Auf Kosten der deutschen Industrie: Mit diesem Kampfplan will China seine Wirtschaft modernisieren

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China will seine Wirtschaft breiter aufstellen – und in Bereiche vordringen, in denen bislang Deutschland den Ton angibt. Erste Auswirkungen sind bereits zu spüren.

Ab Montag geht es in Peking um die Zukunft der chinesischen Wirtschaft. Für vier Tage kommen die rund 370 Mitglieder des mächtigen Zentralkomitees der Kommunistischen Partei in einem Hotelkomplex des Militärs im Westen der chinesischen Hauptstadt zusammen. Ihr Ziel: ein Entwurf für den nächsten Fünfjahresplan, der die Geschicke der zweitgrößten Volkswirtschaft bis hinein ins Jahr 2030 lenken soll. Seit den 1950ern legt China mit den Fünfjahresplänen Prioritäten und Ziele für Politik und Wirtschaft fest, sie dienen als Leitlinien für Entscheidungsträger im ganzen Land.

Industrieroboter auf einer Ausstellung in Tianjin
Industrieroboter auf einer Ausstellung in Tianjin: China macht der deutschen Industrie zunehmend Konkurrenz. © Sun Fanyue/Imago

Was in der kommenden Woche in Peking entschieden wird, hat Auswirkungen auch auf den Rest der Welt. Nicht zuletzt auf die exportorientierten Unternehmen in Deutschland, die über Jahre mit ihrem China-Geschäft hohe Gewinne einfahren konnten. Doch die fetten Jahre sind längst vorbei. Und China arbeitet daran, die Deutschen immer weiter abzuhängen. Um selbst an die Weltspitze zu rücken, um Märkte nicht mehr nur mit billiger Massenwaren zu überschwemmen, sondern auch mit Hightech-Produkten.

„China will Weltmarktführer in Bereichen wie Künstliche Intelligenz, Biotech und Neue Materialien werden“

Der Fünfjahresplan, der nun in Peking hinter verschlossenen Türen diskutiert und im kommenden März vom chinesischen Parlament aller Voraussicht nach abgenickt wird, ist die Blaupause für diese Entwicklung. Äußerungen von Staats- und Parteichef Xi Jinping in den vergangenen Wochen lassen bereits erahnen, in welche Richtung es gehen wird. Xi wolle „sicherstellen, dass China Weltmarktführer in Bereichen wie Künstliche Intelligenz, Biotech und Neue Materialien wird“, sagt der Ökonom Alexander Brown von der Berliner China-Denkfabrik Merics. Für die Hightech-Nation Deutschland sind das beunruhigende Nachrichten.

Welche Fortschritte China bereits macht, zeigt sich derzeit besonders deutlich in einem Bereich, der über Jahrzehnte das Herzstück der deutschen Wirtschaft war: der Autoindustrie. Der Marktanteil der deutschen Autobauer in China sei von 24 Prozent im Jahr 2020 auf heute 13 Prozent geschrumpft, sagt Brown. Statt deutschen Autos sieht man auf den Straßen von Peking, Shanghai oder Shenzhen heute immer mehr Fahrzeuge von heimischen Herstellern wie BYD, Xpeng oder Xiaomi. Auch im Premium-Segment verlieren die Deutschen an Boden.

Künftig werde China in Bereichen wie Robotik, Biotechnologie oder Maschinenbau immer weitere Fortschritte machen, sagt Brown. Bereichen also, in denen Deutschland traditionell stark ist. „Wir werden ein China sehen, das immer wettbewerbsfähiger wird“, glaubt Brown.

