Anrufe mit der internationalen Vorwahl +44 stammen grundsätzlich aus dem Vereinigten Königreich – oder sollen zumindest so wirken. Das Kernproblem hierbei ist, dass Betrüger ihre Rufnummer mit moderner VoIP-Technik sehr leicht fälschen können („Caller ID Spoofing“), sodass auf dem Display eine scheinbar seriöse +44-Nummer erscheint, obwohl aus ganz anderen Ländern oder aus einem Callcenter mit kriminellem Hintergrund angerufen wird.
Häufig greifen Kriminelle zu Nummern mit der Vorwahl +44
Viele Menschen verbinden Großbritannien mit bekannten Banken, Zahlungsdienstleistern, Onlineshops oder Tech-Konzernen. Deshalb sind sie weniger misstrauisch, wenn sie einen Anruf mit einer solchen Nummer erhalten. Gleichzeitig nutzen internationale Betrugsnetze britische oder „britisch aussehende“ Nummernblöcke, weil sie vergleichsweise leicht zu bekommen sind – teils sogar automatisiert.
Es ist dabei wichtig, zu beachten, dass die Vorwahl +44 nicht automatisch Betrug bedeutet. Sie ist aber zu einem häufig genutzten Werkzeug von Anrufbetrügern geworden, weil sie Seriosität suggeriert und es Cyberkriminellen erlaubt, ihre tatsächliche Herkunft zu verschleiern.
Prof. Dr. Dennis-Kenji Kipker ist Jurist und Informatiker. Als Direktor des cyberintelligence.institute forscht und berät er international zu Cybersicherheit, digitaler Resilienz sowie IT-Recht in China und den USA. Er ist Teil unseres Experts Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.
Typische Maschen, die Betrüger nutzen, um Verbraucher mit solchen Anrufen zu täuschen
Typische Maschen solcher Anrufer folgen fast immer demselben Muster: maximale Dringlichkeit, hoher emotionaler Druck und das Versprechen, ein Problem sofort lösen zu können. Hierfür müssen Verbraucher angeblich jetzt gleich etwas tun.
Häufig geben sich die Täter als Mitarbeiter von Banken, Zahlungsdienstleistern, Paketdiensten, vermeintlichen „Europol/Interpol“-Stellen, Microsoft-/Apple-Support oder angeblichen Sicherheitsabteilungen aus. Geschichten wie „Ihr Konto wurde gehackt“, „es gab eine verdächtige Abbuchung“, „Ihre Karte wird gleich gesperrt“, „es gibt ein Strafverfahren gegen Sie“ oder „Ihr Paket hängt im Zoll fest“ werden oft als Vorwand genutzt.
Kriminelle wollen an sensible Daten gelangen
Betroffene sollen dazu gebracht werden, TANs oder Login-Daten herauszugeben, eine „Sicherheitssoftware“ zu installieren (die in Wahrheit Fernzugriff erlaubt) oder auf Links zu klicken, die auf Phishing-Seiten führen. Mit einer oft routiniert wirkenden Stimme, die freundlich erscheint und manchmal einen leichtem ausländischem Akzent hat, wollen die Betrüger seriös erscheinen und keine Zeit zum Nachdenken lassen.
Das kann passieren, wenn Sie persönliche Daten an unbekannte Anrufer übermitteln
Verbraucher werden mit erheblichen Risiken konfrontiert, sobald sie auf solche Anrufe reagieren oder persönliche Daten preisgeben.
- Bereits das Nennen von Adresse, Geburtsdatum oder Kundennummern kann zum Identitätsdiebstahl führen, oder es Kriminellen ermöglichen, in Kombination mit bereits im Netz kursierenden Daten sehr glaubwürdige Betrugsangriffe zu starten.
- Besonders kritisch wird es für Verbraucher, wenn Zugangsdaten zu Online-Banking, Mailkonten oder Kundenportalen preisgegeben werden. Das kann zu leeren Konten, Kreditkartenmissbrauch, Bestellungen auf fremden Namen oder sogar Kreditaufnahmen führen.
- Außerdem sollen Betroffene dazu gebracht werden, Fernwartungssoftware zu installieren. Dann können Täter den Rechner durchsuchen, weitere Zugangsdaten abgreifen oder Schadsoftware nachladen.
Auch wenn die Anrufer kein Geld von ihren Opfern gestohlen haben, kann ein einmal kompromittiertes Konto langfristig für Betrug, Spam oder weitere Angriffe missbraucht werden. Der psychische Stress kann ebenfalls belastend sein: Scham, Angst und Misstrauen sich selbst gegenüber sind typische Folgen, wenn man merkt, hereingefallen zu sein. Die Täter setzen darauf, denn viele Opfer zögern dann, Hilfe zu suchen oder Anzeige zu erstatten.
Betrugsanrufe: So können Sie sich schützen
Es ist wichtig, das eigene Bauchgefühl ernst zu nehmen und einige klare Verhaltensregeln konsequent zu befolgen. Unbekannte Auslandsvorwahlen – auch +44 – sollten grundsätzlich mit Vorsicht behandelt werden: Nehmen Sie solche Anrufe nur an, wenn ein konkreter Bezug nach Großbritannien besteht, und legen Sie sofort auf, wenn Druck aufgebaut wird oder die Anrufer nach sensiblen Daten fragen.
Seriöse Banken, Behörden oder Unternehmen fordern niemals am Telefon PINs, TANs, vollständige Kreditkartendaten oder Passwörter. Außerdem drängen sie nicht dazu, spontan Software zu installieren oder auf Links in SMS/WhatsApp zu klicken. Im Zweifel sollten Sie auflegen, die offiziell bekannte Nummer des Unternehmens selbst heraussuchen und dort zurückrufen. Dabei sollte nicht die Nummer aus der SMS oder aus dem Anrufprotokoll verwendet werden.
So sollten Sie reagieren, wenn Sie Daten preisgegeben haben
Außerdem besteht die Möglichkeit, Spam-Anrufe beim Anbieter und bei der Bundesnetzagentur zu melden und die entsprechende Nummer auf dem Smartphone zu sperren. Falls Sie bereits Daten preisgegeben haben, sollten Sie sofort Ihre Passwörter ändern, das Online-Banking informieren, Konten überwachen und im Zweifel Strafanzeige erstatten. Je schneller Sie handeln, desto größer ist die Chance, finanzielle Schäden zu begrenzen und weiteren Missbrauch zu verhindern.