Der syrische Bürgerkrieg ist beendet. Für den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Günter Krings, hat das direkte Folgen für Geflüchtete.
In kaum einem politischen Feld prallen Prinzipien und Pragmatismus so heftig aufeinander wie in der deutschen Migrationspolitik. Während Kommunen warnen, Verwaltungen ächzen und die europäische Ordnung erneut auf dem Prüfstand steht, fordert der CDU-Politiker Günter Krings eine Rückbesinnung auf staatliche Steuerungsfähigkeit.
Im Gespräch mit dem Münchner Merkur von Ippen.Media zeichnet der erfahrene Politiker ein Bild von einem Land, das den Anspruch verloren hat, selbst zu entscheiden, wer kommt und wer bleibt. Krings spricht von überforderten Strukturen, vernachlässigtem EU-Recht und einer Humanität, die nur Bestand habe, wenn der Staat bereit sei, Grenzen zu setzen. Sein Plädoyer: Kontrolle als Voraussetzung für Mitgefühl – und politische Ehrlichkeit als Bedingung für gesellschaftliche Akzeptanz.
Rückkehrpflicht für alle ohne Job – „Bürgerkrieg ist beendet“
Herr Krings, Sie sagen sehr kategorisch: „Deutschland muss wieder selbst entscheiden, wer kommt, wer bleiben darf und wer nicht.“ Ist das eine Diagnose – oder bereits eine Kampfansage?
Es ist zunächst eine schlichte Notwendigkeit und Ausfluss unserer Souveränität. Wir haben viele Jahre erlebt, dass Deutschland bei der Migration nicht mehr ausreichend steuerungsfähig war. Das hat Vertrauen untergraben, Ängste geschürt und die Abwendung von den demokratischen Parteien der Mitte gefördert. Ein Staat, dem in den Augen seiner Bürgerinnen und Bürger die Kontrolle in einem Kernbereich der inneren Sicherheit und unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens entgleitet, verliert an Autorität. Und ein wesentlicher Teil unserer Werteordnung, das Grundrecht auf Asyl, der Schutz vor Verfolgung, das humanitäre Völkerrecht, verlieren an gesellschaftlicher Akzeptanz. Wer Humanität schützen will, muss staatliche Selbstbestimmung verteidigen. Für mich ist das keine ideologische Frage, sondern ein Gebot der rechtsstaatlichen und demokratischen Vernunft.
Sie betonen, dass Humanität und Durchsetzungskraft zusammengehören. Was heißt das im politischen Alltag konkret?
Dass Deutschland konsequent unterscheiden muss zwischen den verschiedenen Tatbeständen der Zuwanderung. Drei Gruppen kommen zu uns: Arbeitskräfte, Schutzbedürftige, und Menschen, die illegal in unser Asylsystem einwandern. Diese dritte Gruppe ist in den letzten Jahren stark angewachsen und geht erst in jüngerer Zeit durch die Maßnahmen der Bundesregierung spürbar zurück. Aber die Zuwanderer der letzten Jahre überlasten immer noch ein Sozialsystem, das für diesen Zweck nie gedacht und vorbereitet war. Das führt zu den teilweise dramatischen Überforderungen, über die auch nahezu jeder Bürgermeister, jede Lehrerin und jeder Lehrer berichten können. Wir müssen unseren Staat so aufstellen, dass er das leistet, was er verspricht: Schutz gewähren, wo Schutz notwendig ist – und Rückkehr durchsetzen, wo kein Anspruch besteht.
Laut Bundesstatistik haben seit Anfang 2022 über 700.000 Menschen in Deutschland Asyl beantragt. Sie sprechen von einer strukturellen Überforderung. Ist das nicht Dramatisierung?
Nein. Es ist Realität. Schulen, Kitas, Wohnraum und Sozialverwaltung sind vielerorts am Limit. Die Integration der Menschen, die bereits gekommen sind, ist längst nicht abgeschlossen und erfordert enorme Ressourcen. Wenn dann weitere 50.000 oder 100.000 Schutzsuchende jährlich hinzukommen, ist das nicht „moderat“, sondern addiert sich zu einer dauerhaften Belastung. Politische Verantwortung heißt, diese Zahlennicht zu ignorieren. Deutschland trägt eine im EU-Vergleich weit überproportionale Last. Und aktuelle Rückgänge dürfen uns nicht in Sicherheit wiegen, denn das Migrationsgeschehen ist hoch volatil. Innenpolitsche Veränderungen oder Krisen in Ländern weit weg von uns können in kürzester Zeit Migrationszahlen wieder anschwellen lassen. Wir müssen uns so aufstellen, dass wir auch nicht zum Spielball von Mächten werden, die Migrationsströme als politsche Waffe nutzen.
Sie fordern weiterhin Grenzkontrollen und Zurückweisungen. Viele sehen darin einen Bruch mit europäischer Solidarität.
Die Wahrheit ist genau andersherum. Solange das europäische Asyl- und Grenzsystem nicht zuverlässig funktioniert, ist die nationale Grenze die einzige wirksame Kontrolllinie. Wer über einen sicheren EU-Staat kommt, hat keinen Anspruch darauf, in Deutschland ein Asylverfahren zu durchlaufen. Menschen, die in Deutschland Asyl einfordern, haben in der Regel schon mehrerer Grenzen zu viel überschritten - unzulässigerweise. Das Prinzip des EU-Rechts heisst, dass Asyl dort zu beantragen ist, wo erstmals EU-Boden betreten wird. Dieses klare Rechtsprinzip wurde zu lange ignoriert. Wir stellen es wieder her.Solidarität heißt nicht, das eigene System überzustrapazieren. Und sie bedeutet schon gar nicht, europäische Zuständigkeiten zu ignorieren.
