Per Mertesacker hatte schon vor Anpfiff so ein Gefühl. „Nicht so viel Lust“ hätte der Ex-Profi und heutige ZDF-Experte, an jenem bitterkalten Mittwoch bei Union Berlin antreten zu müssen, im unberechenbaren DFB-Pokal obendrein.
Nicht überliefert ist, ob auch die Spieler des FC Bayern wenig Lust auf den Fußballabend hatten, am Ende jubelten sie jedenfalls. Und der aufmerksame Mertesacker registrierte eine „große Erleichterung“.
Beim FC Bayern ist von den beschwingten Sommer- und Herbstwochen wenig übrig
Mit 3:2 (3:1) gewann der Rekordpokalsieger in der Hauptstadt, es war ein typischer Cup-Fight. Zwei Eigentore von Union (Ilyas Ansah/12. Minute und Diogo Leite/45.+4) halfen, dazu traf Harry Kane (24.). Kurioserweise fielen alle fünf Tore der Partie nach Standards, zwei Ecken und ein Freistoß bei den Bayern, zwei Elfmeter bei den Berlinern. Leopold Querfeld verlud Manuel Neuer gleich doppelt (40./55.).
So zog der FC Bayern ins Viertelfinale ein und baute seine imposante Saison-Serie aus: eine einzige Niederlage (bei Arsenal in der Champions League), dazu ein Remis (just bei Union, vor einem Monat in der Bundesliga), ansonsten ausnahmslos Siege.
Allerdings ist von den beschwingten Sommer- und Herbstwochen gerade wenig übrig. Vielmehr schleppt sich das Team von Vincent Kompany in Richtung Winterpause.
Nach der frühen 2:0-Führung, sinnierte Mertesacker, „dachten wir: game over. Aber es hat sich in eine andere Richtung entwickelt.“ Eine Analyse lieferte er gleich mit: „Viel zu viele einfache Fehler im Spielaufbau. Und wenn man Fehler macht, muss man dauerhaft hinterherlaufen.“ Die Bayern-Gegner würden jetzt erkennen, „dass man sie immer wieder fordern kann“.
„Es war ein einziger Kampf, ein einziges Ackern“, sagt Kimmich – das wird inzwischen zum Trend
Kompany zeigte sich im ZDF „zufrieden mit der ersten Halbzeit, aber die zweite war ein Kampf“. Joshua Kimmich, bester Bayer in Berlin, sah’s genauso: „In der zweiten Halbzeit haben wir es gar nicht mehr geschafft, spielerische Elemente reinzubekommen. Es war ein einziger Kampf, ein einziges Ackern.“
Aktuell transformiert sich der Kampf zum Trend. Tatsächlich begann mit dem Champions-League-Glanz bei Paris Saint-Germain (2:1) vor Monatsfrist eine deutlich mühseligere Münchner Phase.
In der Liga retteten sie bei Union spät einen Punkt (2:2), der deutliche Sieg über Freiburg (6:2) kaschierte Schwächen, in London (1:3) unterlag Bayern verdient und war besonders physisch unterlegen. Selbst gegen St. Pauli dauerte es am vergangenen Wochenende bis tief in die Nachspielzeit, ehe der Sieg eingefahren war (3:1). Union setzte diese Reihe am Mittwoch fort.
Mertesacker nannte die Bayern „im Moment relativ phlegmatisch“, er sagte: „Sie mussten in den letzten Spielen immer über die komplette Distanz gehen und alles geben, weil sie nicht diese Dominanz wie zu Saisonbeginn haben.“
Bayern fehlt aktuell Power und Präzision – ganz natürliche Folge der Dauerbelastung?
In Berlin agierte ein Unterschiedspieler wie Michael Olise ohne Esprit, der emsige Luis Diaz blieb ohne offensive Impulse, auch Youngster Lennart Karl gelang nicht viel; kollektiv fehlte oft Power und Präzision.
Natürliche Folge der Dauerbelastung? Das Sommerprogramm erwischt den FC Bayern nachwirkend wie ein Bumerang: hohe Frequenz aufgrund der Klub-WM, kurze Vorbereitung, kleiner Kader, dazu intensiver Kompany-Fußball. Nur logisch, dass Sportlerkörper irgendwann an Grenzen stoßen. Mia san müde.
Aber eben: Mia san erfolgreich. Die Bayern lechzen ja nach ihrem ersten Pokal-Triumph seit 2020, für ihre Verhältnisse ist das eine Ewigkeit her. „Ich weiß nicht, wann wir im Pokal zuletzt über den Winter hinausgekommen sind“, sagte Kimmich in Berlin (2022/23 war's übrigens).
Fünf Pflichtspiele sind es noch 2025, drei in der Liga, zwei in der Champions League. Weihnachten kann für den FC Bayern nicht früh genug kommen.