Autofahrer sollten jetzt handeln - das bedeutet die neue EU-Datenschutzverordnung

Ein modernes Auto ist ein wahres Rechenzentrum auf Rädern, das pro Stunde Gigabytes an Daten produziert. Standort, Fahrweise, Zustand der Komponenten, Nutzung von Infotainment-Systemen – die Menge an Informationen ist gigantisch. 

Doch während Sie am Steuer sitzen, floss der Großteil dieser Daten lange Zeit ausschließlich in geschlossene Systeme, kontrolliert von den Fahrzeugherstellern.

Mit dem EU Data Act (Verordnung (EU) 2023/2854), der seit dem 12. September 2025 gilt, geht diese Ära des Datenmonopols zu Ende. 

Dieses bahnbrechende Gesetz ist nicht nur ein bürokratischer Akt, sondern eine echte digitale Revolution, die die Karten im gesamten Mobilitätssektor neu mischt und die Datensouveränität angeblich endlich den Nutzern zuschreibt.

Die Kernbotschaft: Kontrolle und Zugang für den Fahrzeughalter 

Der Data Act verfolgt das zentrale Ziel, fairen Wettbewerb zu schaffen und Innovationen zu fördern, indem er den Zugang zu den generierten Daten öffnet. 

Für den Fahrzeughalter bedeutet dies konkret:

1. Das umfassende Recht auf Ihre Daten (Zugang und Transparenz)

Der Hersteller ist nun gesetzlich verpflichtet, Ihnen kostenlosen, einfachen und transparenten Zugang zu den durch die Nutzung des Fahrzeugs generierten Daten zu gewähren. 

Dies umfasst zwei Hauptkategorien:

  • Produktdaten: Technische Informationen direkt aus dem Fahrzeug, wie Diagnosedaten, Fehlerspeicher, Kilometerstände, Abnutzungsgrade oder der Zustand der Batterie, gerade wichtig bei E-Fahrzeugen.
  • Verbundene Dienstdaten: Informationen, die bei der Nutzung von In-Car-Apps oder herstellereigenen Services entstehen (z.B. Routen- oder Ladedaten).

Diese Daten müssen Ihnen in einem strukturierten, gängigen und maschinenlesbaren Format zur Verfügung gestellt werden. 

Zudem haben Sie ein Recht auf umfassende Information vor Vertragsabschluss: Sie müssen wissen, welche Daten erhoben, wie sie verwendet und wie sie gespeichert werden.

2. Die Macht der Weitergabe (Der freie Datenaustausch)

Der wohl wichtigste Punkt ist Ihr Recht, diese Daten nach Belieben an Dritte weiterzugeben. 

Dies schafft erstmals die Grundlage für einen fairen Wettbewerb im Zubehör-Markt und in der digitalen Mobilität:

  • Stärkung der freien Werkstätten: Bisher mussten freie Werkstätten oft um essentielle Diagnosedaten kämpfen oder waren auf teure, herstellerspezifische Tools angewiesen.
  • Mit dem Data Act können Sie die relevanten Daten direkt an Ihre Werkstatt des Vertrauens übermitteln.
  • Dies verspricht effizientere Reparaturen, schnellere Fehlerdiagnosen und potenziell niedrigere Kosten, da die Abhängigkeit von der Markenwerkstatt sinkt.
  • Individuellere Versicherungsangebote: Sie können Ihre Fahrdaten an Versicherungen weitergeben, um basierend auf Ihrem tatsächlichen Fahrverhalten (Telematik-Tarife) Prämienvorteile zu erhalten.
  • Innovative Services: Der Weg ist frei für neue, verbraucherfreundliche Apps und Dienste von Drittanbietern. Denken Sie an unabhängige Flottenmanagement-Lösungen, optimierte Navigationsdienste basierend auf Echtzeit-Fahrzeugzuständen oder spezialisierte Apps für E-Auto-Akkudiagnosen, die bisher am Datenzugang scheiterten.

