33 Tage lang lag ein ukrainischer Soldat offenbar schwerverletzt auf dem Schlachtfeld. Eine Landmine hatte ihm den Fuß zerfetzt. Der Mann hatte sich ein Tourniquet angelegt - das ist ein Abbindesystem, das bei Verletzungen mit starken Blutungen eingesetzt werden kann.
Sechs Rettungsmissionen scheiterten. Trotzdem starb der Mann nicht. Ein unbemanntes Fahrzeug, genannt "Sarg auf Rädern", rettete ihm das Leben.
Der gepanzerte Roboter soll es durch die "Todeszone" geschafft haben, in der Drohnen und Minen fast jede Bewegung unmöglich machen. Über die spektakuläre Rettung berichtet der britische "Telegraph".
"Wenn der Kämpfer nicht aufgegeben hat, haben wir auch kein Recht dazu"
Fünf Stunden und 58 Minuten dauerte es dem Bericht zufolge, zu dem Mann durchzudringen. "Wenn der Kämpfer nicht aufgegeben hat, haben wir auch kein Recht, hinzuwerfen", sagten die Sanitäter des Ersten Separaten Medizinbataillons der Ukraine, die die Rettung durchführten, dem "Telegraph".
Videoaufnahmen zeigen den sargförmigen Geländeroboter, wie er durch russisches Gebiet navigiert. Währenddessen wird auf ihn geschossen. Wo genau die Rettungsmission stattfand, bleibt unklar. Deutlich werden aber die rasanten Fortschritte im Bereich Robotik an der Front.
Immerhin handelt es sich um hochgefährliche Bereiche. Soldaten werden regelmäßig durch Drohnen "eingeschlossen". Truppenrotationen und längere Versorgungseinsätze sind nahezu unmöglich, wenn schon kleinste Bewegungen gegnerische Attacken auslösen können.
Vor allem Splitterverletzungen und Gliedmaßen-Verlust
Es gibt zahlreiche Berichte über die Bergung und Betreuung verletzter Soldaten im Ukraine-Krieg. Anfang des Jahres veröffentlichte die Deutsche Presse-Agentur (dpa) einen Beitrag über einen Deutschen namens Michael, der als Sanitäter an der Front arbeitet.
Er war für die polnische Sanitätsorganisation "W miedzyczasie" (deutsch: "In der Zwischenzeit") tätig, die bei der Evakuierung verletzter Soldaten von der Frontlinie hilft. Damals erzählte er, dass die Sanitäter durch den starken Artillerie- und Drohneneinsatz vor allem mit Splitterverletzungen und dem Verlust von Gliedmaßen zu tun hätten.
Michael versorgte sowohl ukrainische als auch russische Verletzte. "Das hat für uns nie einen Unterschied gemacht, denn das steht mir in meinen Augen als Sanitäter nicht zu, so etwas zu entscheiden", sagte er der dpa.
Kowal vom Medizinbataillon: "Das Gebiet ist eine Todeszone"
Klar ist: Wer Verletzte aus Gebieten an der Front retten will, bringt sich schnell selbst in Gefahr. Das zeigt der aktuelle Fall, über den der "Telegraph" berichtet.
Wolodymyr Kowal vom Ersten Medizinbataillon beschrieb das Gebiet, aus dem der Ukrainer geborgen wurde, im Gespräch mit der britischen Zeitung als Areal "mit einer sehr hohen Dichte feindlicher Drohnen in der Luft, zahlreichen Minen und Hindernissen sowie lauernden Drohnen". Also solchen, die am Boden liegen und auf feindliche Bewegungen warten.
Beim "Sarg auf Rädern" handelt es sich um eine sogenannte MAUL-Bodendrohne. Viele der beschriebenen Gefahren können ihr nichts anhaben. Der Roboter wurde speziell dafür entwickelt, verwundete Soldaten aus Positionen zu evakuieren, die für Sanitäter zu gefährlich zu erreichen sind.
Auf dem Weg zum Verletzten explodierte laut "Telegraph" eine Antipersonenmine. Sie zerfetzte dem "Sarg" ein Rad, der jedoch einfach weiterfuhr. Später stieg der verwundete Soldat in die gepanzerte Kapsel des Roboters, legte sich hin und verriegelte sie von innen.
Auf dem Rückweg kam es zum Drohnenangriff
Auf dem Rückweg kam es offenbar zu einer weiteren bedrohlichen Situation. Genauer gesagt: einem Drohnenangriff "auf dem Weg zu dem Übergabepunkt, an dem das Medevac-Team wartete. Der verwundete Soldat blieb [trotz des Angriffs] unverletzt, da er sich in der gepanzerten Kapsel befand", so Kowal.
Letztlich entfernten Militärsanitäter das Tourniquet, das sich der Mann angelegt hatte, wie im "Telegraph"-Bericht zu lesen ist. Sie amputierten das verletzte Bein. Der Mann soll sich zur Rehabilitation in Kiew befinden.
An seiner Rettungsmission waren Kowal zufolge Dutzende Personen beteiligt: "Piloten, Navigatoren, die Planungsgruppe, Drohnenoperatoren für die Überwachung, Spezialisten unterstützender Einheiten und das medizinische Evakuierungsteam, das bereitstand, um den verwundeten Soldaten zu übernehmen", sagte er.