Ausländer und Amok-Wahnsinn: Für die Wahrheit brauchen wir keine AfD-Hetze

„Messermänner“ und „Kopftuchmädchen“: Darüber hat, wir erinnern uns, AfD-Bundessprecherin Alice Weidel im Jahr 2018 gewettert. Jetzt greifen die ARD-„Tagesthemen“ die Frage auf, ob wir unser Interesse an Straftaten schneller verlieren und die Empörung sich schneller wieder auflöst, wenn es Deutsche sind, die letztlich vor Gericht stehen. Dafür gebe es, so die Nachrichtensendung, „Hinweise“.

Mannheim, Magdeburg, München: der Amok-Wahnsinn

Das Erste zieht den Vergleich zwischen dem Rosenmontags-Wahnsinn von Mannheim, als ein Mann mit seinem Auto auf Menschenjagd ging und offensichtlich versuchte, gezielt zu töten. Zwei Menschen starben, vierzehn weitere wurden verletzt. Der Vorwurf jetzt: Die Tat interessiert weniger, seit bekannt ist, dass es sich beim Täter um einen Deutschen handelt. 

Als Vergleichsfälle ziehen die TV-Nachrichten die so genannte Amokfahrt von Magdeburg kurz vor Weihnachten heran, als der mutmaßliche Täter aus Saudi-Arabien sechs Menschen tötete. Ebenso die Auto-Attacke eines Afghanen in München, bei der im Februar in München zwei Menschen starben. Die Zahlen dazu liefern uns die „Tagesthemen“ ins Wohnzimmer. 1035 Beiträge über Magdeburg in den ersten vier Tagen. 951 Beiträge über München. Und nur 489 Berichte über Mannheim.

„Gut organisierte Betroffenheitsarmada“

Das sind die Fakten. Der Journalismusforscher Thomas Hestermann spricht von einer „gut organisierten Betroffenheitsarmada, die zu Trauermärschen aufruft und die Kommentar-Spalten flutet – aber immer nur dann, wenn ein Ausländer unter Tatverdacht steht“. Diese erwartbare Reaktion, so sieht es der Fachmann, macht die Aktion erst relevant.

Die Freitagsabrechnung
"Gut organisierte Betroffenheitsarmada": So lautet der Vorwurf von Thomas Hesermann ARD

Erst die Reaktion macht die Aktion?

Diese Medienschelte ist falsch. „Immer an den Leser denken“: Dieser Satz hat von der Gründung an das Nachrichtenmagazin FOCUS geprägt. Ebenso der Gedanke, Fakten zu berichten – möglichst viele, möglichst gründlich und möglichst korrekt. Ich kann auch heute nur sagen, dass ich froh darüber bin, wenn Medien Wirklichkeit so berichten, wie sie ist – und nicht so, wie sie politisch korrekt sein sollte oder wünschenswert wäre.

Das übrigens ist weder neu noch selbstverständlich. Noch vor zehn Jahren wurde in den Nachrichten die Herkunft von Tätern und Tatverdächtigen im Regelfall verschwiegen. Wie sehr sich unser Umgang damit geändert hat, zeigen neueste Regelungen. In Bayern muss die Polizei seit 1. Oktober in Pressemitteilungen grundsätzlich die Herkunft von Tatverdächtigen benennen – auch in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein sind die Behörden dazu angewiesen.

„Drastische Verzerrung!“

Nach der Untersuchung des Fachmanns Hestermann wurde in einem Viertel der Fernsehberichte über Gewaltverbrechen die Herkunft der Tatverdächtigen genannt – und da waren es zu 95 Prozent ausländische Tatverdächtige. Ebenfalls untersuchte Printmedien berichteten zu einem Drittel mit Herkunftsnennung – und dann zu 91 Prozent über Tatverdächtige mit Migrationsgeschichte. Aber erleben wir wirklich, wie es Thomas Hestermann beklagt, „eine drastische Verzerrung“?

Verzerrungen sind selbstverständlicher Teil unserer Medienwirklichkeit. Kein Medium berichtet über die Hunderttausende Pendler, die sich jeden Morgen in ihr Auto setzen und problemlos ihre Arbeitsstätte erreichen. Berichtet wird über den Unfall auf dem Arbeitsweg, den Megastau auf der Autobahn – kurz eben das, was den Zuschauer und Leser interessiert. 

Wirklichkeit statt Weltanschauung

Ich begrüße es, dass wir uns in der Berichterstattung inzwischen auch beim Thema Ausländer und Gewalt mit der Wirklichkeit beschäftigen und nicht mit Weltanschauungen. Stellen wir den Zuschauern und den Lesern die Fakten zur Verfügung. Ihre Meinung muss den Menschen niemand vorschreiben. Die kann und soll sich jeder selber bilden. Und war ganz ohne die Polemik von „Messermännern“ und „Kopftuchmädchen“.