"Die ganze Wehrdienstdebatte zeigt, wie schwer sich diese Republik mit notwendigen, schnellen Veränderungen tut", sagt der Militärhistoriker Sönke Neitzel in einem Interview mit dem "Handelsblatt". Er erwarte keine Einführung der Wehrpflicht in der aktuellen Legislaturperiode.
Grund dafür sei die Haltung innerhalb der SPD, die weiter einen freiwilligen Wehrdienst fordert. Deshalb sagt Neitzel deutlich: "Ich halte die SPD in ihrer jetzigen Verfassung für ein Sicherheitsrisiko für das Land. Was wir beim Wehrdienst sehen, ist ein Kompromiss, der für eine Demokratie typisch ist."
"Wir brauchen für alles unendlich viel Zeit, die wir nicht haben"
Neitzel sieht in dem Vorgang auch ein Problem am föderalen System in Deutschland, welches in Krisenzeiten nicht schnell genug handeln kann. "Jetzt wollen wir ab 2027 mit der Musterung anfangen. Wir brauchen für alles unendlich viel Zeit, die wir nicht haben."
Angesichts des Zustands der Bundeswehr zeichnet der Militärhistoriker im "Handelsblatt-Interview" ein düsteres Bild. "Ich fürchte, dass die Bundeswehr noch 20 Jahre bis zur Kriegstüchtigkeit braucht, weil zu viele der höchsten Besoldungsgruppen immer noch glauben, im bestehenden System reformieren zu können."
Der Wehrdienst soll nach den aktuellen Plänen zunächst auf Freiwilligkeit beruhen. Fachpolitiker von Union und SPD hatten sich in der Debatte zudem zunächst darauf verständigt, junge Männer per Losverfahren zur Musterung heranzuziehen. Doch der Kompromiss platzte zunächst am Veto des Verteidigungsministers Boris Pistorius
Das Wehrdienstgesetz soll zum 1. Januar in Kraft treten, der Bundestag hat sich bereits in erster Lesung damit befasst. Am 10. November soll nun eine parlamentarische Anhörung mit Experten und Expertinnen stattfinden.