Palmer will "AfD nicht als Nazis bezeichnen" - warum er Chruppala trotzdem attackiert

Sie will die Fragen stellen, die sonst keiner stellt: ntv-Talkerin Pinar Atalay. Er gibt Antworten, die vielen nicht passen: Boris Palmer, Ex-Grüner und inzwischen parteiloser Oberbürgermeister von Tübingen. Und dann, als dritter in der Runde, Tino Chrupalla: häufig wahrzunehmen als Putins Chef-Propagandist in Deutschland und im Hauptberuf Vorsitzender der AfD. 

Das klingt nach einer zünftigen Diskussion beim Nachrichtensender. Wirklich bemerkenswert aber ist, dass sich hier Menschen ohne Angst im Streit begegnen. Das ist schon einmal eine Seltenheit.

Tino Chrupalla sagt: „Da muss ich keine Angst haben“

„Er ist ein parteiloser Kommunalpolitiker. Da muss ich keine Angst haben“, sagt Tino Chrupalla über Boris Palmer. „Weniger Stimmen als in Tübingen hat die AfD nirgends“, sagt Palmer zu Chrupalla, da müsse er auch keine Angst haben. 

Damit scheint die Basis für einen Wettstreit der Positionen zwischen zwei Politikern gegeben zu sein. Und die Themen? Die Gründung der AfD-Jugendorganisation. Migration und Remigration. Russland. Energie. Kurz: das Übliche. Unüblich wird die Art des Gesprächs.

AfD-Regierung? „Vielleicht muss man der Bevölkerung die Chance geben“

Boris Palmer präsentiert sich als ein sehr selbstbewusster Demokrat. Seine Unaufgeregtheit im Umgang mit der AfD tut gut. „Ich würde die AfD nicht als Nazis bezeichnen, auf keinen Fall“, hören wir von ihm. Darf man mit dieser Partei regieren? „Vielleicht muss man der Bevölkerung die Chance geben, es zu beurteilen, wenn AfD mitregiert.“ 

Und das Thema Remigration bei der Gründung der AfD-Jugendorganisation? „Da wird gesagt, in unserem Land können Frauen und Kinder nur bei millionenfacher Remigration sicher sein. Das besorgt mich.“

„So ein Mann soll keine Verantwortung bekommen“

Palmers Verzicht auf Hysterie bedeutet nicht den Verzicht auf Konfrontation. Entsetzt zeigt sich der 53-Jährige zum Beispiel über Chrupallas Auftritt in der Talkshow bei Markus Lanz. Da saß der AfD-Vorsitzende neben Wladimir Kara-Mursa, der als Kreml-Kritiker zwei Giftanschläge überlebt hat. 

Völlig frei von jedem Mitgefühl habe Chrupalla in der Sendung Putin-Propaganda betrieben. „Das sollen“, so Palmer, „ganz viele Leute angucken. So ein Mann soll keine Verantwortung in diesem Land bekommen.“ 

Und noch deutlicher fügt er hinzu: „Sie sind blind für die Gefahren, die Russland für uns bedeutet. Ich kann nicht verstehen, dass man Polen als Gefahr bezeichnen kann. Ich glaube nicht, dass 25 Prozent der Bevölkerung diese Position mittragen.“

Chrupalla: „Da stehe ich als Rechtsextremer“

„Ich wohne an der Grenze“, gibt AfD-Vorsitzender Tino Chrupalla da zur Antwort. Und er fügt hinzu: „Ich weiß, wie viele Polen feindlich gegenüber den Deutschen sind.“ 

Ein überzeugendes Argument ist das nicht, um Polen und Putin gleichzusetzen. Wie steht er zur neuen Jugendorganisation mit dem besitzergreifenden Titel „Generation Deutschland“? „Dass die Jugend ein Stück weit härtere Töne anschlägt, ist so gewollt.“ 

Und die Frage, ob der gewählte Vorsitzende der AfD-Jugend Jean-Pascal Hohm rechtsextrem sei? Da gibt sich Tino Chrupalla sehr auffallend gelassen: „Auf meiner Wikipedia-Seite stehe ich auch als Rechtsextremer.“

Fragezeichen nach skurriler Rede bei AfD-Jugendkongress
AfD-Chef Tino Chrupalla im Gespräch mit Reportern am Rande des Gründungskongresses der neuen AfD-Jugendorganisation Generation Deutschland. Thomas Frey/dpa

Boris Palmer offen für Rückkehr zu den Grünen

Der Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, kann sich vorstellen, wieder zu seiner alten Partei Bündnis90/die Grünen zurückzukehren, sollte der Grünen-Politiker Cem Özdemir zum Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg gewählt werden. “Es würde es auf jeden Fall sehr viel einfacher für mich machen”, sagte Palmer in der ntv Sendung “Pinar Atalay”. Cem Özdemir sei ein “geerdeter, bodenständiger, sehr pragmatischer, ökologisch motivierter Politiker”, den er “sehr schätze”.