„Noch ganz dicht?“ – Spektakuläre Protestaktion gegen mögliches Gasleck in Baden-Württemberg

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Ein Unternehmen soll extrem klimaschädliches Gas in großer Menge ausstoßen. Gibt es ein Leck in einem Tank? Klimaschützer gehen auf die Barrikaden.

Bad Wimpfen – Es sind schwere Vorwürfe gegen den Chemiekonzern Solvay in Baden-Württemberg. Der Klimaverein „Umweltinstitut München“ wirft dem Unternehmen vor, dass aus einer Fabrik in Bad Wimpfen extrem klimaschädliches Schwefelhexafluorid (SF₆) austritt. In einem offenen Brief an die Baden-Württembergische Umweltministerin Thekla Walker bekundete der Verein eine große Besorgnis „über hohe Emissionen des Treibhausgases“ im Gebiet um Bad Wimpfen. Mit großer Sicherheit würde das Gas aus der Solvay-Fabrik stammen. „Das sieht neben den Wissenschaftler:innen auch das hessische Umweltministerium als gesichert an“, heißt es in dem Brief.

Mehrere Tanks des Unternehmens Solvey werden vom Umweltinstitut München angestrahlt.
Schwere Vorwürfe gegen einen Chemiekonzern: Protestaktion prangert Gasleck an. © Jörg Farys/Umweltinstitut München

Einer Untersuchung der Goethe-Universität in Frankfurt zufolge wurden tatsächlich immer wieder erhöhte Werte von Schwefelhexafluorid an einer europäischen Messstation im Taunus gemessen. „Das hat uns stutzig gemacht – besonders, weil die höchsten Werte bei südlicher Anströmung auftreten“, erklärte Andreas Engel vom Institut für Atmosphäre und Umwelt, in einer Mitteilung. Wie der SWR berichtete, weise dies und eine Aussage des baden-württembergischen Umweltministeriums darauf hin, dass die Solvay-Fabrik womöglich der Verursacher ist.

„Noch ganz dicht?“ Protestaktion in Bad Wimpfen richtet sich gegen Chemiekonzern

Das Unternehmen Solvay hatte sich bislang nicht direkt zu den Vorwürfen geäußert. Auf Anfrage des SWR habe es lediglich geheißen, dass „die Methodik der Studie nicht ausreicht, um zu beweisen, dass die Emissionen von einer einzelnen Anlage stammen“. Laut eigener Angabe beträgt der Ausstoß des schädlichen Gases rund 56 Kilogramm im Jahr. Allerdings gehen Forsches der Goethe-Universität in der Region von etwa 30 Tonnen pro Jahr aus.

Laut dem baden-württembergischen Umweltministerium stellt das Unternehmen Schwefelhexafluorid her und recycelt dieses, berichtete der SWR. Das Umweltinstitut München wirft Solvay deshalb vor, ein Leck in einem seiner Tanks zu verschweigen. Darum hat der Verein in der Nachtr auf den 8. Dezember die Tanks des Unternehmens in einer Protestaktion bestrahlen lassen. Auf den Bauten war der Slogan „Solvay, noch ganz dicht?“ zu lesen.

 „Weder die Firma Solvay noch die Landesregierung in Baden-Württemberg sind bisher bereit, Konsequenzen zu ziehen und die Produktion so lange zu stoppen, bis die Ursache der Leckage aufgeklärt ist“, sagte Fabian Holzheid, politischer Geschäftsführer des Umweltinstituts München in einer Pressemitteilung. Darum habe man sich entschieden, ein Zeichen zu setzen. „Wenn das Unternehmen nicht handelt, muss die Landesregierung einschreiten.“

Unternehmen in Bad Wimpfen soll klimaschädliches Gas freisetzen – so schädlich ist Schwefelhexafluorid

Laut den Forschern der Goethe-Universität handelt es sich bei Schwefelhexafluorid um „das stärkste bekannte Treibhausgas“. Ein Kilogramm des Stoffes würde die Klimaerwärmung so stark vorantreiben wie 24 Tonnen Kohlenstoffdioxid. Damit ist das Gas 24.000 Mal schädlicher als CO₂. Auch das Umweltinstitut München kreidet deshalb in Richtung Solvay an: „Da die Leckage vermutlich seit etlichen Jahren besteht, summieren sich die Emissionen aus Bad Wimpfen über die Jahre auf Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente.“

Von der Landesregierung Baden-Württemberg fordern die Klimaschützer deshalb eine unabhängige Messung der tatsächlichen Emissionen bei Solvay, die Einrichtung einer „transparenten Berichtspflicht & Offenlegung aller SF₆-Emissionen“, sowie eine zeitweiliges Produktions- und Emissionsverbot für das Unternehmen, solange die Klärung im Gange ist. „Zeigen Sie, dass Baden-Württemberg beim Klimaschutz nicht nur auf dem Papier, sondern in der Praxis vorangeht.“ (Quellen: Umweltinstitut München, SWR, Goethe-Universität Frankfurt) (nhi)