Die Repressionswelle in Russland trifft nun jene, die Präsident Wladimir Putin am lautesten bejubeln: die ultranationalistischen Militärblogger, kurz Z-Blogger. Die Online-Korrespondenten, die den Ukraine-Krieg seit fast vier Jahren kompromisslos unterstützen, wurden lange Zeit geduldet, wenn sie auch Kritik an der Kriegsführung übten. Doch die Toleranz des Kremls scheint beendet.
Jüngstes spektakuläres Opfer ist Roman Alekhin, Betreiber eines hetzerischen Pro-Kriegs-Telegram-Kanals und Träger militärischer Auszeichnungen. Er wurde vom russischen Staat zum „Fremden Agenten“ erklärt – ein Label mit Stalin-Ära-Konnotationen, das einst nur für Staatsfeinde reserviert war.
Putins „Maschinerie der Repression frisst die eigenen Leute“
Alekhins dramatischer Fall verbreitet Angst in der Online-Gemeinschaft. Beobachter sehen darin ein klares Signal: Nicht einmal die treuesten Kriegs-Kritiker sind mehr vor dem Regime sicher.
Auch andere prominente Propagandisten gerieten ins Visier:
- Der prominente Kreml-Experte Sergey Markov wurde im August ebenfalls als „Fremder Agent“ gelistet. Experten vermuten, er wurde wegen seiner offenen Unterstützung Aserbaidschans bestraft.
- Die Pro-Kriegs-Propagandistin Tatyana Montyan landete Ende Oktober auf Russlands Liste der „Terroristen und Extremisten“ – wegen angeblicher Veruntreuung von Spendengeldern für die Front.
- Oksana Kobeleva, Gründerin eines führenden Telegram-Kanals, wurde wegen „Diskreditierung des Militärs“ festgenommen, nachdem sie einen tschetschenischen Kommandeur kritisiert hatte.
Alle Fälle signalisieren, dass der Kreml nicht mehr nur Oppositionelle verfolgt, sondern sich nun traditionellen Unterstützern zuwendet, die unbequeme Wahrheiten über die Zustände an der Front verbreiten.
Russland: Experten warnen vor totalitärem System
Die Z-Blogger sind für den russischen Staat nützlich, da sie Spenden mobilisieren und Unterstützung für den Krieg befeuern. Gleichzeitig sind sie gefährlich, da sie eine alternative, oft kritischere Informationsquelle zur offiziellen Kreml-Version darstellen.
Russland-Analyst Keir Giles vom Chatham House fasst die Lage gegenüber dem britischen „Telegraph“ zusammen: „Diese Art des Dissenses wäre, wenn sie gegen das politische System gerichtet gewesen wäre, schon lange mit Repressalien belegt worden. Dieses Ventil wurde nun geschlossen.“
Der britisch-russische Oppositionsaktivist Wladimir Kara-Murza, der 2024 in einem Gefangenenaustausch freigelassen wurde, warnt im „Telegraph“ vor einer sich wiederholenden Geschichte: „Schauen Sie zurück auf die Sowjetunion unter Stalin: Zuerst gingen sie gegen ihre politischen Feinde vor, und dann begann das System, seine eigenen Leute zu verschlingen.“
Kontrolle über das Internet verschärft sich
Das Regime nutzt das Gesetz der „Fremden Agenten“ immer umfassender. War es ursprünglich für Organisationen gedacht, kann es laut Expertin Tatiana Stanovaya vom Carnegie Russia Eurasia Centre nun „gegen jeden angewandt werden“. Die Folgen sind gravierend: öffentliches Stigma, Berufsverbote und die Pflicht, alle Inhalte als „Fremdagentenmaterial“ zu kennzeichnen.
Parallel dazu baut Russland die Kontrolle über soziale Medien aus. Plattformen wie Facebook und Instagram sind bereits blockiert. Nun werden auch WhatsApp und Telegram zunehmend eingeschränkt, während staatlich kontrollierte Kanäle bevorzugt werden. Der Cyberspace wird zensiert und zur Waffe der staatlichen Kontrolle gemacht.