„Gestrandet“ im Weltall: Astronauten hoffen auf „Rettungsboot“

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Ohne Fluchtmöglichkeit gefangen im Orbit: Drei Chinesen befinden sich ohne Raumschiff an Bord der Raumstation Tiangong. Das „Rettungsboot“ soll aber bald starten.

München – China wird Berichten zufolge am 25. November ein unbemanntes Raumschiff zur Raumstation Tiangong schicken, um drei Astronauten, die dort „gestrandet“ sind, ein Rettungsboot zu liefern. Die Shenzhou-21-Besatzung ist seit dem 14. November ohne funktionsfähiges Notfall-Evakuierungsfahrzeug im Orbit – eine beispiellose Situation für das chinesische Raumfahrtprogramm. Grund ist ein Weltraumschrott-Treffer, der das Shenzhou-20-Raumschiff beschädigte und eine komplexe Rettungsaktion auslöste.

Die drei Chinesen, die Anfang November mit dem Raumschiff „Shenzhou 21“ zur chinesischen Raumstation Tiangong geflogen sind, müssen dort jetzt ohne Notfall-Raumschiff ausharren. Ihr Raumschiff ist längst wieder auf der Erde.
Die drei Chinesen, die Anfang November mit dem Raumschiff „Shenzhou 21“ zur chinesischen Raumstation Tiangong geflogen sind, müssen dort jetzt ohne Notfall-Raumschiff ausharren. Ihr Raumschiff ist längst wieder auf der Erde. © Lian Zhen/dpa/XinHua

Die Probleme begannen Anfang November, als Weltraumschrott das Orbitalmodul der Shenzhou-20-Kapsel traf. Die drei Astronauten Chen Dong, Chen Zhongrui und Wang Jie sollten ursprünglich am 5. November nach einem sechsmonatigen Aufenthalt zur Erde zurückkehren. Doch nach einer Woche Inspektion und Analyse entschieden die Missionsleiter: Das beschädigte Raumschiff ist nicht mehr flugtauglich.

Unkonventionelle Lösung – doch jetzt sind drei Astronauten ohne „Rettungsboot“ auf der Raumstation

Die Lösung war unkonventionell: Am 14. November kehrte die Shenzhou-20-Crew mit dem Raumschiff Shenzhou-21 zur Erde zurück – jenem Vehikel, das gerade erst die neue Besatzung zur Station gebracht hatte. Nach 204 Tagen im All landeten die drei Astronauten sicher in der Inneren Mongolei. Das beschädigte Shenzhou-20-Raumschiff blieb an Tiangong angedockt zurück.

Dieser Notfall-Plan schuf jedoch ein neues Problem: Die drei Shenzhou-21-Astronauten, die eigentlich für eine sechsmonatige Mission an Bord bleiben sollen, haben nun kein funktionsfähiges Raumschiff mehr für eine Notfall-Evakuierung. Gibt es an Bord einen katastrophalen Notfall wie beispielsweise ein Druckverlust oder Feuer, wäre das angedockte Raumschiff die Rettung für die Astronauten – nur ist dieses Raumschiff defekt. Es ist das erste Mal seit Beginn der sechsmonatigen Crew-Rotationen im Jahr 2021, dass die chinesische Raumstation ohne ein einsatzbereites Evakuierungsfahrzeug operiert.

Nächstes Raumschiff soll früher und ohne Besatzung zur Raumstation aufbrechen

Die Lösung kommt in Form von Shenzhou-22, einem Raumschiff, das ursprünglich erst im April oder Mai 2026 starten sollte. Laut Zhou Yaqiang, einem Vertreter des chinesischen Büros für bemannte Raumfahrt (CMSEO), wird Shenzhou-22 nun unbemannt zur Station fliegen, berichtet SpaceNews. An Bord: Lebensmittel und Vorräte für die Astronauten sowie Ausrüstung für die Raumstation. Offiziell bestätigt wurde der Plan bisher nicht – ein am 17. November veröffentlichter Luftsperrungshinweis deutet jedoch auf einen Raketenstart um 04:10 UTC am 25. November vom Jiuquan Satellite Launch Center in der Wüste Gobi hin.

Eine echte Gefahr für die Raumfahrt: Weltraumschrott im Erdorbit

Weltraumschrott ist in der Raumfahrt mittlerweile zu einem gewaltigen Problem geworden. Er entsteht unter anderem, wenn Raumfahrzeuge oder Satelliten im Weltall zerbrechen oder ausgemusterte Raketenstufen im Orbit bleiben. Nach Angaben der europäischen Weltraumorganisation ESA wird im Erdorbit derzeit folgender Weltraumschrott beobachtet: 54.000 Weltraumobjekte, die größer als zehn Zentimeter sind (inklusive etwa 9300 aktive Nutzlasten), 1,2 Millionen Weltraumschrott-Objekte zwischen einem und zehn Zentimetern Größe sowie 140 Millionen Weltraumschrott-Objekte zwischen einem Millimeter und einem Zentimeter Größe.

Weltraumschrott lässt chinesische Astronauten wochenlang ohne Raumschiff im All ausharren

Der Vorfall unterstreicht die zunehmende Gefahr durch Weltraumschrott. Auch Missionen zur Internationalen Raumstation ISS waren in der Vergangenheit von Weltraummüll betroffen – allerdings musste aus diesem Grund bisher noch kein Raumschiff ausgetauscht werden. Trotzdem saß erst im vergangenen Jahr ein NASA-Astronauten-Team ohne Rückkehrmöglichkeit auf der ISS fest: Die beiden flogen mit dem „Starliner“-Raumschiff von Boeing zur Raumstation, um es zu testen. Doch zurückfliegen durften sie mit ihm aus Sicherheitsgründen nicht mehr – sie mussten ein halbes Jahr länger an Bord bleiben.

Verlängern wird der Weltraumschrott-Zwischenfall die Mission der aktuellen Tiangong-Besatzung wohl nicht – bis zum Start von Shenzhou-22 werden allerdings fast drei Wochen vergangen sein, seit die Risse im Shenzhou-20-Raumschiff entdeckt wurden – drei Wochen, in denen die Astronauten im Notfall nicht schnell evakuiert werden könnten. (Quellen: SpaceNews, eigene Recherche) (tab)