An der Pfaffenwinkel-Realschule in Schongau dürfen Jugendliche nur noch in der Pause auf die Toilette gehen. Das hat zu vielen heiklen Situationen geführt. Eltern werfen dem Schulleiter vor, nicht die Wahrheit zu sagen.
Schongau - 769 Schüler zählt die Pfaffenwinkel-Realschule in Schongau derzeit. Ein Schüler – will man den Aussagen der Eltern glauben, die sich an die Heimatzeitung gewandt haben – soll sein „großes Geschäft“ auf dem Boden der Schülertoilette verrichtet haben. Ein Ärgernis, zweifelsohne. Der Schulleitung reichte es offenbar. Sie setzte vergangene Woche radikal eine Schulvereinbarung um, die im Jahr 2023 die damaligen Schülersprecher, Elternvertreter und Vertreter der Lehrkräfte unterzeichnet haben. Sie besagt: Der Toilettengang während des Unterrichts ist nicht mehr gestattet.
Schülerin verzichtet schon aufs Trinken
Einige Eltern haben sich deshalb an die Heimatzeitung gewandt. Keiner möchte aus Furcht vor Repressalien namentlich genannt werden. Eine Mutter berichtet, ihre Tochter hätte das Trinken während der Schulzeit eingestellt. Das Kind hätte regelrecht Angst davor, während des Unterrichts auf die Toilette zu müssen. Besuche das Kind während der Pause die Toilette, würde es die Brotzeit nach Hause bringen – zum Essen bliebe keine Zeit. Die Schlange vor den drei offenen Mädchen-Kabinen im Erdgeschoss: ellenlang. „Das ist menschenunwürdig“, sagt die Mutter.
Das sagt das Kultusministerium
Auf Anfrage der Heimatzeitung weist das Kultusministerium darauf hin, dass „für Toilettengänge grundsätzlich während der Pausen und beim Stundenwechsel Gelegenheit“ bestünde. In dringenden Fällen dürften Schülerinnen und Schüler aber die Toilette auch während des Unterrichts besuchen. Dies gelte insbesondere beim Vorliegen von Erkrankungen. „Selbstverständlich gilt dies auch an der Pfaffenwinkel-Realschule Schongau. Es gibt an der Schule auch keine neue Regelung, es wurde lediglich auf die bestehende Schulvereinbarung zum Thema verwiesen“, so eine Sprecherin des Ministeriums.
Tatsächlich ist das Thema Toilettengang während der Unterrichtszeit nicht neu: Nicht erst einmal hat sich Justitia mit besagter Thematik befasst. Die Rechtsprechung ist eindeutig, lässt zugleich erheblichen Spielraum zu: Ein Toilettengang während des Unterrichts ist grundsätzlich erlaubt, da Schüler das Recht haben, ihre Notdurft zu verrichten, was sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der körperlichen Unversehrtheit ableitet. Lehrer können das Verbot eines dringenden Toilettengangs nicht aussprechen, da dies ein Verstoß gegen grundlegende Rechte wäre und rechtlich zu Konsequenzen führen kann, auch wenn es in der Praxis selten dazu kommt. Dennoch können Schulen Regeln aufstellen, um den Toilettengang zu regeln, zum Beispiel, dass er möglichst in den Pausen erfolgen soll.
Sie widerspricht der Schulleitung, die in einer schriftlichen Stellungnahme auf Anfrage der Heimatzeitung so antwortet: „Generell haben wir 16 Kabinen für Mädchen und 9 Kabinen bzw. 12 Pissoirs für Buben und eine Behindertentoilette. In dringenden Fällen und auch sonst dürfen die Lehrkräfte im pädagogischen Ermessen einen Toilettengang erlauben.“
Welche WCs sind in der Pause geöffnet?
Glaubt man den Aussagen mehrerer Eltern, die sich an die Heimatzeitung gewandt haben, sind während der Pause aber ausschließlich die WCs im Erdgeschoss geöffnet. Schulleiter Armin Eder kann das nicht nachvollziehen. „…diese Behauptung ist falsch. Es sind alle Toiletten geöffnet. In den Pausen halten sich die Schülerinnen und Schüler in der Aula bzw. auf dem Pausengelände auf und dürfen die dort zugängigen Toiletten benützen. Mädchen dürfen in den Pausen auch die Toiletten im ersten Stock benützen.“ Ein Elternteil widerspricht dieser Aussage vehement. „Das stimmt nicht. Es ist alles zugesperrt. Das ist erstunken und erlogen.“
Deutliche Worte gibt es wiederum auch von Eltern, die sich an die Schulleitung gewandt haben: Sie gestatte ihrer Tochter vollumfänglich, über den eigenen Toilettengang zu entscheiden. „Ich lehne es vehement ab, dass… (meine Tochter) … vor der versammelten Klasse gegenüber der Lehrkraft darlegen soll, warum ein Klogang nötig ist.“ Die Eltern berufen sich in diesem Fall auf „selbstbestimmte Notdurftverrichtung“, die Rede ist von „Beschämung“ und „Einschränkung“.
Schüler pochen auf Menschenrechte
Ein weiteres Elternteil berichtet der Heimatzeitung davon, dass Schüler inzwischen während des Unterrichts mit vorgedruckten Menschenrechts-Flyern auf Lehrer zugingen. Mädchen seien vorstellig geworden, um einen Toilettengang während ihrer Periode zu bekommen. „Wie erniedrigend ist das, wenn ein Mädchen das vor der ganzen Klasse sagen muss?“, fragt eine Mutter. Den Toilettengang hätte sich das Mädchen hart erkämpfen müssen. Wenn es Ärger deshalb gäbe, müsse das Mädchen das „dem Chef erklären“, habe der Lehrer gesagt. Auch von Verweisen ist die Rede.
Der „Chef“, Armin Eder, versteht die Aufregung nicht. Laut Anfrage der Heimatzeitung bekräftigt er, dass „eine Lehrkraft in pädagogischem Ermessen den Toilettengang auch während des Unterrichts erlauben“ könne. „Sollte krankheitsbedingt ein häufigerer Toilettengang nötig sein, bitten wir die Eltern um eine entsprechende Information.“