Weißer Glühwein ist besser als roter – doch die Hälfte aller Weihnachtsmärkte vergisst das

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Der Süden trinkt längst weiß. Der Norden tut so, als gäbe es das bessere Produkt gar nicht. Auf Weihnachtsmärkten muss sich endlich etwas ändern.

Als Bewohner der ältesten Stadt Deutschlands hielt ich weißen Glühwein jahrelang für selbstverständlich. Auf jedem Weihnachtsmarkt in Trier dampft er neben dem roten Klassiker in den Bechern – mal mit Zitrusnoten, mal mit einem Hauch Vanille. So kennen und lieben wir es hier. Umso irritierender war der Moment, als Kollegen aus Hamburg, Dresden oder Berlin meinten, sie hätten „noch nie“ weißen Glühwein gesehen. Was in Rheinlandpfalz zum Standard gehört, ist andernorts praktisch unsichtbar. Und genau da wird es interessant: Warum verschwindet ein qualitativ besseres Produkt in weiten Teilen Deutschlands komplett vom Radar – obwohl es in Franken und Süddeutschland längst Alltag ist?

Weihnachtsmarkt Esslingen
Der Süden trinkt längst weiß. Der Norden tut so, als gäbe es das bessere Produkt gar nicht. Auf Weihnachtsmärkten muss sich endlich etwas an der Glühweinsituation ändern. (Symbolbild) © Christoph Schmidt/dpa

Dabei sprechen die Fakten eine klare Sprache: Weißer Glühwein ist dem roten qualitativ überlegen. Die Basis aus säurebetonten Rebsorten wie Riesling oder Grauburgunder balanciert die notwendige Süßung perfekt aus – ein struktureller Vorteil, den billiger Rotwein aus dem Tetrapak nicht bieten kann. Keine Sorge: Man muss kein Sommelier sein, um den Unterschied zu spüren. Die Süße wirkt harmonisch, nicht klebrig. Und wer schon mal einen roten Glühwein nach zwei Stunden Warmhalten gesehen hat, kennt die Wahrheit: Er kippt farblich schneller als ein angeschnittener Apfel. Weißer Glühwein bleibt optisch stabiler – ein Vorteil, den man selbst im Weihnachtsmarktdunkel erkennt, wenn man ihn denn kennt.

Säure schlägt Schwere: Warum die Chemie für Weißen Glühwein spricht

Die deutschen Weißweine bringen von Natur aus eine harmonische Balance zwischen Zucker und Säure mit. Diese Säurestruktur verhindert genau das Problem, das viele vom Weihnachtsmarkt kennen: Das unangenehm süße, fast sirupartige Mundgefühl nach dem dritten Becher (der meist eh einer zu viel war). Roter Glühwein muss diesen Ausgleich künstlich über Zitruszusätze kompensieren – falls die Standbetreiber trotz der gestiegenen Glühweinpreise dieses Jahr überhaupt daran denken.

  • Die Argumente für weißen Glühwein auf einen Blick:
  • Sensorik: Ausgewogene Süße-Säure-Struktur verhindert klebrige Schwere
  • Optik: Stabilere Farbwirkung beim Warmhalten, frischerer Eindruck
  • Variation: Zitrus und helle Gewürze kommen deutlicher zur Geltung

Winzerglühwein – das Qualitätssiegel beim Glühwein

Der Begriff „Winzerglühwein“ ist rechtlich geschützt und garantiert, dass sowohl der Grundwein aus eigenem Anbau stammt als auch die Zubereitung im Winzerbetrieb selbst erfolgt. Anders als bei Bezeichnungen wie „Nürnberger Glühwein“, die keine Herkunft des Weins festlegen, verbindet Winzerglühwein Traube und Endprodukt direkt – und weißer Glühwein ist besonders häufig als Winzerglühwein zu finden.

Es ist also keine Frage von Tradition, sondern Qualität. Winzer und Freunde aus der gehobenen Gastronomie formulieren es deutlich drastischer: Es gelte, die „Welt von der Diktatur der Rotwein-Plörre zum Advent“ zu erlösen, wie es schon 2012 im Magazin für Barkultur hieß. Die Verfügbarkeit von weißem Glühwein ist aber auch 2025 stark an lokale Weinbaugebiete gebunden.

Der Winzerglühwein‑Äquator teilt die Republik jedes Jahr zu Weihnachten

In der Pfalz oder in Württemberg gehört weißer Glühwein zum Standardangebot. Regionen ohne eigene Weinbautradition sind von zentralen Großhändlern abhängig. Und diese Logistikstrukturen sind auf den standardisierten Rotwein ausgerichtet. Es ist wie eine mit dem Lineal gezogene Grenze, die Deutschland erneut teilt – in Geschmack und Massenkonsum. Bequemlichkeit siegt über die Qualität, und viele Weihnachtsmarktbesucher tappen im dunkel Roten.

Ein weiterer Vorteil zeigt sich beim Warmhalten: Roter Glühwein, der stundenlang vor sich hin köchelt, nimmt einen unappetitlichen rostbraunen Ton an – ein Zeichen für Oxidationsprozesse. Weißer Glühwein durchläuft zwar dieselben chemischen Prozesse, doch seine helle Farbe vermittelt optisch einen Eindruck von Frische. So, genug Winzer gespielt.

Ich koche übrigens auch lieber mit Weißwein als mit Rotwein. Aber da tut es für mich auch oft Kochwein im Tetrapak. Dieses Rezept wird mit einem Spitzer Wein gleich viel köstlicher. Etwas schade ist, dass Punsch, also die alkoholfreie Variante, meist eher an den roten angelehnt ist.

Zu heiß ist gefährlich: Beim Glühwein-Erhitzen passiert vielen ein folgenschwerer Fehler. Experten warnen vor gesundheitlichen Risiken beim Kochen (Symbolbild).
Wärmen tut auch der rote Glühwein, schmecken (mir) leider eher weniger (Symbolbild). © Manuel Kamuf/Imago

Wer in diesem Winter auf einem Weihnachtsmarkt steht und nur roten Glühwein vorfindet, sollte sich eine Frage stellen: Wird hier wirklich das beste Produkt angeboten – oder nur das bequemste? Die Antwort dürfte ernüchternd ausfallen, zumindest nördlich der Weinberge. Diese 10 Weihnachtsmärkte locken außerdem dieses Jahr mit spektakulären Neuheiten.

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