Longevity-Expertin Nina Ruge: Wie unsere Gene helfen, Krankheiten vorherzusagen

Viele Menschen schätzen Gentests als zu kostspielig ein und sind daher oft skeptisch. Doch die Preise sind dramatisch gesunken: Vor zwei Jahrzehnten verschlangen umfangreiche Analysen noch enorme Summen, inzwischen werden sie in den USA wie auch in Europa bereits für 389 Euro angeboten. 

Wer sich genauer mit der Qualität und Aussagekraft solcher Tests beschäftigt, kann wesentliche Erkenntnisse gewinnen. Besonders wichtig ist dabei die sogenannte Pharmakogenetik, denn nicht alle Arzneimittel wirken bei jedem gleichermaßen, manche werden genetisch stärker beeinflusst als andere.

Nina Ruge, Biologin und TV-Expertin, blickt auf über 30 Jahre Medienkarriere zurück. Sie ist Bestsellerautorin und Podcasterin im Bereich Zellbiologie des Alterns, engagiert sich für "Healthy Longevity". Sie ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen ihre persönliche Auffassung auf Basis ihrer individuellen Expertise dar.

Pharmakogenetik für individuelle Medikamentenwirkung

Herz-Kreislauf-Medikamente, bestimmte Anästhesiemittel, Schmerzmittel und auch Psychopharmaka sprechen oft sehr unterschiedlich auf die jeweilige Genkonstellation an. 

Gerade im Notfall kann das entscheidend sein: Bei einem Herzinfarkt werden häufig überlebenswichtige Wirkstoffe verabreicht. Falls Patienten genetisch bedingt nicht auf diese Mittel ansprechen, steigt die Gefahr eines zweiten Infarkts erheblich – ein Risiko, das sich mit einer pharmakogenetischen Analyse reduzieren lässt. Diese Erkenntnisse können lebensrettend sein, denn im Ernstfall zählt jede Minute.

Polygenetische Risikobestimmung der Zukunft

Ein weiterer Baustein ist die polygenetische Risikobestimmung. Menschen verfügen über rund 20.000 Gene, von denen jedes zahlreiche Varianten besitzen kann. Moderne Algorithmen können bereits Millionen dieser Genvarianten miteinander vergleichen und so aufzeigen, wie hoch das individuelle Risiko für chronische Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Probleme, Schlaganfall oder bestimmte Krebsarten tatsächlich ist. 

Die Forschung in diesem Bereich schreitet täglich voran, sodass lange nicht alle Interaktionen zwischen den zahlreichen Genvarianten restlos geklärt sind. Doch schon jetzt lassen sich über fünf Millionen Varianten auswerten, was eine solide Basis für personalisierte Prognosen bildet.

Lebensstil entscheidet über chronische Erkrankungen

Wichtig ist zugleich zu erkennen, dass ein ungünstiger Lebensstil solche chronischen Krankheiten noch deutlich beschleunigen kann. Wer sich ungesund ernährt, wenig bewegt oder weitere Risikofaktoren ignoriert, läuft Gefahr, bereits in relativ jungen Jahren zu erkranken. 

Wenn man hingegen erfährt, dass das individuelle Risiko in bestimmten Bereichen besonders hoch ist, liegt es nahe, möglichst früh präventiv zu handeln. 

Daneben gibt es sogenannte Lifestyle Scores, die gewisse Empfehlungen zu Themen wie Ernährung, Bewegung und Schlaf geben sollen. Laut manchen Experten stecken hier allerdings noch nicht genügend wissenschaftliche Daten dahinter, weshalb sie eher als Spielerei betrachtet werden können. Ähnliches gilt für die sogenannte Persönlichkeitsgen-Analyse, die Hinweise liefern kann, warum manche Menschen in bestimmten Situationen spontan so oder so reagieren.

Einmal testen, lebenslang aktualisieren

Die Testung selbst erfolgt in der Regel nur einmal im Leben, denn die Gene ändern sich nicht. Doch die Auswertung wird mit jeder neuen Studie präziser, da ständig weitere Erkenntnisse über Genvarianten und ihre Wechselwirkungen gewonnen werden. 

Dadurch kann es sich lohnen, in gewissen Abständen nachzufragen, ob sich unter den bereits erhobenen Daten neue, relevante Informationen herauslesen lassen. Ein sogenannter pharmakogenetischer Pass könnte künftig sogar zum Standard werden, um im Notfall direkt die passenden Medikamente wählen zu können.

Limitierte Auswertung und APOE4-Gen

Trotz stetig wachsender Möglichkeiten gibt es Grenzen: Manche Erbanlagen dürfen in der normalen Gentest-Auswertung aus rechtlichen Gründen nicht kommuniziert werden. Das sogenannte APOE4-Gen beispielsweise wird oft nicht angegeben, da es eine humangenetische Belastung darstellen kann. 

Darüber hinaus lohnt es sich, Fachleute hinzuzuziehen, um die Ergebnisse richtig zu interpretieren. 

Mehr zu diesem Thema finden Sie im Podcast von Nina Ruge.

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