Nato-Chef Stoltenberg legt Atomwaffen-Gespräche offen – Kreml-Sprecher sieht „Eskalation“
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg denkt über das Scharfmachen von Atomwaffen als Abschreckung nach. Der Kreml übt trotz eigener Drohkulisse Kritik.
Brüssel – Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg berichtet, dass die Nato-Mitglieder über das Scharfmachen weiterer Atomsprengköpfe der Mitgliedsstaaten debattieren. Angesichts einer zunehmenden Bedrohung aus China und Russland müsse die Nato sich wehren können. Erst kürzlich führte Russland Militärübungen mit Atomsprengköpfen durch. Stoltenberg wertete das laut Telegraph als Provokation.
Laut Stoltenberg beraten die Nato-Mitgliedsstaaten darüber, das eigene Atomwaffenarsenal als Abschreckungsmittel zu nutzen. „Ich werde nicht auf Details eingehen, wie viele Atomsprengköpfe einsatzbereit sein und welche gelagert werden sollten, aber wir müssen uns zu diesen Fragen beraten. Genau das tun wir“, sagte der Generalsekretär dem Telegraph.
Kremlsprecher Peskow kritisiert mögliches Vorhaben der Nato
Ziel der Nato sei laut Stoltenberg sei eine Welt ohne Atomwaffen. „Aber solange es Atomwaffen gibt, werden auch wir ein Atombündnis bleiben. Denn eine Welt, in der Russland, China und Nordkorea über Atomwaffen verfügen und die Nato nicht, ist eine gefährlichere Welt“, betonte Stoltenberg.
„Anders als westliche Politiker spricht der russische Präsident nie aus eigenem Antrieb über Atomwaffen“, sagte der Sprecher des russischen Präsidenten Dmitri Peskow. Denn Putin nehme das Thema ernst, wie Peskow laut russischer Nachrichtenagentur Tass betonte. Allgemein seien Stoltenbergs Aussagen zur „Alarmierung der Atomwaffenarsenale“ ein weiterer Spannungschub. „Das ist nichts anderes als eine Eskalation“, sagte Kremlsprecher. Russland selbst hatte aber erst im Mai nahe der ukrainischen Grenze taktische Atomwaffenübungen abgehalten. Zudem setzte Präsident Putin den Abrüstungsvertrag „Neuer Start“ außer Kraft. Dieser begrenzte eigentlich die Atomwaffenarsenale beider Länder und regelte Inspektionen.

Friedensinstitut sieht immer mehr Atomwaffen reaktiviert
Die Aussage des NATO-Chefs stehe aber im Widerspruch zu der Erklärung, die im Anschluss an die Ukraine-Konferenz am vergangenen Wochenende in der Schweiz abgegeben wurde, fügte Peskow hinzu. Die amtliche Mitteilung des Treffens, sagte er, schließe eine solche Rhetorik als unzulässig aus.
Die Atomwaffen-Diskussion der Nato und Russlands fiel auf den gleichen Tag, an dem das Stockholmer Institut für Friedensforschung seinen Jahresbericht vorlegte. Am Montag, 17. Juni, stellte das Sipri genannte Institut fest, dass die Zahl atomarer Sprengköpfe zuletzt wieder gestiegen ist. Zwar sinke allgemein die Zahl der Kernwaffen. Immer mehr der verbliebenen Sprengköpfe würden aber einsatzfähig gehalten.
Neun Länder verfügen offiziell über Atomwaffen. Spitzenreiter in der Anzahl der Sprengköpfe sind laut Sipri die USA und Russland. In ihren Silos und Lagern sollen sich etwa 90 Prozent alle Kernwaffen befinden. Großbritannien rangiert auf dem dritten Platz, gefolgt von Frankreich, China, Indien, Pakistan, Nordkorea und Israel.