 

Was Autofahrer jetzt tun sollten

Der Data Act ist geltendes EU-Recht und Hersteller sind verpflichtet, entsprechende Portale und Zugänge einzurichten. Viele Unternehmen informieren bereits aktiv auf ihren Webseiten über sogenannte EU Data Act Portale. Nehmen Sie das Steuer über Ihre Fahrzeugdaten in die Hand! 

Der EU Data Act ist Ihr Werkzeugkasten für mehr Transparenz, mehr Wettbewerb und echte Wahlfreiheit. Doch wo Licht ist, ist leider auch Schatten.

Wo liegen die Risiken des EU Data Act im Bereich von Fahrzeugen?

Probleme sehe ich unter anderem im Bereich datenschutzrechtlicher Konflikte. Fahrzeugdaten sind häufig personenbezogen oder zumindest personenbeziehbar. In diesen Fällen hat die DSGVO Vorrang. Die Hersteller müssen die Daten-Bereitstellungspflicht mit den strengen Vorgaben der DSGVO (beispielsweise den Grundsatz der Datenminimierung und der Notwendigkeit, eine klare Rechtslage für die Datenverarbeitung bereitzustellen) in Einklang bringen.

Die Hersteller müssen einen hohen technischen und vertraglichen Umsetzungsaufwand leisten - schließlich müssen die Produktdaten in einer Form bereitgestellt werden, die einerseits sicher, zweitens maschinenlesbar und drittens in gleicher Qualität wie beim Dateninhaber vorhanden ist.

Liefer- und Entwicklungsverträge mit Zulieferern sowie Lizenzverträge müssen überprüft und angepasst werden. 

Es wurden bereits Forderungen nach sektorspezifischen Regulierungen laut. So sieht der ADAC den Data Act als eine Grundsatzregelung, die jedoch die spezifischen, komplexen Anforderungen der Fahrzeugarchitektur und des Kfz-Marktes (Reparatur, Versicherung, digitale Dienste im Fahrzeug) keinesfalls ausreichend gelöst hat.

Noch so eine Datenkrake: OBCFM

Wenn es schon um Daten geht, darf meines Erachtens eine etwas ältere Regulierung der Datenströme nicht fehlen. Die Rede ist von der EU-Verordnung OBCFM.

Hier pendelt man zwischen Transparenz und trojanischen Pferd, was meine weiteren Ausführungen zeigen. Bereits 2021 erließ die EU diese Verordnung, ab 2023 wurde es bei der Hauptuntersuchungspflicht Pflicht, bestimmte Daten - etwa zum Benzinverbrauch - aus den Fahrzeugspeichern auszulesen. Dies ist ein Paradebeispiel dafür, wie gut gemeinte Regulierung zur staatlich legitimierten Datenkrake werden kann.

Die Vorteile: Das Licht am Ende der Datenspur

Aus Sicht der Gesetzgeber sind die Vorteile klar: Die gesammelten Daten – Kilometerstand, Gesamtverbrauch, bei Hybriden sogar die elektrische Reichweite – sollen helfen, die Kluft zwischen Labor-Normwerten und realem Fahrverhalten zu schließen. Das Ziel ist eine ehrlichere Klimabilanz und die Steuerung zukünftiger Umweltpolitik. Im besten Fall führt dies zu effizienteren Autos und einem gerechteren CO2-Emissionshandel.

Die Risiken: Vom Fahrer zum Datensatz

Doch diese Transparenz erkaufen wir teuer.  Das größte Risiko liegt in der De-Anonymisierung der Daten

Eigentlich sollen Daten zunächst nur statistisch an die EU übermittelt werden.
Praktisch werden sie jedoch im Rahmen der Hauptuntersuchung (TÜV) aus dem Fahrzeug ausgelesen und können über die Fahrgestellnummer (FIN) und damit über die Zulassungsdaten zumindest den Halter eines Fahrzeugs eindeutig zugeordnet werden 

Hier öffnet sich tatsächlich eine Büchse der Pandora:

1. Das Bewegungsprofil: Der Verknüpfung von Fahrverhalten und Standortdaten mit dem persönlichen Konsumprofil (Fahrstil, Ladegewohnheiten) ist Tür und Tor geöffnet.

