Kommunen verschenken Milliarden – Essen zeigt, wie Solar richtig geht

Deutschland baut fleißig PV-Anlagen: Mit 16,9 Gigawatt erreichte der Ausbau 2024 einen neuen Rekord (Fraunhofer ISE, 2025). Über 28 Prozent des deutschen Stroms stammten im zweiten Quartal 2025 bereits aus Sonnenenergie (smard, 2025). Das ist ein historischer Höchststand. Doch während auf deutschen Dächern und Feldern immer mehr Solaranlagen installiert werden, klafft eine riesige Lücke: Kommunale Gebäude und Flächen bleiben weitgehend ungenutzt.

Die Zahlen sind ernüchternd: Nur 1,1 Prozent der verfügbaren Dachflächen öffentlicher Gebäude sind mit Photovoltaik ausgestattet (Viessmann Climate Solutions, 2024). Dabei könnten Rathäuser, Schulen, Schwimmbäder und Parkplätze Millionen deutsche Haushalte mit grünem Strom versorgen und den kommunalen Kassen jährlich Milliardenbeträge sparen.

Stromverbrauch von etwa 20 Millionen Haushalten

Die Stadt Essen plant, diese Lücke beim Solarausbau zu schließen. Auf dem Messeparkplatz soll ein großer Solar-Carport entstehen. Ab 2027 sollen dort 25.000 Solarmodule auf rund 50.520 Quadratmetern Strom erzeugen und etwa 5200 Tonnen CO₂ einsparen. Nach Berechnungen könnten damit rund 3000 Haushalte mit vier Personen versorgt werden. 

Bereits 2022 schätzten Experten des Fraunhofer-ISE, dass auf größeren Parkplätzen in Deutschland ein technisches Potenzial von bis zu 59 Gigawatt für Solar-Carports besteht. Voll ausgeschöpft und mit Speichern kombiniert könnte dies den Stromverbrauch von etwa 20 Millionen Haushalten decken – ein Potenzial, das viele Städte bisher kaum nutzen.

„Das Carport-Projekt leistet einen substanziellen Beitrag zur Dekarbonisierung unserer Stadt“, erklärt Jochen Sander, Geschäftsführer der EVV. „Mit rund 11 Millionen Kilowattstunden jährlich kann Essen erstmals in großem Umfang eigenen grünen Strom produzieren. Das senkt nicht nur langfristig die Energiekosten, sondern macht uns auch unabhängiger von Marktentwicklungen.“

Wenn Bürokratie die Energiewende blockiert

Doch der Weg dorthin ist steinig. Bevor auch nur ein Modul auf dem weitläufigen Messeparkplatz installiert werden kann, müssen dutzende Gutachten erstellt, Umweltauflagen erfüllt und endlose Behördengänge absolviert werden. „Wir erleben hautnah, wie viele unterschiedliche Stellen involviert sind und wie viel Zeit allein die Abstimmung kostet“, berichtet Sander. „Der Wille zur Energiewende ist da, aber die administrativen Prozesse sind häufig nicht auf solche Projekte ausgelegt.“

Bürokratische Hürden erschweren die Umsetzung von Solarprojekten erheblich. Hinzu kommen Umweltverträglichkeitsprüfungen, Genehmigungen und Nachweise zur Wirtschaftlichkeit. Diese kleinteiligen Verfahren binden immense Ressourcen und verzögern Projekte zusätzlich. Auch die Beauftragung von Gutachtern im Zusammenhang mit der Installation von PV-Anlagen erweist sich als teuer und komplex.

