Was es bedeutet, ukrainische Flüchtlinge aus dem Bürgergeld zu schmeißen

Die erste Hürde ist genommen. Am Mittwoch beschloss das Bundeskabinett, ukrainischen Flüchtlingen, die nach dem 1. April 2025 nach Deutschland gekommen sind, statt Bürgergeld künftig die Leistungen aus dem Asylbewerbergesetz zu zahlen. Das soll Geld sparen. 

Bis das neue Gesetz in Kraft tritt, wird aber noch Zeit vergehen, denn sowohl Bundestag als auch Bundesrat müssen zustimmen. Das liegt daran, dass sowohl Bürgergeld als auch Asylbewerberleistungen von den Kommunen ausgezahlt werden, die deswegen über den Bundesrat mitentscheiden dürfen. 

Während eine Mehrheit im Bundestag als sicher gilt, appellieren jetzt vor allem Gewerkschaften und auch die Jobcenter dafür, dass die Länder das Gesetz stoppen sollen. Der DGB nennt es eine „Sabotage an der Integration in den Arbeitsmarkt“. Auch Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) ist gegen die Neuregelung, sieht sie aber als Kompromiss innerhalb der Koalition. Das müssen Sie dazu wissen.

Was steht genau im Gesetz?

Technisch wurde das „Leistungsrechtanpassungsgesetz“ im Kabinett beschlossen. Der Entwurf dazu aus dem Arbeitsministerium von Bas stammt schon aus dem August. Betroffen sind alle Personen, die aufgrund der europäischen Massenzustrom-Richtlinie nach Deutschland kommen. Die wurde schon 2001 beschlossen, wird aber seit Beginn des Ukraine-Krieges 2022 erstmals für Flüchtlinge aus diesem Land angewandt. 

Die Richtlinie sieht vor, dass Ukrainer in Deutschland automatisch Schutzstatus erhalten und auch Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen. Sie ist im Prinzip eine Art Schnellversion des Asylbewerberverfahrens. Betroffene müssen auch nicht in Sammelunterkünften wohnen. Der Schutz gilt maximal drei Jahre. Die Richtlinie selbst gilt so lange, bis der entsprechend Ministerrat der EU sie wieder außer Kraft setzt.

Ukrainische Flüchtlinge gelten automatisch als anerkannte Asylbewerber

Deutschland beschloss deswegen 2022, dass ukrainische Flüchtlinge automatisch als anerkannte Asylbewerber gelten. Damit haben sie unter anderem Anspruch darauf, einen Job aufzunehmen, aber eben auch auf dieselben Sozialleistungen wie Einheimische – also Bürgergeld. Da sie technisch nicht als Asylbewerber gelten, können ihnen demnach auch keine Asylbewerber-Leistungen gezahlt werden.

Genau das möchte die Koalition jetzt ändern. Am Status von Ukrainern, die bereits im Land sind, lässt sich rechtlich nichts ändern, doch neue Flüchtlinge – die eben nach dem 1. April 2025 gekommen sind – sollen wieder dem Asylbewerber-Leistungsgesetz zugeordnet werden. Flüchtlinge, die vorher nach Deutschland kamen, sollen nach Ablauf ihres Schutzstatus rechtlich als Asylbewerber behandelt werden.

Was ist die Intention dahinter?

Die Union verfolgt mit der Änderung zwei Ziele. Zum einen soll schlicht Geld gespart werden. Der Bürgergeld-Satz für einen Erwachsenen liegt derzeit bei 563 Euro im Monat, im Asylbewerberleistungsgesetz sind es nur 441 Euro. Augenscheinlich spart der Staat also Geld. Vergangenes Jahr flossen laut einer Kleinen Anfrage der AfD rund 6,3 Milliarden Euro Bürgergeld an Ukrainer – das sind rund 13 Prozent aller Bürgergeldkosten. Zudem wird im Asylbewerberleistungsgesetz das Vermögen von Ukrainern weniger geschont. Hier müssen sie es bis auf 200 Euro abbauen, im Bürgergeld liegt das Schonvermögen bei bis zu 40.000 Euro. Gespart werden soll auch an der Gesundheitsversorgung. Bürgergeld-Empfänger sind voll gesetzlich krankenversichert, für Asylbewerber gilt eine eingeschränkte Versorgung.

