Börse üben mit Staatsgeld - Ökonomen fordern Kinderstartgeld: Warum das eine schlechte Idee ist

Fast die Hälfte des deutschen Vermögens wird immer noch konservativ in Sparbüchern und Tagesgeld angelegt – oder gar nicht. Die Quote des an der Börse investierten Kapitals ist hierzulande mit 27 Prozent gerade einmal halb so hoch wie in den USA und hinkt auch vielen anderen Ländern hinterher. Dabei wären Investments in Aktien und Anleihen wichtig für die private Altersvorsorge. Oft mangelt es Deutschen dabei aber nicht nur am Willen, sondern auch am Wissen über die Möglichkeiten und Risiken des Kapitalmarktes.

Die Wirtschaftsweisen, ein Rat von fünf Ökonomen, die der Bundesregierung zur Seite stehen, schlägt deswegen schon seit längerem die Einführung eines Kinderstartgeldes vor. Jetzt haben die Weisen diese Idee in einem Aufsatz konkretisiert. Demnach sollte jedes Kind ab seinem 6. Geburtstag bis zur Volljährigkeit vom Staat 10 Euro pro Monat bekommen. Dieses Geld muss dann in einen Fonds investiert werden. Die Auswahl an Fonds soll auf solche limitiert sein, die gewisse Ansprüche erfüllen, etwa kaum Gebühren verlangen, ein breites Portfolio abdecken und nicht zu riskante Anlagen enthalten.

Kinderstartgeld würde automatisch mit dem Kindergeld ausgezahlt

Da es derzeit theoretisch rund 30.000 Fonds gibt, die in Frage kämen, müsste das Angebot weiter begrenzt werden, um Eltern nicht völlig zu überfordern. Das Kinderstartgeld würde automatisch mit dem Kindergeld ausgezahlt, müsste also nicht extra beantragt werden. In welchen Fonds das Geld investiert wird, sollen die Eltern entscheiden. Treffen sie keine Entscheidung, soll es einen Standard-Fonds geben, in den das Geld dann fließt. Das Kinderstartgeld soll dabei nicht mit anderen Leistungen wie Bürgergeld oder Bafög verrechnet werden, sondern davon unabhängig sein.

Die Wirtschaftsweisen sehen in dem System zwei Vorteile: Erstens würden sowohl Eltern als auch Kinder, wenn Mama und Papa diese in die Entscheidung einbeziehen, praktisch lernen, wie man Geld an der Börse anlegt. Die Wirtschaftsweisen zitieren Studien, nach denen es Deutschen weniger am theoretischen Finanzwissen mangelt, sondern mehr an der praktischen Umsetzung. Mit einem seichten Zwang dazu soll diese Lücke also geschlossen werden. Zweitens würden Kinder schon früh anfangen, Geld für ihre Altersvorsorge anzusparen. Vor dem 18. Geburtstag dürften die Gewinne aus dem Kinderstartgeld nicht ausgezahlt werden. Danach dürften sich die nun Erwachsenen entscheiden, ob sie das Geld ausgehändigt haben oder gleich in eine andere Form der Altersvorsorge stecken wollen. Das könnte eine Riester-Rente oder das von der FDP vorgeschlagene Altersvorsorge-Depot sein, aber auch jede andere Art der privaten Vorsorge, die es zu diesem Zeitpunkt gibt.

Kinderstartgeld nutzt kaum einem Kind

10 Euro pro Monat ist ein sehr geringer Betrag. Für den Staat hat das den Vorteil, dass es bezahlbar wäre. Die Wirtschaftsweisen rechnen mit jährlichen Ausgaben von rund 1,5 Milliarden Euro für das Kinderstartgeld ab dem Jahr 2037. Für die Kinder selbst sollen die Lerneffekte im Vordergrund stehen. Reich werden sie auf diese Weise bis zu ihrem 18 Geburtstag so nicht. Mit 10 Euro im Monat kämen sie bei einer jährlichen Rendite von 5 Prozent nach 12 Jahren auf ein Vermögen von knapp 2000 Euro, bei einer sehr guten Anlage und 10 Prozent Rendite wären es rund 2800 Euro. Auch als Startkapital für die spätere Altersvorsorge ist es kaum geeignet: Wenn die Kinder während ihres Erwerbslebens bis zur Rente jedes Jahr den gleichen Betrag einzahlen, hätte ein Kind mit Kinderzulage am Ende nur maximal rund 9 Prozent mehr Vermögen als ein Kind, das ohne Kinderzulage auskommen muss.

Die Idee des Kinderstartgeldes hat allerdings einen offensichtlichen Haken: Den größten Effekt hat die Leistung nur, wenn Kinder dabei auch tatsächlich lernen, mit dem Geld umzugehen. Das kann zum einen über die Schule erfolgen, was die Wirtschaftsweisen auch vorschlagen, muss zum Großteil aber von den Eltern geleistet werden.

Finanzwissen bei den Eltern fehlt

Eltern aus Haushalten mit niedrigem Einkommen haben aber meist selbst nicht das Wissen und nicht die Muße, sich dieses anzueignen, um es an ihre Kinder weiterzugeben. Zudem zeigen Erfahrungen mit ähnlichen Konzepten, etwa in Israel, dass Eltern anfangs zwar durchaus aktiv die besten Fonds auswählen, mit der Zeit aber immer mehr Familien einfach den Standard-Fonds nehmen. Die Wirtschaftsweisen schlagen deswegen einen Finanzbildungskurs für Eltern vor, wenn ihr Kind erstmals Kinderstartgeld erhalten sollte. Selbst dann dürfte aber Familien mit niedrigem Einkommen schlicht die Zeit und Energie fehlen, sich durch mehrere Tausend Fonds zu wühlen, um die besten Optionen für ihr Kind zu ermitteln.

So bleibt fraglich, wem das Kinderstartgeld am Ende am ehesten nutzt. Kinder aus einkommensschwachen Familien dürften kaum einen Effekt spüren – weder finanziell noch wissenstechnisch – während Kinder aus reicheren Familien finanziell nicht auf das Kinderstartgeld angewiesen sind und Finanzbildung sowieso schon stärker von ihren Eltern lernen dürfen, weil die Anlagequote in Deutschland mit dem Einkommen steigt.

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