Sie sprechen von einem „Grundrechts-Chauvinismus“. Ein hartes Wort.
Es beschreibt leider sehr zutreffend eine verbreitete Einstellung in unserem Land. Zu viele meinen, dass Menschenrechte nur in Deutschland zuverlässig eingehalten würden. Das ist eine Unterstellung und überheblich gegenüber unseren europäischen Partnern. Der europäische Rechtsraum basiert darauf, dass jeder Mitgliedstaat Schutz gewährt. Wer behauptet, Schutz könne immer nur in Deutschland erfolgen, hebelt die europäische Ordnung aus. Das Ergebnis wäre ein Europa, in dem jeder Staat macht, was er will – damit letztlich ein Europa ohne funktionierendes Asylsystem.
Aktuell wird die Frage kontrovers diskutiert, wie wir mit den syrischen Flüchtlingen in unserem Land nach dem Ende des dortigen Bürgerkriegs umgehen. Was genau fordern Sie?
Wir brauchen gerade auch angesichts der großen Zahl von über 1 Mio Syrern bei uns eine konsequente Anwendung der Rechtsprinzipien, auf die wir uns in Europa und Deutschland verständigt haben. Und das bedeutet Differenzierung zwischen den Menschen, aber auch Konsequenz bei den Entscheidungen. Viele Syrerinnen und Syrer haben sich hervorragend integriert, arbeiten und tragen zum Erfolg unseres Landes bei. Sie sollen die Möglichkeit bekommen, dauerhaft zu bleiben oder deutsche Staatsbürger zu werden.
Aber wir müssen auch ehrlich sein: Der syrische Bürgerkrieg ist beendet. Diejenigen, die seit Jahren hier sind, aber weiterhin dauerhaft von staatlichen Leistungen leben, haben keinen validen Aufenthaltsgrund bei uns mehr. Das bedeutet Rückkehrpflicht. Der subsidiäre Schutz, den es übrigens weltweit nur in der EU gibt, ist ein vorübergehendes und streng zweckgebundenes Gastrecht, kein lebenslanges Bleiberecht. Wenn wir das ignorieren, zerstören wir die Glaubwürdigkeit dieser Schutzform und die Leistungskraft unseres Staates, was gerade den wirklich Schutzbedürftigen schaden würde.
Zur Person
Prof. Dr. Günter Krings ist Stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, mit den Arbeitsbereichen Innen, Recht und Verbraucherschutz und Petitionen sowie Vorsitzender der CDU-Landesgruppe Nordrhein-Westfalen.
Krings, geboren am 7. August 1969 in Mönchengladbach-Rheydt, ist Lehrbeauftragter für Staatsrecht und Honorarprofessor an der Universität zu Köln. Er gehört dem Deutschen Bundestag seit 2002 an. Krings gilt als Favorit auf die Nachfolge von Norbert Lammert an der Spitze der Konrad-Adenauer-Stiftung. Er bewirbt sich für dieses Amt auf Vorschlag von Bundeskanzler Friedrich Merz.
Sie wollen also keinen Familiennachzug mehr für diese Gruppe?
Wer bei uns arbeitet und integriert ist kann und soll ein Bleiberecht oder gar die Staatsbürgerschaft erhalten. Beides ist mit dem Recht auf Familiennachzug verbunden. Einen Familiennachzug auf Kosten des Steuerzahlers und nach Wegfall des ursprünglichen Fluchtgrundes ist nicht zu rechtfertigen.
Wie würde ein migrationspolitisch „funktionierendes“ Deutschland aus Ihrer Sicht aussehen?
Erstens: Wir entscheiden und organisieren selbst, wer zu uns kommt – nicht Schlepper, nicht der Zufall und auch nicht andere EU-Staaten, die europäisches Recht missachten. Zweitens: Wir bieten Schutz, wo Schutz notwendig ist – und nehmen Schutzbedürftige gezielt auf, ohne sie zu zwingen ihr Leben auf dem Mittelmeer oder in den Wüsten Nordafrikas zu riskieren. Drittens: Bei Menschen ohne Schutzanspruch in Deutschland setzen wir die Rückkehr konsequent durch. Viertens: Wir sichern Integration durch klare Erwartungen, die über die Einhaltung unserer Gesetze hinausgehen. Es geht um Arbeit, Sprache und die Einhaltung von Regeln als Voraussetzung für ein gedeihliches Miteinander. Fünftens: Wir bringen Europa dazu, endlich seine Außengrenzen zu schützen und Zuständigkeiten wirksam umzusetzen. Genau an diesen Zielen arbeitet Alexander Dobrindt mit Beharrlichkeit und Konsequenz. Und er hat bereits wichtige Erfolge erzielt. Ich bin froh, dass er an der Spitze der deutschen Innenpolitik steht. Er zeigt: Humanität braucht Ordnung – und Ordnung braucht Mut und Ehrlichkeit. Es gibt Grenzen der Aufnahmefähigkeit. Wer sie ignoriert, riskiert die gesellschaftliche Akzeptanz. Wer sie anerkennt und klug handelt, sichert Humanität und gesellschaftlichen Zusammenhalt.