Gericht. © Frank Rumpenhorst

Geldwäsche in 61 Fällen: Was einem 61-jährigen Penzberger vor dem Weilheimer Amtsgericht vorgeworfen wurde, wog schwer. Doch hinter der Anklage verbarg sich eine perfide Betrugsmasche – der der Mann selbst zum Opfer gefallen war.

Mehrere Minuten lang liest Staatsanwalt Schier (seinen Vornamen will der Jurist nicht in der Zeitung lesen) die Liste der Geschädigten vor, die der Penzberger betrogen haben soll. In 61 Fällen soll er Tickets für Konzerte oder Fußballspiele online verkauft haben – für 50 bis zu 400 Euro und ohne sie je besessen zu haben. Insgesamt 1548 Euro soll der 61-Jährige mit der Verkaufsmasche verdient, das Geld anschließend auf ein anderes, italienisches Konto überwiesen haben. Während Schiers Vortrag hört der Penzberger – kurze Hose, Hemd mit Löwenaufdruck – ruhig zu, trommelt nur ab und an mit den Fingern auf den Tisch. Als er das Wort erhält, kommt Leben in den Angeklagten. Denn eigentlich sei alles ganz anders gewesen. „Das tut mir für die Leute brutal leid, aber ich habe damit nichts zu tun“, versichert er unter Tränen.

Angeblich bei Gewinnspiel 150 000 Euro gewonnen

Ja, die Geschädigten hätten viel Geld verloren. Das sei aber nichts gegen das, was er habe blechen müssen, erklärt der 61-Jährige aufgebracht – um anschließend vor den erstaunten Blicken des Staatsanwalts und Richterin Isabelle von Heydebrand seinen Rucksack auf dem Gerichtstisch auszuleeren. Als sich ein Berg von Apple-Store Gutscheinkarten darauf häuft, redet er Klartext: Er habe bei einem Gewinnspiel auf Facebook teilgenommen und, so wurde ihm per Brief von einem „Anwalt“ mitgeteilt, 150 000 Euro gewonnen. Um diese empfangen zu können, hätte er ein spezielles Konto eröffnen müssen. Weil das nicht funktioniert habe, schlug der „Anwalt“ vor, 2500 Euro zu überweisen und seinen Personalausweis in Kopie zu schicken, er werde die Kontoformalitäten dann erledigen. „Und das haben Sie getan?“, wollte von Heydebrand von dem Angeklagten wissen. „Ja. Weil ich blöd bin“, gab der Penzberger wütend zu – und fügt hinzu: „Ich denke mir, wenn es vom Zuckerberg (Facebook-Gründer, Anm. d. Red.) kommt, muss es doch passen.“

Dubioser „Anwalt“ forderte Geld

Gepasst hat aber auch im weiteren Verlauf gar nichts. Denn der sogenannte Gewinnspielanwalt forderte immer noch mehr, wie der Angeklagte erklärte. Er überweist immer wieder Geld, bis die Bank sein Konto sperrt. Schließlich habe er die Codes der auf dem Gerichtstisch liegenden Gutscheinkarten, die es in jedem Supermarkt zu kaufen gibt, zuschicken müssen – immer mit dem Versprechen, dann seinen Gewinn zu bekommen. Unterdessen hat der „Anwalt“ aber offenbar die Betrugsmasche mit den Tickets abgewickelt - unter dem Namen des Penzbergers und über das mit seinen Daten eröffnete Konto. Mitbekommen habe er von all dem nichts, habe nicht mal von dem Konto gewusst, sondern immer nur auf seinen Gewinn gewartet – vergeblich. „Ich war so sauer, habe den Zuckerberg auf Facebook beschimpft. Bis sie mir den Account gelöscht haben.“ Viel schlimmer aber: Er habe insgesamt 4000 Euro an den vermeintlichen Anwalt verloren – und im Nachgang auch seine Wohnung, weil er kein Geld mehr für die Miete gehabt habe.

Kein Vorsatz nachzuweisen

„Haben Sie sich nie gewundert?“, fragt Richterin von Heydebrand am Ende der Anhörung den Angeklagten. Schließlich habe er auf Anweisung des „Anwalts“ Geld mit recht dubiosen Verwendungszwecken überwiesen – zum Beispiel „persönlicher Notfall“. Der 61-Jährige schüttelt nur den Kopf, selbst entsetzt über seine Naivität. „Haben Sie keinen Hammer da? Dass ich draufhauen kann auf meinen Kopf?“

Statt des gewünschten Hammers bekam der Penzberger von Richterin von Heydebrand am Ende der Verhandlung einen Freispruch. In seinem Schlussplädoyer erklärte Staatsanwalt Schier, dass dem Angeklagten „kein Vorsatz“ nachzuweisen sei. Es sei nicht von der Hand zu weisen, dass er nie Zugriff auf das Konto gehabt habe, auf dem die Ticketzahlungen eingegangen waren. Und dass er dem vermeintlichen Anwalt wegen der Aussicht auf den Gewinn immer wieder Geld überwiesen habe. „Ich glaube Ihnen das“, so von Heydebrand. Und vielleicht sei es ein kleiner Trost: „Sie sind nicht der einzige, dem das passiert.“

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