Häusliche Gewalt: „Jede dritte Frau ist betroffen“
Häusliche Gewalt ist täglich Thema beim Frauennotruf Erding. 670 Beratungen wurden dort im vergangenen Jahr verzeichnet.
Bis zum 7. März arbeiten Frauen hierzulande umsonst– das symbolisiert der Equal Pay Day, der an die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen erinnert. 2024 lag die Lücke bei 16 Prozent. Einen Tag später wird am 8. März der Weltfrauentag zelebriert, doch es nicht nur Grund zum Feiern. Denn laut Statistiken des Frauennotrufs Erding ist jede dritte Frau im Landkreis von Gewalt betroffen.
Der Kreislauf ist für Betroffene oft nur schwer zu durchbrechen, auch weil die Gewalt meist im engsten Umfeld passiert. Bei Gewalt gegen Frauen gehe es oft darum, Macht über die Frau zu haben oder zurückzuerlangen. Insbesondere Gewalt nach einer Trennung falle daher oft heftig aus. Momentan gebe es zwei besonders schwierige Fälle im Frauennotruf, erklärt Steffi Irmscher-Grothen, Leiterin der Frauenbereiche beim BRK-Kreisverband Erding.
Unterschiedliche Formen der Gewalt
Die Kontaktaufnahme mit der Polizei stellt für Betroffene oft eine Hürde dar, auch weil in diesen Gesprächen immer wieder die Schuldfrage im Zentrum steht. So kommen Frauen in die Situation, beweisen zu müssen, dass sie nicht für die Gewalt verantwortlich sind, die ihnen angetan wird. Die Kooperation mit der Polizei sei aber wirklich Gold wert, lobt Irmscher-Grothen, genauso wie mit anderen Behörden im Landkreis.
Wir müssen immer wieder verteidigen, warum es hier ein Frauenhaus überhaupt braucht.
Dort herrscht laut Irmscher-Grothen aber noch viel Unwissenheit über das Thema Gewalt an Frauen und deren unterschiedliche Formen: physisch, psychisch, emotional, aber auch wirtschaftlich, wenn Frauen finanziell abhängig von Männern sind. Psychische Gewalt äußert sich im Verfolgen, Auflauern und Anschwärzen der Frauen bei Behörden. Auch Beschimpfungen, Diskriminierung und Misogynie zählen dazu. „Frauenfeindlichkeit ist in unserer Gesellschaft so subtil da, die bekommen wir häufig gar nicht mit.“ Hinzu komme, dass sie häufig nicht als Problem wahrgenommen, sogar belächelt werde und so zu Gewalt führen könne. „Wir müssen immer wieder verteidigen, warum es hier ein Frauenhaus überhaupt braucht“, berichtet Irmscher-Grothen. Ein Problem sei auch, dass Gewalttaten nicht immer als solche benannt werden. Das verwässert die Tatsachen.
In über 90 Prozent der Fälle erleben Frauen die Gewalt im privaten Umfeld. Nicht selten sind die Täter ihre Ehemänner oder Ex-Partner, die mit ihnen zusammenleben. Schaffen es die Frauen zu gehen, häufig zusammen mit den Kindern, und kommen ins Frauenhaus, ist es für sie danach schwer, wieder Anschluss zu finden.
670 Beratungen im letzten Jahr
„Viele Vermieter scheuen sich, den Frauen, die aus dem Frauenhaus kommen, eine Wohnung zu vermieten. Sie haben Angst, dass die Gewalt durch den (Ex-)Partner in der neuen Wohnsituation wieder auftaucht. Das größere Problem ist aber, dass den Frauen von Vornherein eine Teilschuld an der Gewalt ihnen gegenüber gegeben wird“, erklärt Irmscher-Grothen.
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Zudem müssen die Frauen ihre Plätze im Frauenhaus aus eigener Tasche bezahlen. „Die Frage, die ich mir immer wieder stelle: Warum müssen Frauen, die Gewalt erlebt haben, ihr Zuhause verlassen und nicht die Männer, die sie begangen haben?“, so Irmscher-Grothen.
Das Frauenhaus im Landkreis hat fünf Plätze, der Standort ist bewusst anonym. 2024 haben 670 Beratungen beim Frauennotruf stattgefunden. Für die Zukunft wünscht sich Irmscher-Grothen, dass Gesetze zum Schutz von Frauen schneller umgesetzt werden. Und dass Frauen den Mut haben, solidarischer miteinander umzugehen.
So können Außenstehende Hilfe leisten
Wo Gewalt beginnt, ist oft unterschiedlich. Je nach individuellen Faktoren, wie beispielsweise körperlicher Konstitution, kann man sich ihr nur schwer entziehen. Bei körperlichen Übergriffen werden Wunden und Narben schnell sichtbar. Oft werden die Grenzen aber nicht körperlich, sondern auch seelisch verletzt, das macht psychische Gewalt für Außenstehende weniger greifbar. Sollte man im eigenen Umfeld mitbekommen, dass jemand von Gewalt betroffen ist, kann man den Betroffenen eine Hilfestellung geben. Wichtig ist es laut Steffi Irmscher-Grothen, Zivilcourage zu zeigen, indem man Betroffene vorsichtig auf die eigenen Beobachtungen anspricht und signalisiert: „Ich sehe dich.“ Häusliche Gewalt sei keine Privatsache, gerade dann nicht, wenn auch Kinder involviert sind und zu Schaden kommen können. Wenn man sich unsicher ist, ob es sich um eine Gewaltsituation handelt, kann man sich jederzeit an den Frauennotruf wenden. Dort wird in einem Gespräch die Situation gemeinsam beleuchtet und eingestuft.