Der zweite Grund ist, dass in Deutschland vergleichsweise wenig ukrainische Flüchtlinge arbeiten. Laut Bundesagentur für Arbeit lag die Beschäftigungsquote im Frühjahr bei rund 40 Prozent, Tendenz steigend. In anderen EU-Ländern ist die Quote teils deutlich höher, aber selbst die Spitzenreiter Litauen und Dänemark kommen nur auf 57 beziehungsweise 53 Prozent. Dass die Quote in Deutschland niedriger ist, liegt laut Unionspolitikern auch daran, dass das Bürgergeld ein zu starker Anreiz sei, nicht zu arbeiten. Geringere Leistungen sollen also eine Art Peitsche sein, die Ukrainer antreibt, sich einen Job zu suchen.

Was ist die Kritik an dem Gesetz?

An der Annahme, dass Ukrainer nicht arbeiten, weil es ihnen mit Bürgergeld zu gut geht, ist relativ wenig dran. Stattdessen zeigen Studien etwa der Bundesagentur für Arbeit, dass sprachliche Hürden und die mangelnde Anerkennung ausländischer Abschlüsse das Hauptproblem sind. So gibt es in Deutschland logischerweise kaum ukrainisch-sprachige Jobs, aber auch mit Englisch kommen Ukrainer kaum weiter. Um Deutsch auf einem Niveau zu lernen, dass für normale Bürojobs zum Beispiel reicht, braucht es aber Jahre.

Zudem wird ihnen die Jobsuche mit dem Wechsel zum Asylbewerbergesetz sogar erschwert. Für Bürgergeld-Empfänger ist das Jobcenter zuständig, dessen einzige Aufgabe es eben ist, Menschen in Arbeit zu vermitteln. Es kann dazu auch passende Sprach- und Integrationskurse vermitteln. 2023 hatte die Ampel-Regierung dafür einen „Job-Turbo“ beschlossen. Der wird hoch gelobt. 

Job-Turbo hoch gelobt

Eine Studie des Immigration Policy Lab (IPL) aus der Schweiz kam im Oktober zu dem Ergebnis, man habe in 15 Jahren Analysen noch nie so große positive Effekte bei der Integration von Ausländern gesehen wie durch diese Maßnahme. Von März 2023 bis März 2025 habe sich die Zahl der Ukrainer mit einem Job mehr als verdoppelt. Gleichzeitig sei das meist durch neu geschaffene Stellen geschehen, nicht dadurch, dass etwa Deutsche oder EU-Bürger verdrängt wurden.

Mit dem Leistungsrechtanpassungsgesetz wären Ukrainer vom Job-Turbo ausgeschlossen. Für sie wäre dann nicht mehr das Jobcenter, sondern die Ausländerbehörden und Sozialämter zuständig. Die können zwar auch Sprach- und Integrationskurse vermitteln, sie sind aber nicht primär dafür zuständig, Flüchtlinge in Arbeit zu bringen.

Okay, aber sparen wir zumindest Geld?

Auch das stimmt nicht. Zwar erhalten Ukrainer als Asylbewerber weniger direkte Leistungen – eben 441 statt 563 Euro – doch auf der anderen Seite muss der Staat anderweitig mehr bezahlen. Im Gesetzesentwurf geht die Regierung davon aus, dass durch die Maßnahme in den Jahren 2026 und 2027 rund 1,45 Milliarden Euro beim Bürgergeld eingespart werden. Hinzu kommen rund 242 Millionen Euro durch geringere Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie Hilfen zum Lebensunterhalt.

Auf der anderen Seite verursacht das Gesetz aber 1,769 Milliarden Euro Mehrkosten im Asylbewerberleistungsgesetz. Im Saldo müsste der Staat also sogar rund 77 Millionen Euro mehr bezahlen als bisher. Das liegt hauptsächlich daran, dass die Verwaltungskosten steigen. 

Die Ausländerbehörden und Sozialämter müssen eben die zusätzliche Last von Hunderttausenden Fällen auch erst einmal stemmen. Hauptsächlich werden diese Kosten nur verschoben. Was bisher der Bundeshaushalt zahlte, müssen jetzt die Kommunen übernehmen. „Diese zusätzlichen Kosten auf keinen Fall bei den Städten hängenbleiben“, sagt Christian Schuchardt, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. Der Verband fordert daher eine Erstattung der Kosten durch den Bund.