Lange war die Bauindustrie der wichtigste Wachstumsfaktor der chinesischen Wirtschaft. Doch mit dem Zusammenbruch der Immobilienbranche im Jahr 2021 ist China nun auf der Suche nach einem neuen Wachstumsmotor. Eine Möglichkeit wäre ein verstärkter Binnenkonsum. China müsse eine „riesige Konsummacht“ werden, forderte Premierminister Li Qiang im Juni. Doch seit Ende der Coronapandemie halten die Chinesen ihr Geld zusammen, zuletzt sanken deshalb die Verbraucherpreise im September erneut. Auch deshalb setzt China auf Wachstum durch mehr Produktivität – also durch eine Modernisierung der bestehenden Industrie und durch Innovation. Im Parteisprech ist von „Neuen Produktivkräften“ die Rede.

Gleichzeitig diversifiziert China seine Lieferketten und macht sich unabhängiger vom Ausland. Es ist eine der Lehren aus dem Handelskonflikt mit den USA, der nach der Drohung von Präsident Donald Trump, Zölle auf chinesische Importe um 100 Prozentpunkte erhöhen zu wollen, zuletzt weiter eskaliert war.

China wird immer mehr zur Konkurrenz für die deutsche Industrie, vor allem bei Hochtechnologie“

Weil die Chinesen so wenig konsumieren und die Unternehmen gleichzeitig Überkapazitäten aufgebaut haben, ist unter den Herstellern in den letzten Monaten ein erbitterter Preiskrieg ausgebrochen. „Involution“ nennt sich das Phänomen, dass viele chinesische Unternehmen immer mehr produzieren, ohne ihre Gewinne steigern zu können. Das Problem, das derzeit unter anderem die Automobilindustrie und die Solarbranche betrifft, dürfte auch der nächste Fünfjahresplan adressieren, glaubt Merics-Ökonom Brown. Er erwarte trotzdem, dass mit dem angestrebten Innovationsschub auch in anderen Bereichen Überkapazitäten entstehen könnten. Und was im eigenen Land nicht abgesetzt werden kann, wird ins Ausland exportiert.

„China wird immer mehr zur Konkurrenz für die deutsche Industrie, vor allem bei Hochtechnologie“, sagt der Ökonom Thomas Obst vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Innerhalb der EU, aber auch in anderen Weltregionen wie Südostasien, würden chinesische Produkte der deutschen Konkurrenz zunehmend das Wasser abgraben, sagte Obst dem Münchner Merkur von Ippen.Media. Deutschland müsse deshalb bessere Rahmenbedingungen bekommen, um neue Märkte zu erschließen. Wichtig seien in diesem Zusammenhang von der EU verhandelte Freihandelsabkommen, etwa mit Indonesien, Indien oder den südamerikanischen Mercosur-Staaten.

Sorgen macht dem IW-Experten nicht nur, dass Deutschland weniger nach China exportiert. Sondern auch, dass gleichzeitig die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China in den Lieferketten bestehen bleibt. „Von einem De-Risking, wie es die Politik seit Längerem fordert, ist bisher wenig zu sehen“, sagt Obst. Was es bedeutet, von China abhängig zu sein, konnte man zuletzt am Beispiel der Seltenen Erden beobachten. China kontrolliert etwa 90 Prozent des Marktes mit den Rohstoffen, die in Elektroautos, Windturbinen und vielen anderen Hightech-Produkten stecken und auch für die Rüstungsindustrie unentbehrlich sind. Im Handelsstreit mit Donald Trump hat China immer weitere Ausfuhrkontrollen für Seltene Erden verhängt, zuletzt wurden die Bestimmungen Anfang Oktober verschärft.

Zu spüren bekommen das nicht nur die USA, also jenes Land, mit denen China im Streit liegt. Sondern auch Deutschland, wo laut IW etwa 1,3 Millionen Menschen in Unternehmen arbeiten, die Produkte herstellen, in denen Seltene Erden enthalten sind. Jobs, die in Gefahr sind, wenn China den Rohstoffhahn zudreht. (Quellen: Eigene Recherche, Merics, Thomas Obst, Bloomberg, Handelsblatt, Institut der deutschen Wirtschaft)