Ein Lichtblick: Die Stadt Essen hat einen zentralen Ansprechpartner im Geschäftsbereich Bauen und Planung benannt. Das verkürzt Abstimmungswege erheblich und ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Essen wurde Deutschland Solar-Hauptstadt

Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen bezeichnet das Projekt als wichtigen Schritt für die zukünftige Energieversorgung der Stadt. Nach seinen Worten verfügt Essen über ein großes Potenzial für Solarenergie – insbesondere auf Dächern, Parkplätzen und ungenutzten Flächen. Der geplante Solar-Carport zeige, wie sich dieses Potenzial praktisch umsetzen lässt. Bereits 2024 wurde Essen vom Energieversorger LichtBlick zur „Solarhauptstadt“ ernannt. Grundlage dafür ist eine Solar-Offensive, die der Stadtrat 2021 beschlossen hatte. Seitdem nimmt die Zahl der Photovoltaikanlagen in Essen stetig zu.

Kommunen verpassen Einsparungen in Milliardenhöhe

Der wirtschaftliche Anreiz ist enorm: Deutsche Kommunen zahlen jährlich etwa 4 Milliarden Euro für die Strom- und Wärmeversorgung ihrer Gebäude (dena). Geld, das durch die Nutzung von Solar massiv reduziert werden könnte. Eine Kilowattstunde selbst erzeugten Solarstroms kostet laut Fraunhofer-ISE je nach Anlagengröße, Investitionskosten und Standortbedingungen im Schnitt etwa acht Cent, während der Bezugspreis typischerweise bei über 20 Cent liegt.

Viele Kommunen scheuen mögliche Anfangsinvestitionen und den bürokratischen Aufwand. Fehlendes Fachpersonal, komplexe Finanzierungsmodelle und unklare Zuständigkeiten bremsen selbst motivierte Städte aus.

Warum kommunale Solaranlagen mehr als nur Kosteneinsparung bedeuten

Kommunale Photovoltaikprojekte bringen mehrere Vorteile mit sich, die über die direkten Einsparungen hinausgehen. Öffentliche Gebäude sind der optimale Verbraucher für Solarenergie. Schulen, Rathäuser und andere öffentliche Gebäude verbrauchen den meisten Strom tagsüber. Also genau dann, wenn Solaranlagen ihre höchste Leistung erbringen. So können 60 bis 80 Prozent des erzeugten Stroms direkt vor Ort genutzt werden.

Zudem steigert eine PV-Anlage den Immobilienwert. Gebäude mit Solaranlagen sind nachweislich mehr wert und erfüllen schon heute die strengeren EU-Vorgaben für öffentliche Gebäude. Das umgeht teure Nachrüstungen zu einem späteren Zeitpunkt. Ein weiterer Vorteil:  Wer seinen eigenen Strom erzeugt, ist weniger abhängig von steigenden Energiepreisen und politischen Krisen.

Hinzu kommt, dass sichtbare Solaranlagen auf Rathäusern oder Schulen zeigen, dass die Energiewende funktioniert und regen oft weitere Investitionen an. Insbesondere, wenn dadurch keine Nachteile entstehen: Solar-Carports nutzen bereits versiegelte Parkplätze doppelt. Zusätzlich können E-Ladesäulen integriert und Fahrzeuge vor Wettereinflüssen wie Hitze geschützt werden.

Kommunale Energiewende: Essen zeigt den Weg

Das Essener Solar-Carport-Projekt zeigt: Die kommunale Energiewende funktioniert, wenn die richtigen Partner zusammenarbeiten. Die Kombination aus wirtschaftlichem Nutzen und Klimaschutz macht Photovoltaik auch für andere Städte zu einer echten Chance, wenn die bürokratischen Hürden gemeistert werden.

„Deutschland hat das technische und wirtschaftliche Potenzial, seine Energieversorgung auf erneuerbare Quellen umzustellen“, betont Oberbürgermeister Kufen. „Das gelingt aber nur, wenn alle Akteure mitziehen – besonders die öffentliche Hand muss hier mit gutem Beispiel vorangehen.“

Das Essener Modell kann anderen Kommunen als Vorbild dienen. Wichtig ist vor allem dreierlei: die richtigen Partner finden, einen zentralen Ansprechpartner benennen und frühzeitig alle Genehmigungen klären. Wer heute startet, hat morgen einen Vorteil – vor allem wenn die EU-Vorschriften für öffentliche Gebäude noch strenger werden.