Burgrain-Prozess: Polizist berichtet über brisantes Gutachten – „Bahndamm wie ein Wackelpudding“

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Maroder Bahndamm: Aufnahme nach dem Unglück. Unten verläuft der Katzenbach. © Dominik Bartl

Im Prozess zum Zugunglück Burgrain kommt der Streckenzustand zur Sprache. Ein Polizist berichtet über die Ermittlungen. Unter anderem wurden 83 Lokführer vernommen.

Im Prozess zum Bahnunglück von Garmisch-Partenkirchen vom Juni 2022 sind nun erstmals auch die Mängel am gesamten Bahndamm zur Sprache gekommen. Das Münchner Landgericht vernahm als Zeugen den damaligen Hauptsachbearbeiter der Kripo Weilheim. Thomas B. berichtete über die sehr umfangreichen Ermittlungen der Polizei, die gleich nach dem Unglück die gesamte Bahnstrecke zwischen Garmisch-Partenkirchen und der Unglücksstelle abging und per Video dokumentierte. Schon dabei seien zahlreiche offenbar schadhafte Bahnschwellen festgestellt worden. Nach Anweisung eines Gutachters wurden schließlich 125 der Schwellen sichergestellt und in einem Lager der Bahn in Weiden archiviert. Risse in Bahnschwellen sollen nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft die Hauptursache des Zugunglücks mit fünf Toten und 76 Verletzten gewesen sein.

Gutachten zum Bahndamm

Jedoch bemerkten die Beamten damals auch Auffälligkeiten am Oberbau. So war die Schotterung mit 70 Zentimetern viel höher als normal. Üblich sind 30 bis 50 Zentimeter. Es gab den Verdacht, dass „das ganze Grundgerüst nicht mehr funktionieren konnte“, sagte der Polizist. Für die Unglücksstelle gab die Polizei auch ein Gutachten bei einer Münchner Fachfirma namens Ground Control in Auftrag. Unter anderem mit Rammkernbohrungen und 60 Bodenproben wurde der fünf Meter hohe Bahndamm untersucht. „Der Bahndamm ist teilweise wie ein Wackelpudding“, gab der Polizist eine Kernaussage des Gutachtens wider. Genau das hält der Bahnkritiker Dieter Doege für die tiefere Ursache des Unglücks (wir berichteten).

Auch die Richtlinien der Bahn zur Standhaftigkeit von Bahnschwellen nahm die Polizei unter die Lupe. Dafür führ B. sogar nach Frankfurt und vernahm den Autor, der 2015 eine Richtlinie entschärft hatte. So gab es statt fünf nur noch drei Stufen für festgestellte Schäden. Auch wurde die zulässige Breite von Rissen in Bahnschwellen erweitert. Ihm leuchte das bis heute nicht ein, sagte der Polizist, es sei „nicht schlüssig“.

Lokführer bremste von sich aus ab

Als zweiter Zeuge wurde ein Polizist vernommen, der nach dem Unglück insgesamt 83 Lokführer vernommen hatte. Sie waren in dem guten Monat vom 1. Mai bis 3. Juni 2022 über die Unfallstelle gefahren. Gut ein Drittel gab an, der Zustand des Werdenfels-Netzes sei von ihnen als „marode bis katastrophal“ eingeschätzt worden. Zwei berichteten, sie hätten am 25. Mai und 1. Juni Unregelmäßigkeiten an der späteren Unglücksstelle bemerkt, es aber nicht gemeldet. Ein Lokführer auf dr Fahrt nach München gab am Abend vor dem Unglück gegen 20.15 Uhr den bekannten Funkspruch an den nun angeklagten Fachdienstleiter ab, wonach die Strecke einen „Schlenkerer“ habe. Wie berichtet, gab der Fahrdienstleister das aber nicht weiter. Ergänzend berichtete der Polizist, dass der Lokführer am Spätabend noch einen Zug nach Garmisch-Partenkirchen zurück gefahren habe und von sich aus an der Stelle sicherheitshalber auf 80 km/h abgebremst habe. Erlaubt waren 100 km/h. Der Prozess dauert an.