Spezialistin für Narzissmus - Einfluss der Gene oft unterschätzt: Was einen Narzissten wirklich formt
Ist wirklich hauptsächlich die Erziehung schuld, wenn ein Mensch zum Narzissten wird - oder spielen auch die Gene eine entscheidende Rolle? Narzissmus-Spezialistin Chris Oeuvray erklärt, was man heute weiß - und warum Eltern weniger falsch oder richtig machen können, als vielleicht angenommen.
Was unterscheidet einen Menschen mit gesundem Selbstbewusstsein von einem Narzissten?
Ein Mensch mit gesundem Selbstbewusstsein kennt seinen Wert, ohne ständig Anerkennung von außen zu suchen. Er oder sie kann Erfolge genießen, ohne sich über andere zu stellen, und geht offen mit Kritik um, lernt daraus und zeigt echte Empathie gegenüber anderen.
Ein Narzisst hingegen ist stark auf Bestätigung angewiesen, stellt seine eigenen Bedürfnisse über die der anderen und hat Schwierigkeiten, Kritik zu akzeptieren. Während ein gesundes Selbstbewusstsein auf innerer Stärke beruht, basiert Narzissmus auf einer ständigen Suche nach Anerkennung, um Unsicherheiten zu verdecken. Der Narzisst braucht Bewunderung wie Luft zum Atmen – und das auf Kosten seiner Mitmenschen.
Über Chris Oeuvray

Chris Oeuvray hat als langjährige psychologische Beraterin tiefen Einblick und umfangreiche Fachkenntnis zu Herausforderungen und Konflikten. Ihre Schwerpunkte sind Narzissmus und Mobbing. Hier sehen Sie Videos von Oeuvray zu diesen Themen. Ihr Ratgeber "Narzissmus – ohne mich" hilft Betroffenen von narzisstischem Missbrauch mit einem 28-Tage-Plan. In ihrem Thriller "Tödlich verliebt" und dem Roman "Teufelsweib" verbindet sie Literatur mit Lebenshilfe. Sie ist 1967 geboren und lebt mit Partner und Sohn in Zug (Schweiz).
Inwiefern spielt Vererbung eine Rolle bei der Entwicklung einer narzisstischen Persönlichkeit?
Vererbung kann durchaus eine nicht unerhebliche Rolle bei der Entwicklung einer narzisstischen Persönlichkeit spielen. Studien zeigen, dass genetische Faktoren eine gewisse Veranlagung zu narzisstischen Tendenzen begünstigen können, wie beispielsweise ein stärkeres Bedürfnis nach Anerkennung oder geringere Empathie.
„Der genetische Anteil an der Entstehung von Persönlichkeitsstörungen wird gemeinhin unterschätzt. Bei der narzisstischen Persönlichkeit kann man davon ausgehen, dass sie etwa zu 50 Prozent erblich bedingt ist“, sagt Claas-Hinrich Lammers, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Asklepios Klinik Nord in Ochsenzoll, gegenüber quarks.de. Damit sei der Narzissmus eine der am stärksten genetisch bedingten Persönlichkeitsstörungen.
Dennoch bin ich überzeugt, dass Gene allein keinen Narzissten formen. Ein weiteres Teil des Puzzles sind die Einflüsse der Umgebung – etwa die Erziehung, frühe Erfahrungen und soziale Interaktionen. Wenn ein Kind übermäßig verwöhnt oder stark vernachlässigt wird, kann das narzisstische Züge verstärken. Die Wissenschaft ist sich hier noch uneins, wie stark der genetische Anteil wirklich ist, aber klar ist: Die Kombination aus Natur und Umwelt schafft letztlich die Basis für eine narzisstische Persönlichkeit.
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Wie beeinflussen Erziehung und elterliche Prägung die Entwicklung von Narzissmus?
Erziehung und elterliche Prägung werden als Schlüssel zur Persönlichkeitsentwicklung betrachtet, aber bei Narzissmus ist das Bild nicht so klar. Egal, ob Eltern liebevoll oder streng sind – die einen Kinder entwickeln narzisstische Züge, während andere es nicht tun. Eltern können in diesem Fall wenig „falsch“ oder „richtig“ machen. Ihre Macht ist nicht so groß, wie angenommen.
Jeder Mensch trägt seine eigenen Erfahrungen wie einen Rucksack durchs Leben. Manche Kinder entscheiden sich als Erwachsene, aus den Herausforderungen ihrer Kindheit zu wachsen und stark zu werden, während andere in diesen Erfahrungen verkümmern. Letztlich trifft jeder selbst die Entscheidung, wie er mit seiner Vergangenheit umgeht. Eltern legen nur die Grundsteine – aber wie das Haus aussieht, entscheidet das Kind selbst.
"Narzissmus - ohne mich!: In 28 Tagen frei sein" von Chris Oeuvray
Wie erzieht man narzisstische Kinder?
Ein Kind mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung wird keine Empathie entwickeln, da dies Teil seiner Persönlichkeit ist. Es ist wichtig, diese Tatsache zu akzeptieren und respektvoll damit umzugehen. Trotzdem können Sie Ihrem Kind dabei helfen, soziale Fähigkeiten zu erlernen und ein respektvolles Miteinander zu pflegen. Auf diese Weise bereiten Sie ihm einen besseren Weg in die Sozialisierung.
Setzen Sie klare Grenzen und machen Sie deutlich, dass egoistisches oder manipulierendes Verhalten nicht akzeptabel ist. Konsequenz gibt dem Kind die notwendige Orientierung. Loben Sie das Kind für echte Leistungen, ohne zu übertreiben. Ein realistisches Selbstbild hilft ihm, seine Fähigkeiten zu erkennen und Fehler als Teil des Lernprozesses zu akzeptieren.
Lehren Sie es, konstruktive Kritik als Chance für persönliches Wachstum zu sehen, anstatt defensiv oder empfindlich zu reagieren. Fördern Sie Teamarbeit und Zusammenarbeit. Das Kind sollte verstehen, dass Zusammenarbeit ebenso wertvoll ist wie persönliche Erfolge.
Da Kinder viel durch Nachahmung lernen, ist es wichtig, selbst ein Vorbild zu sein. Zeigen Sie empathisches und respektvolles Verhalten im Umgang mit anderen. Mit Geduld, konsequenter Erziehung und der Förderung von Teamgeist können Sie narzisstische Tendenzen mildern und Ihrem Kind helfen, sich zu einem verantwortungsbewussten Erwachsenen zu entwickeln. Das ist grundsätzlich das Beste, was Sie Ihrem Kind auf den Weg ins Leben mitgeben können.
Content stammt von einem Experten des FOCUS online EXPERTS Circles. Unsere Experts verfügen über hohes Fachwissen in ihrem Bereich. Sie sind nicht Teil der Redaktion. Mehr erfahren.