Im Fall der seit mehr als sechs Jahren vermissten Rebecca aus Berlin sucht die Polizei auf einem Grundstück nach Beweismitteln – es gehört der Großmutter des Verdächtigen.
Berlin – Diese Meldung kam nach Jahren des Stillstands völlig überraschend. Die Polizei durchsuchte am Montag (20. Oktober 2025) ein Grundstück in Brandenburg. Am Nachmittag teilte sie mit, dass es sich dabei um das Haus der 72-jährigen Großmutter des verdächtigen Schwagers der seit 2019 vermissten Rebecca Reusch aus Berlin handelt. Die letzte Meldung der Ermittler stammte vom 17. Februar 2023.
Sechseinhalb Jahre nach dem Verschwinden der damals 15-jährigen Rebecca lägen jedoch nun Anhaltspunkte vor, dass der mittlerweile 33-jährige Schwager sie getötet und ihre Leiche samt ihr gehörender Gegenstände zumindest vorübergehend auf das Grundstück seiner Großeltern gebracht habe, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft am Montag in einem Schreiben mit. Welche das sein könnten? Bleibt offen.
Ermittler suchen nach Puzzleteil – Rebeccas Schwager Florian R. gilt weiter als Verdächtiger Nummer 1
Die Maßnahmen auf dem Grundstück in der Gemeinde Tauche im Osten Brandenburgs und in der Umgebung dienten dem Auffinden von Gegenständen, von Tatspuren und von anderen Beweismitteln, hieß es von den Ermittlern. 115 Polizeikräfte waren demnach im Einsatz, unterstützt von Mitarbeitern des Bundeskriminalamts, die unter anderem einen sogenannten Bodenradar zum Einsatz bringen sollten.
Nach zwischenzeitlich erlangten Erkenntnissen liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der mittlerweile 33 Jahre alte Beschuldigte am Morgen des 18. Februar 2019 seine damals 15 Jahre alte Schwägerin getötet und deren Leiche und ihr gehörende Gegenstände – zumindest vorübergehend – auf das Grundstück seiner Großeltern in Tauche verbracht haben könnte.
Schwager Florian R. gilt weiter als Verdächtiger Nummer 1. Die Polizei ermittelt in keine andere Richtung. Warum? Der Schwager ist bei einer Feier und kommt an jenem Tag erst am frühen Morgen zurück. Rebeccas Schwester geht früh zur Arbeit. Als die Mutter anruft, um Rebecca zum Schulbesuch zu wecken, geht keiner ans Telefon. Die Mutter ruft den Schwager an, der Anruf wird weggedrückt. Kurz darauf ruft er zurück und sagt, Rebecca sei bereits weg. In der Schule kommt sie nicht an und auch nicht zurück nach Hause. Nachmittags meldet die Familie sie bei der Polizei als vermisst. Einerseits. Andererseits wird das Familienauto wohl mit Florian am 18. und 19. Februar 2019 auf der Autobahn zwischen Berlin und Polen erfasst. Dies verstärkt den Verdacht, der auf ihm lastet. Eine nachvollziehbare Erklärung nennt er nicht.
Brisant ist, dass die Familie der vermissten Rebecca fest hinter und zum Ehemann ihrer Schwester stehen. Immer wieder verteidigte die Mutter Schwiegersohn Florian auch öffentlich.
Rebecca Reusch seit 2019 vermisst – große Kritik an Fehlern der Polizei
Die 15-jährige Rebecca war im Februar 2019 verschwunden. Sie hatte bei ihrer Schwester und ihrem Schwager im Berliner Stadtteil Britz übernachtet und kam nicht zur Schule. Bereits kurz nach der Tat geriet der Schwager ins Visier der Ermittler, der auch kurzzeitig in Untersuchungshaft saß. Mangels Beweisen befindet er sich auf freiem Fuß.
Immer wieder gerieten die Ermittler ins Fadenkreuz der Kritik. Vermissten-Experte Peter Jamin äußerte sich 2023 bei FR.de von IPPEN.MEDIA scharf: „Wie will man eine Vermisste suchen, wenn man das falsche Foto hat? Ich halte das für einen eklatanten Fehler der Polizei.“ Kriminalwissenschaftler Christian Matzdorf macht für die fehlgeschlagenen Ermittlungen auch die Familie verantwortlich. Er kritisiert, dass die Polizei „nur mit dem arbeiten konnte, was ihr die Familie zur Verfügung stellte“.
2024 erhielt Merkur.de von IPPEN.MEDIA von einem Polizei-Insider interne E-Mails, die schwere Vorwürfe gegen die Ermittlungsarbeit enthielten. Ein Beamter zeigte sich „irritiert“ über die langen Zeiträume bei wichtigen Ermittlungsschritten und erhob Vorwürfe gegen seine Kollegen.
Jamin kritisiert derweil auch den Fokus auf den Schwager. Vielmehr halte er es für einen Fehler, dass die Ermittler andere Möglichkeiten nicht stärker in Betracht gezogen hätten. Etwa, dass das Mädchen das Haus lebend verlassen hat und von einem anderen Täter in den Blick genommen wurde. Rebecca könnte auch freiwillig fortgegangen sein, sie könnte sich in einen sogenannten „Loverboy“ verliebt haben. „Ich erlebe das immer wieder“, sagt Jamin. „Das kommt in den besten Familien vor“, wiederholte Jamin nun erneut in der Berliner Morgenpost.
Vermisstenfall Rebecca Reusch: Experte hofft auf Dominoeffekt
Ist das nun der Durchbruch in den Ermittlungen? Die Ermittler hoffen weiter auf den einen Fehler des Verdächtigen – und damit auf das fehlende Puzzlestück. Darüber sprach Matzdorf mit uns bereits Anfang 2024. Er hofft auf einen „Dominoeffekt“ durch einen Impuls, der das Puzzle um Rebecca noch zusammenfügt oder der oder die Täter oder Zeugen vielleicht irgendwann gewissen Situationen anders bewerten. Dann könne der Fall aufgeklärt werden. Wird auf dem Grundstück der Großmutter etwas gefunden, könnte das ein solcher Moment sein.
Derweil suchen die Ermittler längst keine lebendige Rebecca mehr, sondern nur noch ihren Leichnam. Für Florian R. gilt weiter die Unschuldsvermutung. (Quellen: AFP, eigene Recherche, Berliner Morgenpost) (mke)