"Endlich verbindliche Regeln": WWF lobt EU für entschlossenen Schritt gegen Mikroplastik

Die Unternehmen der Kunststoffindustrie müssen künftig dafür sorgen, dass  Kunststoffgranulat aus ihrer Produktion nicht in die Natur gelangt. Die EU will die Umweltverschmutzung durch Mikroplastik so bis 2030 um fast ein Drittel reduzieren. Die potenziellen Auswirkungen von Mikroplastik auf die Gesundheit sind Medienberichten zufolge bisher ungeklärt. Wissenschaftler mahnen jedoch, dass schon jetzt Maßnahmen gegen mögliche Gesundheitsrisiken ergriffen werden müssten.

Jährlich werden 460 Millionen Tonnen Müll produziert

Plastikmüll gilt als eins der drängendsten Umweltprobleme. Seit 1950 wurden über zehn Milliarden Tonnen Plastik produziert, der größte Teil davon sind Einwegprodukte und Verpackungen. Jährlich kommen der UN-Umweltagentur Unep zufolge mindestens 460 Millionen Tonnen hinzu. Pro Stunde wird damit über 52.500 Tonnen Plastik produziert. Beinahe die Hälfte davon landet nach weniger als einem Monat auf dem Müll.

Nur ein Bruchteil des Plastiks wird recycelt. Die Recyclingquote von Plastikverpackungen liegt weltweit bei 14 Prozent, schreibt die Heinrich-Böll-Stiftung, andere Schätzungen gehen sogar von geringeren Werten aus. 40 Prozent des Mülls landen auf Mülldeponien und 14 Prozent in Verbrennungsanlagen. Die restlichen 32 Prozent geraten in die Umwelt, allein 80 bis 150 Millionen Tonnen Plastik treiben in den Ozeanen

Das Problem: Plastik verrottet nur über Jahrzehnte, es löst sich langsam in Mikroplastik auf, das über die Atmosphäre und über die Nahrungskette im Wasser in den menschlichen Organismus gelangt. Forscher haben Mikroplastik inzwischen auf den entlegensten Berggipfeln und in der Antarktis nachgewiesen. Im vorigen August scheiterte erneut ein Versuch der UN-Staaten, sich darauf zu einigen, weniger Plastik zu produzieren, am Widerstand der erdölproduzierenden Staaten wie den USA, Russland und den Golfstaaten. 

Plastikverschmutzung
Damit soll nach dem Willen der EU Schluss sein: Plastikmüll soweit das Auge reicht. Getty Images

EU-Unternehmen müssen Pläne zum Schutz vor Plastik vorlegen

Die EU will mit der "Verordnung gegen Plastikpellet-Verschmutzung" jetzt ein Zeichen gegen die Plastikvermüllung setzen. Das Gesetz betrifft Plastikpartikel, die meist kleiner als fünf Millimeter, extrem langlebig und in der Natur schwer abbaubar sind. In der Praxis geht es dabei vor allem um Kunststoffgranulat, das in der Industrie als Ausgangsstoff für zahlreiche Plastikprodukte und -bauteile dient.

Die Unternehmen in der EU müssen mit Plänen garantieren, dass Kunststoffgranulat aus ihrer Produktion nicht in die Umwelt kommt. Passiert es doch, sollen die Unternehmen die zuständigen Behörden informieren und "alles dafür tun, um schädliche Folgen zu minimieren". 

Hinter der schwammigen Formulierung scheinen verbindliche Regelungen und ernsthafte Absichten zu stehen, die Plastikflut zu stoppen: Große Unternehmen müssen ihre Pläne nach Angaben des Rats der Mitgliedstaaten jährlich von unabhängiger Seite zertifizieren lassen, wenn sie pro Jahr mehr als 1500 Tonnen Kunststoffgranulat verarbeiten. Für kleine Unternehmen reicht eine einmalige Zertifizierung. Firmen, die weniger als 1500 Tonnen pro Jahr verarbeiten, müssen lediglich eine Selbstauskunft abgeben.

Die neuen Regeln gelten auch für Schiffe. Knapp 40 Prozent des in der EU transportierten Kunststoffgranulats würden verschifft, hieß es zur Begründung. Damit sollen etwa besonders dichte Transportverpackungen Pflicht werden. Denn es komme immer wieder zu Ladungsverlusten, schreibt die Deutsche Welle.

So waren beispielsweise im Dezember 2023 vor der Küste Nordspaniens auf einem Frachter mehr als 70 Säcke mit jeweils 25 Kilo Kunststoffgranulat über Bord gegangen, die im Meer zerplatzten. Der Atlantik spülte dann einen Teil der Plastikteilchen in Galicien an den Strand, wo sie von Helfern mühsam aus dem Sand gesiebt werden mussten.

Kunststoffgranulat
Säcke mit Kunststoffgranulat: Die EU will verhindern, dass Mikroplastik in der Umwelt landet. Getty Images

WWF: EU zeigt Mut 

Wegen Fehlern in der Produktion gelangen nach Einschätzung der EU-Kommission bislang jährlich bis zu 184.000 Tonnen Kunststoffgranulat in die Umwelt, was 7.000 LKW-Ladungen Plastikmüll entspricht, der Flüsse, Böden und Meere verschmutzt. Das Granulat gilt neben Kleinstpartikeln in Schminke und anderen Kosmetikartikeln als größte Quelle für Mikroplastik-Verschmutzung. 

Die Hersteller vieler Kosmetikprodukte verwenden der Umweltorganisation Greenpeace zufolge Plastikgranulate in Peelings und flüssiges Plastik, um die Konsistenz von Cremes und Shampoos zu verbessern. Die Mikroplastik-Partikel sind demnach zu klein, um sie herausfiltern zu können. Gelangen sie ins Meer, werden sie unter anderem von Muscheln und Fischen aufgenommen und gelangen so auch in die menschliche Nahrung.

Der Umweltverband WWF hält es für überfällig, dass gegen diese Umweltverschmutzung "endlich mit verbindlichen Regeln" vorgegangen wird. Die EU-Entscheidung sei ein "überfälliger Schritt im Kampf gegen die Plastikverschmutzung", sagt Florian Titze, Leiter internationale Politik beim WWF Deutschland. Er hofft gar auf ein "Signal für die stockenden UN-Verhandlungen über ein globales Plastikabkommen". Schließlich zeige die EU mit dem Mut zu „klaren Pflichten und echten Kontrollen“, dass die Plastikverschmutzung konsequent verhindert werden kann. 

mit Material von afp, dpa, ntv, DW