2. Die Zweckentfremdung: Was heute zur Umweltkontrolle dient, kann morgen zur Basis für ein differenziertes Steuersystem oder zur Rechtfertigung für höhere Versicherungsprämien werden. Wer sportlich fährt oder viel verbraucht, könnte zur Kasse gebeten werden. Die Daten liegen bereit.

3. Die Umkehrung der Beweislast: Im Falle eines Unfalls oder Schadens könnten diese detaillierten Fahrdaten nicht nur dem Hersteller bei Kulanzfällen, sondern auch Gerichten oder Versicherungen zur Verfügung stehen, um gegen den Fahrer zu entscheiden. Die EU hat mit der Verordnung eine Datenstraße gebaut, deren Verkehr nicht nur die Hersteller, sondern auch staatliche Stellen legal nutzen dürfen. 

Rechtsanwalt Michael Winter studierte in Tübingen Jura und ist seit 1989 auf verkehrsrechtlichem Gebiet tätig. Als Lehrbeauftragter an der dualen Hochschule Baden-Württemberg vermittelt er seine Erfahrung auch im wissenschaftlichen Bereich. Das von ihm gegründete Unternehmen “WHW Seminar & Service” bildete seit 2001 durch interaktive Seminare eine vierstellige Zahl von Verkehrsteilnehmern unter dem Firmenmotto: “Wissen Hilft Weiter“ in den Bereichen „Verkehrssicherheit und Verkehrsrecht“ weiter. Seit Beginn der Dieselskandale klagt Winter zudem zusammen mit seinen Kooperationspartnern gegen mehrere deutsche Automobilhersteller, darunter auch Volkswagen.

Im Zuge der sogenannten OBFCM-Verordnung wird seit dem 1.1. Januar 2021 der Spritverbrauch jedes Neuwagens an die EU gemeldet. Als Fahrzueghaltr können Sie dem widersprechen - zum Beispiel beim Werkstattaufenthalt
Im Zuge der sogenannten OBFCM-Verordnung wird seit dem 1.1. Januar 2021 der Spritverbrauch jedes Neuwagens an die EU gemeldet. Als Fahrzueghaltr können Sie dem widersprechen - zum Beispiel beim Werkstattaufenthalt Viehmann

So widersprechen Sie der Datenweitergabe

Wer seine Daten schützen will, muss aktiv werden. Die Verordnung sieht vor, dass Sie der Datenübermittlung widersprechen können (Opt-Out). In der Praxis werden dadurch keinerlei individuelle Verbrauchsdaten mehr übermittelt und es soll keine Nachteile bei der Fahrzeugnutzung oder Zulassung geben. Gegebenenfalls ist jedoch der herstellerspezifische Service (Connected Cars Services) eingeschränkt.

Ein Widerspruch ist primär an den Fahrzeughersteller, sekundär an das Kraftfahrtbundesamt (KPA) zu richten. So weit die Theorie. Ich empfehle dringend, nach erfolgtem Widerspruch den für den Fahrzeughalter bestehenden Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS GVO geltend zu machen. Nur so kann überprüft werden, ob und welche Daten gespeichert und an wen sie weitergeleitet wurden bzw., dass nach dem Opt-out keine Übermittlung mehr erfolgte. 

Tatsache ist: Das vernetzte Auto ist (längst) zum gläsernen Datenträger geworden – und die jüngste EU-Regulierung hat das Fenster noch weiter als bisher aufgestoßen. Nicht alles, was im Bereich OBCFM an Daten kursiert, lässt sich über den Widerspruch unterbinden. Grunddaten, die unter anderem der Funktionsfähigkeit des Fahrzeugs im Bereich Motor/Bremse/Lenkung etc. dienen, kann man wohl nicht sperren lassen. Auf wie viele Daten man im Rahmen des eingangs behandelten EU Data Acts Zugriff erhält, bleibt abzuwarten. Der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO wird möglicherweise Aufklärung bringen.