Berliner Rentner leben in Haus und zahlen die nächsten 6 Jahre keinen Strom

Seit April lebt das Berliner Ehepaar Hans-Joachim D. und Ursula S. in einem besonderen Haus in Berlin-Mahlow: einem Null-Energiekosten-Haus. Für die ersten sechs Jahre verspricht ihr Energieanbieter Octopus Energy, dass keine Abschläge oder Nachzahlungen anfallen – ein Konzept, das bisher in Deutschland einzigartig ist. 

Würde das 132 Quadratmeter große Einfamilienhaus wie üblich betrieben, lägen die Stromkosten bei einem Verbrauch von 4000 kWh Haushaltsstrom und 2500 kWh für die Wärmepumpe bei rund 9750 Euro über fünf Jahre. Beim Null-Energiekosten-Haus beträgt die Rechnung dagegen exakt null Euro.

Das Besondere: Anders als die meisten Wohngebäude ist das Haus größtenteils energieautark. Dick isolierte Wände, eine Photovoltaikanlage, ein Batteriespeicher und eine Wärmepumpe sorgen dafür, dass im Sommer häufig mehr Strom produziert wird, als die Bewohner verbrauchen. Überschüsse werden ins Netz eingespeist und verkauft, sodass die Strom-Zukäufe im Winter ausgeglichen werden.

„Wir wollen im Ruhestand Geld sparen“

Für Hans-Joachim und Ursula fühlt sich der Alltag wie gewohnt an. Alles sieht aus wie in einem normalen Miethaus. Erst die Wärmepumpe und Solaranlahge außen am Haus, der Smart Meter und der Batteriespeicher in einer versteckten Kammer verraten, wie viel Technik tatsächlich dahintersteckt.

„Wir sind beide keine großen Energieverbraucher“, erklärt Ursula. Trotzdem wollte das Rentnerpaar einen Beitrag zur Energiewende leisten und entschied sich für den Umzug in das Null-Energiekosten-Haus. Ihr Mann Hans-Joachim hat die Einzugs- und Mietkosten genau durchgerechnet und festgestellt: Es amortisiert sich.

„Ich komme aus einem einkommensschwachen Haushalt, deswegen wird bei uns immer kostenbewusst auf die Ressourcen geachtet. Uns war wichtig: Es muss unkompliziert sein, wir wollen die Energiewende selbst vorantreiben und im Ruhestand damit Geld sparen“, sagt Ursula.

Auch mögliche Sorgen aus dem Umfeld wie „Was macht ihr im Winter, wenn es lange dunkel ist?“ sehen sie gelassen: „Damit sind wir entspannt, denn der Energieanbieter regelt alles im Hintergrund. Sollte der Strom aus der Solaranlage im Winter nicht reichen, merken wir das kaum.“

Der Abstellraum des Null-Energiekosten-Hauses
Der Abstellraum des Null-Energiekosten-Hauses Octopus Energy

Wie das Null-Energiekosten-Haus gesteuert wird

Das Haus produziert den Großteil seines Stroms selbst, kann bei Bedarf aber Strom aus dem Netz beziehen, erklärt Johannes Trucksäß von Octopus Energy. Die KI-gesteuerte Plattform entscheidet, wann Strom ins Netz eingespeist oder zugekauft wird. Überschüsse werden genutzt, um Zeiten geringer eigener Stromproduktion auszugleichen – etwa bei Dunkelflauten.

„Wir steuern mit einer KI das Smart Trading am Strommarkt. Das System speist Strom genau dann ins Netz ein, wenn es wirtschaftlich sinnvoll ist und hilft, Netzschwankungen auszugleichen. Das so erwirtschaftete Geld dient als Puffer für Zeiten mit geringer eigener Stromproduktion.“

Kein energieautarkes Haus

Das Versprechen des „kostenautarken“ Wohnens sollte allerdings nicht mit vollständiger Energieautarkie verwechselt werden: Strom wird weiterhin teilweise aus dem Netz bezogen. Auf der Website heißt es: „Durch Zero Bills erhalten Kunden im Rahmen der Energiebelieferung eine individuelle jährliche Strom-Freimenge bis zu fünf Jahre.“ Bedingung ist ein Direktvermarktungsvertrag über überschüssigen Solarstrom. Das heißt: 

  • Strom aus dem Netz wird von Octopus Energy bezahlt, im Gegenzug erhält das Unternehmen überschüssigen Solarstrom.
  • Überschreitungen der jährlichen Freimenge werden in Rechnung gestellt.
  • Das Laden von E-Autos ist nicht eingeschlossen; hierfür muss ein separater Tarif abgeschlossen werden.

Blick nach Großbritannien – und was Deutschland lernen muss

In Großbritannien existieren ähnliche Projekte bereits länger. Ganze Siedlungen funktionieren nach dem „Zero-Bill-Prinzip“, die Energieversorgung wird zentral gesteuert, Bewohner müssen sich kaum um Stromkosten kümmern.

Trucksäß betont jedoch, dass sich dieses Modell nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen lässt: Hierzulande stockt der flächendeckende Durchbruch aufgrund von verzögertem Smart-Meter-Rollout, Bauvorschriften, Bürokratie und Marktbedingungen. Technik allein reicht nicht – auch digitale Infrastruktur, Bauvorschriften und gesetzliche Rahmenbedingungen müssen angepasst werden.

Die britischen Erfahrungen zeigen jedoch, dass das Konzept grundsätzlich funktioniert und dass private Haushalte langfristig aktiv in die Energiewende eingebunden werden könnten – auch wenn das Null-Energiekosten-Versprechen nicht völlig kostenfrei ist.