Deutschland blickt, wenn es um die Renten geht, gern und durchaus auch neidvoll nach Österreich. Denn dort liegt die Rentenhöhe im europäischen Spitzenfeld. Doch das teure System ist eine enorme Belastung für das Budget.
Warum das österreichische Renten-Vorbild ein Trugschluss ist
Johannes Berger, renommierter Rentenexperte vom Wiener Wirtschaftsinstitut Eco Austria, kann die Kritik deutscher Top-Ökonomen an dem von der Bundesregierung vorgelegten Paket gut nachvollziehen. „Deutschland sollte sich da nicht zu sehr an Österreich orientieren“, meint Berger.
Um zu untermauern, was er damit meint, greift er zu vielen Zahlen: Das durchschnittliche Rentenantrittsalter bei Frauen liegt in Österreich bei 61,2 Jahren, in Deutschland bei 63,9 Jahren. Bei Männern: 62,7 Jahre in Österreich, 64,2 Jahre in Deutschland.
In Österreich sind die Menschen also länger in Pension – und sie bekommen noch dazu mehr Geld vom Staat. Die Bruttoersatzrate, also das Verhältnis der Brutto-Rente zum früheren Brutto-Einkommen, liegt in Österreich durchschnittlich bei 74 Prozent, in Deutschland bei 42 Prozent, im OECD-Schnitt bei 52 Prozent.
Das bedeutet: In Österreich kommt für die Rentnerinnen und Rentner deutlich mehr heraus.
80 Prozent Schuldenquote: Der hohe Preis der Traum-Rente in Österreich
Für die Einzelne, den Einzelnen, ist das natürlich erfreulich, doch Experten warnen in Österreich schon lange davor, dass das System so finanziell nicht auf Dauer zu stemmen sei. Auch Johannes Berger betont: „Man muss immer eine gesamtheitliche Sicht an den Tag legen und darauf achten, wie wir das finanzieren.“
Er verweist darauf, dass Deutschland eine wesentlich höhere Budgetdisziplin als Österreich pflegt. In Deutschland beträgt die Schuldenquote 62 Prozent, in Österreich satte 80 Prozent. „2012 waren die Schuldenquoten noch annähernd gleich hoch. Man sieht in Österreich, was passiert, wenn man nur mit halbem Auge auf die fiskalische Nachhaltigkeit achtet“, sagt Johannes Berger.
Und er betont, dass er die Kritik von Deutschlands Top-Ökonomen am Rentenpaket der Bundesregierung absolut verstehen kann. Die Wissenschaftler, unter ihnen aktuelle Wirtschaftsweise und auch ein Berater des Finanzministeriums, warnen ja eindringlich vor den hohen Kosten des Vorhabens.
Österreich gibt 14 Prozent seines BIP für Renten aus
Und noch eine Zahl aus dem aktuellen OECD-Bericht „Renten auf einen Blick“ macht den Unterschied zwischen den beiden Nachbarländern sichtbar und verdeutlicht, warum Ökonomen Österreich nicht als Vorbild sehen wollen: Die Alpenrepublik gibt 14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Renten aus. In Deutschland sind es 10,8 Prozent.
Johannes Berger: „Würde Deutschland denselben Anteil am BIP für Renten ausgeben, wären das 140 Milliarden Euro zusätzlich im Jahr.“
Den österreichischen Weg empfiehlt Eco Austria-Experte Berger daher nicht: „Deutschland sollte sich in diesem Bereich nicht zu sehr an Wien orientieren.“
Erste Einschnitte in Österreich
Auch der vielleicht sehnsüchtige Blick der Rentner in Richtung der Nachbarn könnte sich bald eintrüben: Erstmals seit zehn Jahren hat die österreichische Regierung vor Kurzem eine Pensionsanpassung im Schnitt unter der Inflation beschlossen.
Und: Sollten die Sparziele bis 2030 nicht erreicht werden, hat sich die Koalition auf einen sogenannten Nachhaltigkeitsmechanismus geeinigt, der dann weitere Maßnahmen, etwa Anpassungen beim Antrittsalter oder weitere Einschnitte bei der Frührente, vorsieht.